DAZ aktuell

Großhandel - eine Alternative zur Direktbelieferung?

BERLIN (jo). In den zurückliegenden Jahren haben pharmazeutische Unternehmen große Anstrengungen unternommen, um die Logistikkosten bei der Belieferung von Krankenhausapotheken zu reduzieren. Dezentrale Distributionszentren wurden eingerichtet und die Lieferung an externe Dienstleister mit eigenem Fuhrpark vergeben. Daneben wird seit Anfang der 90er Jahre in vielen Seminaren über Logistikkosten im Krankenhaus diskutiert. Die Krankenhausapotheke tritt dabei immer mehr in den Fokus. Der pharmazeutische Großhandel versucht ebenfalls in dieses Geschäft einzusteigen und Konzepte zu erarbeiten. Um diese einer breiten Fachöffentlichkeit vorzustellen und darüber zu diskutieren, hatte Dr.Jochen Kotwas, Vorsitzender des ADKA-Landesverbandes Berlin, zu einem Diskussionsforum am 20.Februar 1999 nach Berlin eingeladen. Mehr als 70 Teilnehmer aus Krankenhausapotheken und der pharmazeutischen Industrie diskutierten mit Anja Gossens-von der Heidt, Gehe GmbH, und Alfred Schürmann, Sanacorp AG, wie die Kooperationskonzepte beider Unternehmen aussehen und ob sie für die betroffenen Institutionen akzeptabel sind.

Gehe-Konzept


Das von ihr vorgestellte Konzept der Gehe GmbH sei, so Anja Gossens-von der Heidt, in die Zukunft gerichtet. Ziel sei es, die Logistikkosten im Krankenhaus und bei der pharmazeutischen Industrie zu reduzieren. Für die Industrie sei dies dadurch zu verwirklichen, dass diese anstatt bei einer Vielzahl von Krankenhäusern nur noch an einer Stelle, nämlich beim Großhandel, anliefern müsse. Bei den Krankenhausapotheken werden Lagerbestände abgebaut, bedarfsgerechte Bestellungen durchgeführt und eine verbrauchsstellengerechte Kommissionierung ermöglicht. Die Apotheker gewinnen durch diese Maßnahmen mehr Zeit für wichtige Aufgaben im Krankenhaus, z.B. für die Beratung der Ärzte.
In seinen Niederlassungen hat Gehe 50000 bis 80000 Arzneimittel von 1500 Herstellern vorrätig. Die Belieferung der Apotheken erfolgt in der Regel dreimal pro Tag. Da die Lieferfahrzeuge dabei auch an Krankenhausapotheken vorbeifahren, können diese ohne Mehrkosten mitbeliefert werden. Die Bestellungen könnten on-line aus dem Warenwirtschaftssystem der Apotheken erfolgen.
Gehe wolle sich keinesfalls in die Preisverhandlungen zwischen den Krankenhausapotheken und der Industrie einschalten. Auch eine Produktberatung werde durch den Großhandel nicht erfolgen.

Sanacorp-Konzept:


häufigere Lieferfrequenz
Auch die Sanacorp sieht in der Belieferung durch den pharmazeutischen Großhandel sowohl für die Krankenhausapotheken als auch die Industrie Vorteile. Wesentliche Argumente sind auch hier die häufigere Lieferfrequenz mit kleineren Arzneimittelmengen. Dadurch könne das Warenlager reduziert werden und die Kapitalbindung verringert werden. Die monatliche Rechnungsstellung reduziert ebenfalls den administrativen Aufwand der Krankenhausapotheke. Schürmann betonte, dass sein Unternehmen die Belieferung ausschließlich mit großhandelsüblicher Ware durchführen wolle. Man wolle durch diese Aktivitäten nicht an Krankenhausware kommen. Da etwa 100000 Artikel bei Sanacorp am Lager seien, sei eine Vollversorgung derzeit gegeben. Gegenwärtig wolle Sanacorp die Krankenhausapotheken nur mit C-Artikeln beliefern.

Ja zur Preisspannenverordnung


Bei der Diskussion über die Versorgung von Krankenhausapotheken wird immer auch auf die Situation in anderen europäischen Ländern, insbesondere Holland und England, hingewiesen. In beiden Ländern werden 30 bis 50% der Arzneimittellieferungen über den pharmazeutischen Großhandel abgewickelt. Berücksichtigt werden muss allerdings, dass in beiden Ländern andere gesetzliche Rahmenbedingungen vorhanden sind. Der in Deutschland übliche zweigeteilte Vertriebsweg sowie die Preisspannenverordnung dürfen nicht gefährdet werden; darüber waren sich alle Diskussionsteilnehmer einig.

