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Das noch junge Jahr beginnt im Arzneimittelbereich gleich mit einem mittleren Paukenschlag. Ab April könnten neue Arzneimittel-Richtlinien gelten, allerdings nur, wenn die Bundesgesundheitsministerin nicht von ihrem Recht Gebrauch macht und sie zurückzieht. Andrea Fischer hat hier das letzte Wort.

Die Richtlinien sollen die Mediziner dazu bewegen, an die Arzneiverordnungen strengere Maßstäbe anzulegen. Der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen hat jetzt eine Fassung beschlossen, die eine lange Vorgeschichte aufweist. Fast zwei Jahre lang kursierten immer neue Versionen, bis nach der 13. Vorlage im vergangenen Sommer ein Entwurf vorlag, zu dem die Experten Stellung nehmen konnten. Der Inhalt des Entwurfs schlug hohe Wellen, über die Kritik dazu hatten wir Sie informiert, wie auch über die Diskussion, ob das Gremium überhaupt die Kompetenz zu Ausgrenzungen hat. Immerhin 33 Aktenordner (!) füllten die Bedenken nur von Seiten der anhörungsberechtigten Apotheker, der pharmazeutischen Industrie und der Ärztegesellschaften der besonderen Therapierichtungen; Zuschriften etwa von Selbsthilfegruppen kamen in drei weitere Ordner. Jetzt hat der Bundesausschuß eine Fassung beschlossen, in der einige Kritikpunkte aufgegriffen worden sind. Es hat Verfeinerungen am Entwurf gegeben.

Gleichwohl blieb die völlige Umgestaltung. Für Ärzte wird erstmals in Form einer Tabelle aufgelistet, was sie entweder gar nicht oder nur mit Einschränkungen verschreiben dürfen. In der jetzigen Vorlage stehen Neuauschlüsse von 22 Arzneimittelgruppen neben den bisher ausgegrenzten oder nur beschränkt verordnungsfähigen 47 Gruppen. Ganz unterschiedliche Präparate sind betroffen, von Nootropika, Antidiarrhoika, über Venen- oder Lebertherapeutika hin zu Lipidsenkern oder Kombinationen verschiedenster Wirkstoffe. Die neuen Richtlinien müssen sorgfältig studiert werden. Bei den meisten Präparaten gilt kein völliger Ausschluß aus der Erstattung, es existieren bestimmte Ausnahmen. Verschreibt ein Arzt abweichend von den Empfehlungen, muß er dies dokumentieren. Aufgelistet sind auch die bisherigen gesetzlichen Regelungen, wann die Krankenkassen Medikamente erstatten und wann nicht. In der Anlage zur Richtlinie wird angegeben, wann ein Verordnungsausschluß gesetzlich bedingt ist und wann nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Nur für letzteres ist der Bundesausschuß zuständig.

Arzneimittel-Richtlinien an sich sind nichts Neues und wurden regelmäßig novelliert. Zur Zeit gelten sie in der Fassung vom 31. August 1993, die Anfang 1994 in Kraft trat. Neu ist vor allem die Synopse, die alle - alte wie hinzugekommene - Verordnungseingrenzungen auflistet. Diese Anlage werden Mediziner bevorzugt zur Hand nehmen.

Insgesamt sollen die Richtlinien Empfehlungen für eine rationale Arzneimitteltherapie darstellen, die Vertragsärzte müssen sie jedoch zwingend beachten. Ob der Empfehlungscharakter in der vorgelegten Fassung erreicht wurde, bleibt abzuwarten. Transparenz sollte geschaffen werden, ob es damit gelingt? Jetzt kommt es auch darauf an, wie die Ärzte und Kassenmitarbeiter von ihren Organisationen informiert werden und reagieren. Werden die Mediziner eher verwirrt? Reagieren sie irrational? Wird es zu Mißinterpretationen kommen? Ist die geforderte Dokumentation im Alltag eines niedergelassenen Arztes umsetzbar? Die Apotheke wird das sich ändernde Verordnungsverhalten spüren. Auch finanziell.

Sinnvoll ist es, den Ärzten zu empfehlen, die nach Gesamtbehandlungskosten wirtschaftlichste Alternative zu wählen. Ein Satz steht dazu im Kapitel zur wirtschaftlichen Verordnungsweise. Er gehört optisch hervorgehoben oder unterstrichen. Ist die Wirtschaftlichkeitsprüfung bei nichtmedikamentösen Alternativen bedacht worden?

Susanne Imhoff-Hasse

Bald neue Richtlinien?

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