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Sichtbarer Widerstand


Der Ton ist ruppig geworden. Der Bundesgesundheitsministerin weht von allen Seiten ein eisiger Wind ins Gesicht. Dabei hat der Streit zwischen Andrea Fischer und vor allem den Ärzten am vergangenen Wochenende noch an Schärfe zugenommen. Ihnen warf Andrea Fischer verkürzt gesagt Sabotage ihrer Pläne vor, die Mediziner würden bewusst zu viel und unnötig Arzneimittel verordnen, um die Reform gegen die Wand zu fahren. Das hat wiederum die Ärzte, die bis zum 5. Juni in Cottbus tagen (zunächst die Kliniker, dann die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), anschließend alle auf dem Deutschen Ärztetag), auf die Palme gebracht: -Ungeheuerliche Anschuldigung, hieß es.
Hoch her war es bereits in der vergangenen Woche bei der Vorstellung des Referentenentwurfs zugegangen. Da hatte sich Andrea Fischer vor der Bundespressekonferenz zweimal ganz schön vergaloppiert. Als Hauptrisiko für stabile Beitragssätze hatte sie den Anstieg bei den Arzneiausgaben im ersten Quartal gebrandmarkt und die Grippewelle als Begründung abgeschmettert (siehe AZ vom Montag). Pikant: in derselben Pressekonferenz hielt ihr Abteilungsleiter eine solche sehr wohl für möglich. Die Ministerin hatte konkret den Anstieg bei den Antibiotika angeprangert. Wären die Kassenärzte ihrem Rat gefolgt, -wären mehrere Tausend Kassenpatienten an Lungenentzündung gestorben, konterte KBV-Chef Dr. Winfried Schorre.
Und zum zweiten hatte die Ministerin den Anstieg bei den Medikamenten insgesamt dramatisch dargestellt. Nur wenig später hielt es ihr Abteilungsleiter für unseriös, aufgrund der ersten drei Monate hochzurechnen. In der Tat gibt es bedeutende Unterschiede im Jahresverlauf, im April waren die Verordnungen bereits wieder rückläufig. Im übrigen kann durch weitere Eingriffe im regulierten Arzneibereich mit seinem 13 prozentigen Anteil (!) an den Gesamtausgaben nicht die gesamte gesetzliche Krankenversicherung gerettet werden. Das ist kontraproduktiv.
Der Vollständigkeit halber gibt es ebenso dieses Beispiel: Auch Zytostatika wurden vermehrt verordnet. Wenngleich sicherlich in anderen Fällen die Indikationsstellung durch Mediziner noch schärfer erfolgen muss, bei Krebsmitteln kann ich mir unnütze Verschreibungen nur schwer vorstellen. Mit solchen Äußerungen bringt die Ministerin Fachleute des Gesundheitswesens gegen sich auf, die sich größtenteils sowieso außen vor fühlen beim Reformprozess, der hinter verschlossenen Türen in Bonn - und mit Getöse zwischen SPD und Bündnisgrünen - stattfand.
Dabei steht auch Vernünftiges im Entwurf. Wer wollte etwas gegen Qualitätssicherung, die Stärkung der Hausärzte oder die bessere Verzahnung von ambulant und stationär sagen? Jedoch - die Instrumente dazu erscheinen ungeeignet, sowohl die Positivliste als auch die anderen Dirigismen -von oben.
Das grundsätzliche -Aber gegen die Reform: Die großen Herausforderungen ließ die Ministerin links liegen. Was ist mit der Alterung unserer Bevölkerung und dem rasanten medizinischen Fortschritt, wenn die Ausgaben der gesetzlichen Kassen jeweils nur leicht steigen? Zur Zeit sind die Einnahmen der Kassen an die Löhne angebunden. Was geschieht, wenn wir die vier Millionen Arbeitslosen nicht wieder in Lohn und Arbeit bringen? Zum Einnahmeproblem der GKV findet sich im Entwurf nichts.
Susanne Imhoff-Hasse

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