Kommentar

Tun und Lassen

Die Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 1 der Apothekenbetriebsordnung, wonach apothekenübliche Waren nur in den Betriebsräumen einer Apotheke in Verkehr gebracht werden dürfen, ist wegen Verstoßes gegen die Berufsausübungsfreiheit und den Gleichbehandlungsgrundsatz verfassungswidrig. Mit dieser Feststellung hat der Bundesgerichtshof einen fast fünfzehnjährigen Streit um die rechtliche Beurteilung von Verkaufsschütten vor der Apotheke endgültig entschieden.

Das vorliegende Urteil schließt sich einer bereits an anderer Stelle vertretenen Rechtsauffassung an, dass Waren des Nebensortiments von Apotheken aus verfassungsrechtlichen Gründen auch außerhalb der Apothekenbetriebsräume in Verkehr gebracht werden dürfen (vgl. Cyran/Rotta, Kommentar zur Apothekenbetriebsordnung, § 17 Rdnr. 10 bis 12 mit weiteren Nachweisen). Die Entscheidung der Karlsruher Richter kann deshalb nicht überraschen. Auch hatten in der letzten Zeit bereits einige Berufsgerichte und Apothekerkammern (z.B. in Sachsen) in der"Schütten-Frage" ihre früheren restriktiven Rechtspositionen aufgegeben.

Vor dem Hintergrund des nunmehr vorliegenden höchstrichterlichen BGH-Urteils ist weiteren standes-, verwaltungs- und zivilrechtlichen Verfahren wegen des "Feilbietens" apothekenüblicher Waren in Verkaufsschütten vor der Apotheke der rechtliche Boden entzogen. Dies dürfte, soweit dabei andere Vorschriften beachtet werden, über die konkrete Entscheidung des Bundesgerichtshofs hinaus auch für die Präsentation freiverkäuflicher Arzneimittel in Schütten vor der Apotheke gelten. Rechtlicher Vergleichsmaßstab ist auch dabei die Befugnis apothekenfremder Anbieter.

In einer Stellungnahme zur Schütten-Entscheidung des Bundesgerichtshofs hat - zähneknirschend - nun auch Johannes Pieck, Sprecher der Geschäftsführung der ABDA, seine frühere Anti-Schütten-Rechtsposition aufgegeben. In der jüngsten Ausgabe der PZ spricht er davon, dass gegen Schütten vor Apotheken juristisch kein Kraut mehr gewachsen" sei, da sich eine "kleine Minderheit mit Open-air-Angeboten" zum Schaden des Berufsstandes rechtlich durchgesetzt habe. Wie auch immer man zu Schütten vor der Apotheke stehen mag: mit der vorliegenden Entscheidung hat ein verbissen geführter Stellvertreterstreit, mit dem neben dem Bundesgerichtshof auch das Bundesverfassungsgericht, so manches Verwaltungsgericht und zahlreiche Berufsgerichte befasst waren, sein Ende gefunden. Juristisch kann der Fall ad acta gelegt werden. Berufspolitisch muss die Schütten-Frage in der Apothekenpraxis immer wieder neu beantwortet werden.

In der Tat: Der Bundesgerichtshof hat im Sinne von mehr Freiheit entschieden. Das ist gut so. Richtig ist aber auch, dass es nun an jedem einzelnen Apotheker liegt, mit dieser neu gewonnenen Freiheit verantwortungsbewusst und maßvoll umzugehen. Freiheit kann auch darin bestehen, etwas nicht zu tun, sondern zu lassen. Wichtiger als zehn volle Schütten vor der Apotheke ist eine fundierte Beratung in der Offizin.

Christian Rotta

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.