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APV/DPhG-Forum: Pharmazeutische Technologie im 21. Jahrhundert - verstärkt Bio

MAINZ (diz). -Sich wieder mal treffen und miteinander reden, das war die Motivation für die Arbeitsgemeinschaft für Pharmazeutische Verfahrenstechnik (APV) und die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft (DPhG), ein gemeinsames Hochschulforum einzuberufen. Im Mittelpunkt des Treffens am 14. und 15. Januar an der Universität Mainz stand die Pharmazeutische Technologie im 21. Jahrhundert. Eingeladen waren Hochschullehrer, Habilitanden und promovierte wissenschaftliche Mitarbeiter, die die Fächer Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie an den Hochschulen in Deutschland und den Nachbarländern vertreten. Initiiert hatte dieses Treffen Prof. Dr. C. M. Lehr, Pharmazeutischer Technologie an der Uni des Saarlandes. Im Mittelpunkt der Diskussion stand die neue Approbationsordnung.

Deutschlands Pharmazeutische Technologen und deren Mitarbeiter waren der Einladung gern gefolgt. Wie am Rande des Hochschulforums zu erfahren war, sei es gerade jetzt im Vorfeld der Umsetzung einer neuen Approbationsordnung wichtig, sich auszutauschen, über Vorlesungs- und Seminarinhalte zu diskutieren und darüber nachzudenken, welche Rolle zum Beispiel die neuen Medien wie Internet in der Ausbildung spielen können. Workshops über die Themen -Lehre (neue Approbationsordnung, Ringvorlesung, u.ä.), -Deutsche Forschungsgemeinschaft (Begutachtungen, Schwerpunktprogramme, Publikationen und Impact Factor) und -Globalisierung (internationale wissenschaftliche Gesellschaften, Kongresse, europäische Fachzeitschriften) vertieften das APV/DPhG-Treffen.

APV - Annährerung an DPhG und EUFEPS

Der Präsident der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft, Prof. Dr. H. P. T. Ammon, freute sich über diese gemeinsame Tagung von APV und DPhG, da sie zeige, daß beide Gesellschaften sich einander wieder näher gekommen seien. Die DPhG habe insbesondere in den letzten Monaten großes Interesse an der Technologie gezeigt. Ammon erwähnte in diesem Zusammenhang das Vorsymposium der Fachgruppe Pharmazeutische Technologie anläßlich der Jahrestagung der DPhG in Tübingen. Vor allem dieser letzte Jahreskongreß habe gezeigt, daß sich die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft als -Dach der Pharmazie verstehe, unter dem die verschiedenen Disziplinen der pharmazeutischen Wissenschaften Gelegenheit haben, sich untereinander auszutauschen. Umgesetzt wurde dieser Gedanke in Tübingen durch die Einführung einer Reihe von Vorsymposien für die verschiedenen pharmazeutischen Disziplinen. Auf der diesjährigen Jahrestagung in Frankfurt soll diese Art der Präsentation weitergeführt werden. In dieses Konzept passe auch die Herausgabe des -Forschungsführers der DPhG, der die Forschungsaktivitäten der verschiedenen pharmazeutischen Disziplinen an deutschen Hochschulen zusammengefaßt präsentiert. Ammon wörtlich: -Ich hoffe, daß mit dieser Praktik der DPhG einer Fehlentwicklung früherer Jahre, die nicht zuletzt auch zur Gründung der APV geführt hat, entgegengesteuert wird. Persönlich möchte ich an dieser Stelle als Präsident der DPhG mein äußerstes Bedauern über die damalige Entwicklung zum Ausdruck bringen und die APV zu weiterer und näherer Kooperation einladen.

Auf europäischer Ebene hat sich die Pharmazie als European Federation of Pharmaceutical Sciences (EUFEPS) organisiert. Die DPhG mit rund 6000 Mitgliedern stelle die größte Gesellschaft innerhalb der EUFEPS dar. Dennoch, so Ammons Ansicht, sei nicht zuletzt vor dem Hintergrund, daß die pharmazeutische Industrie Deutschlands einen hervorragenden Platz in der Welt einnimmt, ein stärkeres deutsches Engagement in der EUFEPS notwendig. Nachholbedarf sah Ammon beim Engagement von Seiten wissenschaftlich tätiger Pharmazeuten im Bereich der pharmazeutischen Industrie. Daher sei es zu überlegen, ob sich nicht auch die APV als Organisation an EUFEPS annähern sollte.

