Arzneimittel und Therapie

Behandlung gynäkologischer Tumore: Moderne Zytostatikatherapie

Es kommt Bewegung in die Therapie des Mammakarzinoms. Nicht nur effektiver, sondern auch besser verträglich sollen die neuen Regimes werden. Die Forschung setzt dabei auf veränderte Therapieschedules mit bekannten Zytostatika, aber auch auf innovative Therapieansätze.

Seit gezeigt werden konnte, dass die adjuvante Chemotherapie die rezidivfreie Überlebenszeit und die Gesamtüberlebenszeit bei Patientinnen mit einem Mammakarzinom verlängern kann, ist die Strategie klar: Nach der Entfernung des Primärtumors wird mit Zytostatika behandelt. Welches Regime sich eignet, scheint von der Zahl der befallenen Lymphknoten abhängig zu. So profitieren von einem CMF (Cyclophosphamid - Methotrexat - 5-Fluorouracil)-Protokoll nur Frauen mit einem bis drei befallenen Lymphknoten.

Wird zusätzlich Doxorubicin verabreicht, lassen sich auch bei Patientinnen mit vier bis neun befallenen Lymphknoten die Überlebensraten verbessern. Die sequentielle Therapie, bei der zunächst Doxorubicin (viermal Doxorubicin alle drei Wochen) und danach CMF (acht Mal alle drei Wochen) gegeben wird, hat sich einer alternierenden Doxorubicin/CMF-Gabe als überlegen erwiesen. So lag unter der Sequenztherapie die 10-Jahres-Überlebensrate bei 42 Prozent, unter der alternierenden Therapie lediglich bei 28 Prozent.

Klarer Fortschritt durch Paclitaxel

Der Versuch, durch die Erhöhung der Dosen von Cyclophosphamid oder Doxorubicin den Therapieerfolg weiter zu verbessern, schlug dagegen fehl. Einen klaren Fortschritt in der adjuvanten Therapie des nodalpositiven Mammakarzinoms brachte dagegen die Einführung von Paclitaxel. Eine amerikanische Studiengruppe untersuchte an 3170 überwiegend prämenopausalen Patientinnen, ob sich die Überlebensraten durch eine Steigerung der Doxorubicindosis und/oder durch die zusätzliche Gabe von Paclitaxel weiter verbessern lassen.

Bei 46 Prozent der Patientinnen waren ein bis drei Lymphknoten befallen, bei 42 Prozent vier bis neun Lymphknoten und bei 12 Prozent mehr als neun Lymphknoten. Die Patientinnen erhielten viermal im Abstand von drei Wochen Cyclophosphamid sowie Doxorubicin in drei verschiedenen Dosen. Im Anschluss daran wurde bei jeweils etwa der Hälfte der Patientinnen ebenfalls viermal im Abstand von drei Wochen Paclitaxel verabreicht.

Mehr Doxorubicin bringt nichts!

Nach 18 Monaten waren bei insgesamt 453 Patientinnen Rezidive aufgetreten, 200 Patientinnen waren verstorben. Die genaue Auswertung der Daten zeigte, dass eine Erhöhung der Doxorubicindosis für den weiteren Krankheitsverlauf keinen zusätzlichen Profit bringt. Dagegen profitierten die Patientinnen unabhängig vom Lymphknotenstatus von der zusätzlichen Paclitaxelgabe. Sie lebten insgesamt länger, und die Dauer der rezidivfreien Intervalle nahm zu. So reduzierte sich das jährliche Rezidivrisiko durch Paclitaxel bei Frauen mit ein bis drei befallenen Lymphknoten um 24,6 Prozent, mit vier bis neun befallenen Lymphknoten um 23,3 Prozent. Das Risiko, an einem Mammakarzinom zu sterben, ging deutlich zurück.

Dosisverdichtung und Dosisintensivierung

Befriedigend ist jedoch die Therapie von Patientinnen mit vier und mehr befallenen Lymphknoten längst noch nicht. Zur Zeit werden deshalb Therapieschedules untersucht, die sich das Prinzip der Dosisverdichtung und Dosisintensivierung zunutze machen. So wird derzeit untersucht, ob eine intensivierte dosidichte Sequenztherapie, bei der Epirubicin, Paclitaxel und Cyclophosphamid alle 14 Tage unter gleichzeitiger Gabe von G-CSF effektiver ist als das bislang propagierte Regime. In den USA laufen ähnliche Untersuchungen, die bereits Zwischenergebnisse vorweisen können. So waren immerhin 87 Prozent der Patientinnen in einer medianen Nachbeobachtungszeit von vier Jahren unter der Intensivtherapie rezidivfrei.

