Kommentar

Mehr Selbstmedikation

Die Botschaft, die man von der Tagung des Weltverbands der Selbstmedikationsindustrie mitnehmen konnte, war klar: wir brauchen mehr Selbstmedikation! Zum einen will es der Verbraucher selbst, er fühlt sich heute kompetent und aufgeklärt, viele seiner kleinen Leiden in Selbstverantwortung zu kurieren. Zum andern würde mehr Selbstmedikation natürlich auch die weltweit unter Geldnot leidenden Gesundheitsdienste finanziell entlasten. Mehr Selbstmedikation, da sind sich die Hersteller dieser Produkte, Politiker sowie Ärzte und Apotheker einig, bedeutet mehr Information zu diesen Produkten und den Indikationen. Denn Selbstmedikation muss sicher sein und verantwortungsvoll durchgeführt werden. Mehr Information - die Frage ist, wie kann sie den Verbraucher erreichen?

Seriöse Werbung und gute Beipackzettel sind das eine. Hinzu kommen jetzt Überlegungen der Industrie, sich unmittelbar an den Verbraucher zu wenden, z. B. durch Einrichtung eines Verbrauchertelefons, wo der Patient sich über das Produkt informieren kann. Auch Informationen über das Internet zu Selbstmedikationsarzneimitteln dürften schon bald ausgebaut und verstärkt werden. Und natürlich Informationen vom Arzt und Apotheker. Die Apotheke muss sich hier ran halten, im Kopf des Kunden als kompetente Informationsstelle für Selbstmedikationsarzneimittel verankert zu bleiben. Tun Sie was dafür, fragen Sie bei Ihren Kunden auch bei "einfachen" Kopfschmerz- oder Schnupfenmitteln nach, ob die richtige Anwendung bekannt ist.

Die Industrie bemüht sich, die Selbstmedikation nun dadurch auszubauen, weitere Arzneistoffe zu "switchen", also von der Verschreibungspflicht in den OTC-Status zu überführen. Hier macht das Schlagwort der "Collaborative Care" die Runde, frei übersetzt mit "arztgestützter Selbstmedikation". Konkret bedeutet dies, dass der Arzt die Diagnose stellt und die Erstverordnung eines Präparates vornimmt, das dann der Patient ohne weiteren Arztbesuch und ohne Rezept in der Apotheke wiederholt erwerben kann. Ein Beispiel dafür ist die Anwendung von Clotrimazol bei Vaginalmykosen. Die Patientin kann ihre Erkrankung bei wiederholtem Auftreten richtig einschätzen und sich das entsprechende Präparat in der Apotheke selbst besorgen.

Diskutiert wird bereits darüber, ob nicht ein Patient bisher verschreibungspflichtige Präparate z. B. gegen Rheuma, Prostatabeschwerden, Diabetes oder auch die Pille unter dem Vorzeichen von "Collaborative Care" in der Selbstmedikation erwerben darf. Da wäre auch der Apotheker noch stärker gefordert.

Peter Ditzel

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