Deutsche Interessen könnten dann stärker vertreten werden, vor allem auch deswegen, weil die APV weniger -offizinpharmazeutisch als vielmehr arzneimittelorientiert sei. Denn, so stellte Ammon heraus: -Wenn die deutsche Pharmazie international eine Rolle spielen will, so wird sie sich sicher in nächster Zeit auch mehr nach Europa und darüber hinaus international orientieren müssen.

Die neue Approbationsordnung

Den Ergebnisbericht der Arbeitsgruppe -Apothekerausbildung stellte Prof. Dr. B. Lippold, Pharmazeutische Technologie der Universität Düsseldorf, vor. Dieser Bericht sei als Vorschlag zu verstehen, der zur Diskussion gestellt werde. Er müsse noch dem Bundesrat zugeleitet werden. Erst nach dessen Zustimmung könne diese neue Approbationsordnung in Kraft treten.

Nach wie vor bildet die Pharmazeutische Chemie die wesentliche Grundlage des Pharmaziestudiums. In Zukunft wird hier stärkeres Gewicht auf die medizinische Chemie und die instrumentelle Analytik gelegt.

Im Fach Pharmazeutische Biologie werden die Molekularbiologie, die Bio- und Gentechnologie, die Immunologie, die -rote Biologie, die -Klinische Chemie (Anatomie, Biochemie, Physiologie) eine größere Rolle spielen als bisher.

Die Pharmazeutische Technologie wird sich etwas weniger mit der Arzneiformenlehre beschäftigen müssen, dafür stärker die Biopharmazie und die arzneiformenbezogene Pharmakokinetik berücksichtigen.

In der Pharmakologie steht bei einer zukünftigen Apothekerausbildung verstärkt die Anwendung von Arzneimitteln, das heißt die Pharmakotherapie und die Krankheitslehre im Vordergrund. Ein zusätzliches neues Fach, die -Klinische Pharmazie, befaßt sich mit der Optimierung der Arzneimittelanwendung. Die neue Approbationsordnung wird außerdem die Medizinprodukte stärker in den Fächern Pharmazeutische Technologie und Klinische Pharmazie berücksichtigen.

Inhalte und Prüfungsstofflisten des dritten Ausbildungsabschnittes werden mit der neuen Approbationsordnung aktualisiert und erweitert. Die Ausbildung im praktischen Jahr kann der angehende Pharmazeut splitten, sechs Monate in einer öffentlichen Apotheke sind Pflicht, das zweite praktische Halbjahr kann dann in einem anderen pharmazeutischen Bereich abgeleistet werden, zum Beispiel auch auf Station in einem Krankenhaus. Ermöglicht wird die Anfertigung einer wissenschaftlichen Arbeit, die dann zum Diplom führt.

Der Anteil der Praktika wurde von bisher 62% auf 50% gekürzt. Generell sollen Praktika mit 20% begleitendem Seminaranteil einhergehen, um die Auseinandersetzung mit dem Lehrstoff zu vertiefen. Der Anteil der Seminare einschließlich der praktikumsbegleitenden Seminare wurde von bisher 3,6% auf 18% erhöht. Auch der Anteil der Vorlesungen wird von bisher 34% auf 38% angehoben. Neu ist die Einführung eines Wahlpflichtfaches mit insgesamt 104 Stunden, was den angehenden Pharmazeuten großen Gestaltungsspielraum läßt.

Die Prüfung gliedert sich wie bisher in zwei Abschnitte. Der erste Abschnitt wird im Multiple-choice-Verfahren geprüft, eventuell in zwei Teilen im dritten und vierten Semester. Im zweiten Abschnitt wird das neue Prüfungsfach Klinische Pharmazie eingeführt, das vorübergehend vom Pharmakologen abprüfbar ist, jedoch eigens benotet wird.