Absage der Krankenhausapotheker


Die von den Vertretern der beiden Großhändler vorgetragenen Angebote wurden von den Krankenhausapothekern abgelehnt. Bei einer Lagerumschlagshäufigkeit von 17mal pro Jahr und entsprechenden Zahlungszielen sei die finanzielle Situation nicht mehr zu verbessern. Bedenken wurden auch gegen eine Bestellung aus dem eigenen EDV-System geäußert. Diese Vorgehensweise bringe nur Vorteile für den Großhandel, der sich so Zugang auch zu anderen Daten der Krankenhausapotheke verschaffen könne. Die Situation in der Krankenhausapotheke sei mit der einer öffentlichen Apotheke nicht zu vergleichen, da dort in der Regel Einzelpackungen geordert würden. Im Krankenhaus werden dagegen größere Mengen eines Artikels bestellt.
Dass hier Aufmerksamkeit geboten sein muss, verdeutlichte ein Hinweis von Gehe an die pharmazeutische Industrie. Dieser wird angeboten, tagesaktuell pro Krankenhaus und Station Absatzdaten zur Verfügung gestellt zu bekommen. Auf der Basis dieser Daten, so die Bedenken der Krankenhausapotheker, werde die Industrie Marketingmaßnahmen einleiten, um ihr Sortiment auf aus ihrer Sicht unterversorgten Abteilungen eines Krankenhauses zum intensiveren Einsatz zu bringen - also den Umsatz zu steigern. Außerdem verdeutlicht dieser Hinweis, dass Gehe offensichtlich weiterhin die stationsweise Belieferung der Krankenhäuser vorantreiben möchte.

Warenströme in Deutschland


Ein Teilnehmer an der Veranstaltung stellte vor, wie die Warenströme
von den pharmazeutischen Unternehmen zu den Apotheken/Krankenhausapotheken fliessen. Es werden 76% des Umsatzes der pharmazeutischen Industrie über die 19 Großhändler an die 22000 öffentlichen Apotheken geliefert. Hochpreisige Innovationen sowie OTC-Präparate (6% des Gesamtumsatzes) liefern die Hersteller direkt an die öffentlichen Apotheken. An die etwa 600 krankenhausversorgenden öffentlichen Apotheken werden 1% des Umsatzes, an die ca. 500 Krankenhausapotheken 17% der Arzneimittel geliefert. Insbesondere diese stellen einen relativ engen Absatzmarkt mit speziellen Preiskonditionen dar. Hinsichtlich der Reduktion der häufigen Einzellieferungen bestehe noch Handlungsbedarf. Dennoch seien die pharmazeutischen Unternehmen an einer strikten Trennung der Märkte weiterhin interessiert.
Der Großhandel gewähre den öffentlichen Apotheken bis zu 15% Rabatt. Dieser könne nur gewährt werden, da die Refinanzierung durch Ware aus dem Krankenhaus erfolge. Diese erreicht den Großhandel über den Verkauf durch Versorgungsapotheken an Zwischenhändler. Eine Vermischung der Vertriebswege würde diesen Aktivitäten Vorschub leisten und die Arzneimittelpreisverordnung gefährden.
Mehrere Vertreter der pharmazeutischen Industrie betonten, dass intensiv an einer Austrocknung des sogenannten grauen Marktes gearbeitet werde.

Kein Interesse bei der Industrie


Alle Vertreter der pharmazeutischen Industrie erklärten, dass es aus ihrer Sicht keinen Veränderungsbedarf bei der bewährten Direktbelieferung von Krankenhausapotheken gibt. Man habe eher die Befürchtung, dass Krankenhausware leichter in den grauen Markt eingeschleust werden könne. Dies könne weder im Interesse der Industrie noch aller Apotheker sein. Nochmals wurde betont, dass die Industrie und ihre Verbände intensiv dabei sind, mit Nachdruck den grauen Markt auszutrocknen.
Die Vertreter beider Großhandlungen konnte keine Angaben machen, von wem die Kosten des Großhandels für die geplante Belieferung der Krankenhausapotheken übernommen werden sollten und in welcher Größenordnung diese lägen. In Holland und England zahlen die Krankenhausapotheken zwischen 1 und 2% des mit dem Großhandel getätigten Umsatzes für dessen Service. Da in der Regel die Logistikkosten der Industrie in diesem Bereich liegen, würde die Einbindung des Großhandels in die Logistikkette eher zu höheren Kosten bei den anderen Marktbeteiligten führen.
Auch die Frage der sogenannten Nulllieferungen an die Krankenhäuser wurde im Zusammenhang mit den Logistikkosten diskutiert. Dieses Problem dürfte sich in absehbarer Zeit lösen. Nach einer Änderung des Wettbewerbsgesetzes ist die Lieferung von Ware unter deren Einstandspreis verboten. Die Diskussion in der Industrie dreht sich momentan darum, wie der Einstandspreis zu definieren ist.
Die Diskussion machte deutlich, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Versorgung der Krankenhausapotheken mit Arzneimittel durch den pharmazeutischen Großhandel lediglich von diesem als vorteilhaft angesehen wird. Nachdem vor zwei Jahren einige Firmen mit kleinerem Krankenhaussortiment bereit waren, mit der Gehe einen Versuch zu starten, haben auch diese inzwischen das Projekt aufgegeben. Keine Firma ist im Augenblick daran interessiert, eine Änderung der Vertriebswege herbeizuführen. l

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.