Bei Östrogenrezeptor-positiven Tumoren: Tamoxifen

Frauen mit einem Östrogenrezeptor-positiven Tumor werden außerdem nach der Zytostatikatherapie mit dem selektiven Östrogenrezeptormodulator Tamoxifen behandelt. Er wirkt auf das Brustgewebe als Antiöstrogen und verhindert bei diesen Karzinomen die Proliferation von Tumorzellen. Die Behandlungsdauer ist allerdings auf fünf Jahre begrenzt. Eine längere Behandlung scheint keinen weiteren positiven Effekt zu zeigen.

Bei HER2-positiven Tumoren: Trastuzumab

Ein neues Wirkprinzip zur Behandlung des Mammakarzinoms wurde vor kurzem in der Schweiz zugelassen. Der monoklonale Antikörper Trastuzumab (Herceptin(r)) wird zur Behandlung von Patientinnen mit metastasierendem Brustkrebs eingesetzt, deren Tumore das HER2(human epidermal growth factor receptor 2)-Protein überexprimieren. Das trifft für etwa ein Drittel der Mammakarzinompatientinnen zu.

Trastuzumab blockiert die HER2-Rezeptoren und kann so die mediane Überlebenszeit verlängern. In einer Studie, bei der Trastuzumab mit Paclitaxel kombiniert wurde, lebten die Patientinnen im Durchschnitt etwa vier Monate länger. (Siehe auch DAZ 32/99, S. 31; DAZ 22/99, S. 41; DAZ 21/99, S. 26.)

Ovarialkarzinom: Senkung der Mortalität

Ebenfalls einen "Sprung" in die richtige Richtung lässt sich in der Therapie des Ovarialkarzinoms beobachten. Mit 7999 Neuerkrankungen pro Jahr ist dieser äußerst aggressive Tumor mit einer hohen Mortalitätsrate das fünfthäufigste Karzinom in Deutschland. Das Problem: Es gibt kein etabliertes Screeningmodell, wie beispielsweise die Mammographie für Brustkrebs. Damit sind auch Frauen, die regelmäßig zur gynäkologischen Vorsorgeuntersuchung gehen, gefährdet. Nun sollen mit der Etablierung neuer Therapiestandards die Chancen zu überleben verbessert werden. Dabei besteht auch hier kein Zweifel mehr daran, dass nach einer möglichst radikalen Tumorentfernung eine Chemotherapie indiziert ist.

In zwei Studien an über 1000 Patientinnen konnte bereits Anfang der 90er Jahre gezeigt werden, dass die Kombination Cisplatin/Paclitaxel dem Duo Cisplatin/Cyclophosphamid hinsichtlich der Remissionsraten und der Überlebenszeiten überlegen ist (Remissionsraten 73% versus 60%).

Doch auch dieses Schedule hat sich bereits überlebt. Als neuer Standard wird derzeit die kombinierte Gabe von Carboplatin und Paclitaxel propagiert. Sie ist mit Remissionsraten zwischen 75 und 80 Prozent ähnlich wirksam wie die Kombination aus Cisplatin und Paclitaxel, jedoch besser verträglich. Insbesondere die Neurotoxizität, die mit unangenehmem Kribbeln und teilweise schweren Sensibilitätsstörungen an den Extremitäten einhergeht, ist weniger ausgeprägt. Erbrechen und Übelkeit treten seltener auf, und die Lebensqualität ist höher. Unter Carboplatin kann es allerdings zu einer Myelosuppression kommen, die beispielsweise mit einer Neutropenie einhergehen kann. Klinische Studien zeigten jedoch keine relevanten Begleiterscheinungen und eine rasche Normalisierung des Blutbildes innerhalb von drei Wochen.

Tumortherapie 2000

Die Suche nach wirksamen Medikamenten gegen Krebs gehört zu den großen Forschungsaufgaben unserer Zeit. Intensiv wird nach neuen Wirkmechanismen in der Behandlung gynäkologischer Tumoren gesucht. Im Mittelpunkt steht dabei der Angriff über spezifische Targets, wie Oberflächenrezeptoren, oder die Hemmung der tumoralen Angioneogenese. Außerdem werden neue Strategien unter die Lupe genommen. Im Blickpunkt stehen hier RAS-Farnesyltransferase- Inhibitoren, die Matrix-Metalloprotease- Inhibitoren und Antitumor- Vakzinen. Gefordert sind aber auch die Chemiker, die an oral verfügbaren Fluoropyrimidinen, neuen Topoisomerase-Analoga und Chemosensitizern "basteln". Doch bei aller Faszination für das Neue: Diese neuen Verbindungen gelten vorwiegend als "zusätzliche Hilfen". Festes Standbein der Chemotherapie bleibt der unspezifische Rundumschlag mit den bekannten Zytostatika. Hier geht es darum, die bewährten Wirkstoffe in neuen Therapieschedules zu testen und dabei noch genauer das pharmakologische Profil zu berücksichtigen. Hochdosistherapien und neue Kombinationen werden hier die Zukunft der Tumortherapie entscheidend prägen.

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