Lippold stellte bei seinem Bericht über die neue Approbationsordnung auch Veränderungen im Fach Arzneiformenlehre vor. Der Prüfungsstoffkatalog für den zweiten Prüfungsabschnitt zeigt, daß die Auflistung gestrafft und einige neue Begriffe eingeführt wurden. Bei dem Stichwort Arzneiformen finden sich jetzt auch folgende Punkte:

Arzneistoffabgabesysteme, Gewebe- und organspezifische Applikationsformen, Dosiersysteme, Zytostatikazubereitungen, Besonderheiten, bio- und gentechnologisch hergestellte Arzneimittel, Aufbau, Zusammensetzung, Handhabung, Gebrauchseigenschaften von Fertigarzneimitteln. Im Bereich der Verfahrenstechnik sind Stichworte genannt wie Maschinen, Regelungstechnik, elektronische Datenverarbeitung. In den Bereichen Biopharmazie/Pharmakokinetik werden die angehenden Pharmazeuten auch geprüft über Applikationswege und Resorptionsorte, sie können gefragt werden zur Bioäquivalenzprüfung und -beurteilung sowie zur In-vitro-/In-vivo-Korrelation. Im Bereich der Qualitätssicherung stehen die statistischen Methoden, Validierung, Inprozeß- und Endkontrollen sowie rechtliche Grundlagen im Prüfungsstoffkatalog. Bei den Medizinprodukten wurden neu aufgenommen die Arzneimittelpumpen und Applikationshilfen.

Zukunftsperspektive Biopharmazie

Nach Einschätzung von Dr. P. Langguth, Mainz, wird die Biopharmazie eine Zukunftsperspektive des Faches Pharmazeutische Technologie sein. Der Begriff Biopharmazie wurde von verschiedenen Wissenschaftlern versucht zu definieren. Eine griffige Definition stammt beispielsweise von Levy: -Biopharmazie ist die Beeinflussung der Wirksamkeit eines Arzneistoffs durch die Arzneiform. Andere Definitionen konkretisieren die Biopharmazie mit Begriffen wie Absorption, Distribution, Metabolismus und Exkretion des Arzneistoffes, wobei hier die Verbindung zur Pharmakokinetik deutlich wird. So gehören zur Biopharmazie nach Einschätzung von Langguth auch die Bioverfügbarkeit, die Bioanalytik, die Kinetik, die Physiologie, Hämodynamik und ähnliche Begriffe, was zeigt, daß die Biopharmazie ein sehr interdisziplinär geprägtes Fach darstellt.

Zu den Themen, mit denen sich Langguth befaßt, gehören im Rahmen der Biopharmazie

  • Vorhersagemodelle für pharmakokinetische und biopharmazeutische Substanzeigenschaften,
  • der Gastrointestinaltrakt als First-pass-Extraktionsorgan, seine quantitative Bedeutung im Vergleich zur Leber und Konsequenzen für die Entwicklung peroraler Formulierungen,
  • die Bedeutung von Transportproteinen für den Arzneistoff (Absorption, Verteilung und Exkretion),
  • biopharmazeutische Problemarzneistoffe (Peptide, Proteine, Oligonukleotide)
  • Organtargeting (z.B. ZNS, Leber, Gastrointestinaltrakt, Knochenmark),
  • Prodrugs zur Verbesserung von Permeabilität und Löslichkeit.

Zu seinen persönlichen Arbeitsgebieten zählt Langguth die Membranpermeation und die Bedeutung von p-Glykoproteinen, die als -lipophiler Staubsauger lipophile Stoffe von der Membran und aus dem Zellinnern ins Zelläußere schleusen.

Zukunftsaspekt Biomaterialien

Als weiteren Zukunftsaspekt für das Fach Pharmazeutische Technologie sieht Prof. Dr. A. Göpferich, Regensburg, die Beschäftigung mit Biomaterialien. Zum Beispiel für -drug delivery oder -tissue engineering. Hier werden zum Beispiel abbaubare Polymere als Zellträger und Freigabesysteme für Wirkstoffe konzipiert. Beim tissue engineering werden aus gesunden Gewebeteilen (z. B. Knochen) Zellen gewonnen, außerhalb des Körpers vermehrt und mit einem Polymergerüst zusammengebracht. Zu den neuen Biomaterialien gehören beispielsweise die Poly-D,L-Lactide. Versuche mit solchen Materialien haben gezeigt, daß die Matrix eine bestimmte Zeitlang stabil bleibt, und dann zusammenfällt. Dies läßt sich beispielsweise ausnutzen für die Herstellung von zeitgesteuerten Implantaten. Denkbar wäre der Einsatz solcher abbaubaren Polymere als Arzneistoffträger in der Therapie von Gehirntumoren.

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