Bundesgerichtshof: "Schütten-Verbot" für apothekenübliche Waren ist verfassun

STUTTGART (cr). Die Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO, wonach apothekenübliche Waren nur in den Apothekenbetriebsräumen in Verkehr gebracht werden dürfen, ist nichtig. Dies hat der Bundesgerichtshof in einem höchstrichterlichen Urteil festgestellt, das vor Kurzem bekannt wurde.

Ausgangspunkt der Entscheidung war die Klage der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs gegen eine Apothekenleiterin aus Isernhagen, die wiederholt in Verkaufsschütten vor ihrer Apotheke Waren des sogenannten Nebensortiments (§ 25 ApBetrO) angeboten hatte. Die Zentrale sah in diesem Verhalten einen wettbewerbswidrigen Verstoß gegen § 17 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO, da nach dem Wortlaut dieser Vorschrift apothekenübliche Waren - ebenso wie Arzneimittel - nur innerhalb der Apothekenbetriebsräume in Verkehr gebracht werden dürften. Diese Auffassung widersprach in dritter Instanz nunmehr der Bundesgerichtshof. Das Gericht sieht in dem Verbot, apothekenübliche Waren außerhalb der Betriebsräume anzubieten, einen Verstoß gegen die Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG und des Gleichheitssatzes in Art. 3 Abs. 1 GG.

BGH hat "eigenständige Verwerfungskompetenz"

Die Feststellung der teilweisen Verfassungswidrigkeit von § 17 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO konnte der Bundesgerichtshof selbst treffen. Einer Aussetzung des Verfahrens und der Einholung einer Vorabentscheidung des Bundesverfassungsgerichts bedurfte es nicht, da dem sogenannten Verwerfungsmonopol des Verfassungsgerichts grundsätzlich nur förmliche Gesetze des Bundes und der Länder unterliegen, nicht jedoch Rechtsverordnungen. Bei der Apothekenbetriebsordnung handelt es sich um eine Rechtsverordnung.

Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit

Nach Auffassung der Karlsruher Richter stellt das "Schütten-Verbot" für apothekenübliche Waren eine unzulässige Beeinträchtigung der verfassungsrechtlich geschützten Berufsausübungsfreiheit dar. Zu dieser Freiheit gehört nicht nur die berufliche Praxis selbst, sondern auch jede Tätigkeit, die mit der Berufsausübung zusammenhängt und dieser dient. Sie schließt die Außendarstellung von selbständig Berufstätigen ein, soweit sie auf die Forderung des beruflichen Erfolgs gerichtet ist. Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit sind, wie der Bundesgerichtshof feststellt, nur dann zulässig, "wenn sie durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen".

Das gewählte Mittel muss zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich sein. Bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der sie rechtfertigenden Gründe muss die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt sein. Diese Voraussetzungen sind nach Auffassung des Karlsruher Gerichts bei § 17 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO nicht erfüllt, sowie danach auch apothekenübliche Waren nur in den Apothekenbetriebsräumen in Verkehr gebracht werden dürfen. Bereits die Annahme, dass das "Schütten-Verbot" zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung und zur Wahrung des Vertrauens in die berufliche Integrität der Apotheker erforderlich sei, halte einer gerichtlichen Nachprüfung nicht stand. Vielmehr wisse die Bevölkerung im Allgemeinen sehr wohl zwischen der streng fachbezogenen Tätigkeit des Apothekers bei der Versorgung mit Arzneimitteln und der mehr kaufmännisch ausgerichteten Tätigkeit beim Vertrieb des Randsortiments zu unterscheiden. Bei einer Gesamtabwägung sei zu berücksichtigen, dass der Apotheker nicht nur Angehöriger eines freien Heilberufs, sondern zugleich Kaufmann sei. Er stehe hinsichtlich der apothekenfreien Arzneimittel und des Randsortiments im allgemeinen Wettbewerb und müsse werbend auf sich aufmerksam machen dürfen. Nur eine übertriebene und anreißerische Werbung, die auf eine Vernachlässigung der pharmazeutischen Pflichten hindeute, solle vermieden werden.

Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz

Die Konsequenzen

Das vorliegende Urteil des Bundesgerichtshofs bestätigt die bereits an anderer Stelle vertretene Rechtsauffassung, dass apothekenübliche Waren auch außerhalb der Apothekenbetriebsräume in Verkehr gebracht werden dürfen (vgl.Cyran/Rotta, Kommentar zur Apothekenbetriebsordnung, § 1, Rdnr. 10 bis 12 mit weiteren Nachweisen). Auch einige Berufsgerichte und Apothekerkammer hatten in letzter Zeit in der "Schütten-Frage" ihre früheren restriktiven Positionen revidiert. Vor dem Hintergrund des nunmehr vorliegenden höchstrichterlichen Urteils dürfte weiteren berufsrechtlichen Verfahren wegen der Präsentation apothekenüblicher Waren in Verkaufsschütten vor der Apotheke der rechtliche Boden entzogen sein.

§ 17 Abs. 1 ApBetrO

Arzneimittel und die in § 25 genannten Waren mit Ausnahme von Einwegspritzen nebst Zubehör sowie von Kondomen dürfen nur in den Apothekenbetriebsräumen in den Verkehr gebracht werden. Arzneimittel dürfen nur durch pharmazeutisches Personal ausgehändigt werden.

Leitsatz des Urteils

Die Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO, wonach die in § 25 ApBetrO genannten Waren (apothekenübliche Waren) nur in den Apothekenbetriebsräumen in den Verkehr gebracht werden dürfen, ist wegen Verstoßes gegen das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG nichtig. Bundesgerichtshof, Urteil vom 11. Februar 1999, Az.: I ZR 18/97

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