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BAK-Präsident Schmall: Ratio statt Rationierung in der Arzneiversorgung

WESTERLAND (diz). Kritik am Entwurf des Gesetzes zur Gesundheitsreform der rot-grünen Bundesregierung stand im Mittelpunkt der Rede von Dr. Hartmut Schmall, Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK), zur Eröffnung des Herbstkongresses der BAK in Westerland auf Sylt, der vom 13. bis 17. September stattfindet. Mit den im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen wie Benchmarking, Positivliste und verstärkter Abgabe von Importen würden die Grundlagen einer geordneten Arzneiversorgung zerstört.

Qualität und Wirtschaftlichkeit in unserem Gesundheitswesen sollten mit der Gesundheitsreform erhöht werden. Dafür plädierten auch die Apotheker, allerdings sei der jetzt von der Regierung eingeschlagene Weg der falsche. Die geplanten Maßnahmen führten weniger zu einer Qualitätsverbesserung als vielmehr zu mehr Wirtschaftlichkeit, im Klartext bedeute dies hier aber Rationierung und Verschlechterung der Arzneiversorgung. Ein Benchmarking-System soll Einsparungen bewerkstelligen.

Pharmazeutische Betreuung statt Benchmarking

Mit dem Begriff Benchmarking - der Orientierung am Besten und Günstigsten - könne man in aller Regel auch eine Verbesserung der Situation verbinden - nicht so im Entwurf zur Gesundheitsreform. Hier orientiere man sich nur am Billigsten. Mit Benchmarking soll bekanntlich der Durchschnitt der Arzneiausgaben in den Gebieten der drei Kassenärztlichen Vereinigungen mit den niedrigsten Ausgaben als Budgetrahmen eingeführt werden. Dabei könnten die Apotheker, so hob Schmall hervor, einen Beitrag zu echtem Benchmarking, nämlich zu einer kostengünstigen Verbesserung der Arzneiversorgung leisten, z. B. durch pharmazeutische Betreuung. Die von den Apothekern initiierte und im Rahmen der pharmazeutischen Betreuung durchgeführte Asthmastudie, die im Laufe der Fortbildungswoche des Sylter Kongresses vorgestellt werde, zeige dies. Das Benchmarking-System, wie es Gesundheitsministerin Fischer vorsehe, berücksichtige außerdem keine Strukturunterschiede in den verschiedenen Gebieten wie z. B. chronisch Kranke, Arbeitslosigkeit und demografische Unterschiede. Da das Budget dadurch stark begrenzt werde, bleibe in diesem System kein Platz für meist höherpreisige Innovationen. Zusätzlich entstünden aber Arzneiausgaben dadurch, dass vermehrt ambulant statt stationär behandelt werden solle.

Die Einhaltung eines Budgets solle außerdem durch die vermehrte Abgabe von Importarzneimitteln und mit Hilfe der Positivliste erreicht werden. Schmall sah beide Instrumente sehr skeptisch. Müssten nur Importe abgegeben werden, wenn Originalpräparate verordnet seien, stoße man schnell an die Grenzen der Lieferfähigkeit, da die Verfügbarkeit von Importen begrenzt sei. Die Folge: Die Arzneimittelversorgung werde für den Patienten unzumutbar, die Apotheken könnten die von ihnen geforderte unverzügliche Belieferung von Rezepten nicht mehr einhalten. Eine Regelung, die die Apotheker zur Importabgabe verpflichtet, könne man nicht mittragen. Vorprogrammiert seien dadurch Retaxationen, Streitfälle mit den Krankenkassen und damit mehr Bürokratie und Kosten für die Kassen. Schmall erhob daher die Forderung, von der Einführung dieser Importabgabeverpflichtung Abstand zu nehmen. Mit der vorgesehenen Einführung einer Positivliste werde der Listenwirrwarr verstärkt. Zweifelhaft sei zudem die Aufteilung der Positivliste in eine Hauptliste und eine Liste für die besonderen Therapierichtungen. Auch dadurch werde die Arzneiversorgung negativ beeinflusst.

Schmalls Fazit zum Entwurf der Gesundheitsreform: Mit dem Gesetz werden die Grundlagen einer geordneten Arzneiversorgung zerstört. Man müsse sich daher verstärkt dafür einsetzen, dass die Arzneimittelversorgung in Zukunft von der Ratio abhänge, nicht von einer Rationierung.

Zählt nur noch der Kommerz?

Seiner Frustration über die geplante Gesundheitsreform machte Schleswig-Holsteins Kammerpräsident Heinrich Wehle in seinen Grußworten zum BAK-Kongress Luft. Noch versuche man über Gespräche und Demos Einfluss zu nehmen, doch die Möglichkeiten seien beschränkt. Die Bundesapothekerkammer hätte eigentlich auch demonstrativ den Kongress in Westerland absagen können, denn, so Wehle, der Fachmann Apotheker werde in Zukunft wohl nicht mehr gebraucht. Auch die Bemühungen in pharmazeutischer Betreuung könne man nur noch auf kleiner Flamme weiterkochen. Wenn den Apothekern in Zukunft die Daten, die nur noch die Krankenkassen verwerten sollen, fehlen, könne man einen möglichen Erfolg von Pharmaceutical Care nicht nachvollziehen.

Auch die Positivliste sei mehr Ideologie denn sachliche Auseinandersetzung mit der Materie - eingeführt, so Wehle, wohl als Reaktion auf die damalige Rücknahme durch Seehofer. Ein Grund für ihre Einführung, so mutmaßte er, sei womöglich auch der Mangel in der ärztlichen Ausbildung: Vielleicht könnten Ärzte nicht mit der Vielfalt des Arzneimittelmarktes umgehen.

Das Prinzip der Reform sei Finanzsteuerung, nur Kommerz zähle und sonst nichts. Vor diesem Hintergrund sei auch das so genannte Schüttenurteil eine "Riesenohrfeige" für uns, meinte Wehle, die Richter stellten die Apotheker damit auf eine Stufe mit dem Einzelhandel; dies sei wohl auch im Sinne der Politik. Wehle wünschte sich, der Gesundheitsministerin zu übersetzen, was die alte Maxime der Heilberufe ("salus aegroti suprema lex") sei: Das Wohl des Kranken ist die oberste Richtschnur.

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