Arzneimittel und Therapie

Benigne Prostatahyperplasie: Phytopharmaka bessern die Symptome

Für die medikamentöse Behandlung der benignen Prostatahyperplasie (BPH) existieren auch heute noch keine verbindlichen Empfehlungen. Aus den bislang bekannten und vermuteten Pathogenesemechanismen wurden chemisch definierte Arzneimittel mit klaren pharmakologischen Ansätzen entwickelt, bei denen die hormonelle Steuerung der Prostatafunktion im Vordergrund steht. Aber auch Phytopharmaka haben eine große Bedeutung in der Therapie, sie können die Symptome deutlich bessern.

Die gutartige Prostatahyperplasie (BPH) hat in der praktischen Urologie eine große Bedeutung. Die überwiegende Zahl der Urologen verbringt 30 bis 40% ihrer Arbeitszeit mit der Betreuung von BPH-Patienten. Zu diesen gehören 70% aller älteren Männer in Deutschland. Im Jahr 1995 wurden 4,8 Mio. Verordnungen ausgestellt und 310 Mio. DM Umsatz gemacht.

Pathogenesemechanismen der BPH An der Pathogenese der BPH sind mehrere Faktoren beteiligt:
• Die BPH ist charakterisiert durch ein Überwiegen der Stromazellen (interstitielles Bindegewebe) gegenüber den Drüsenanteilen in der Prostata. Als androgenes Zielorgan wird diese hormonell gesteuert. Hieraus leitet sich die sogenannte "DHT-Hypothese" ab: Testosteron wird in der Prostata durch das Enzym 5-Alpha-Reduktase in Dihydrotestosteron (DHT) umgewandelt. DHT und sein Abbauprodukt Androstendion werden als die entscheidenden hormonellen Faktoren bei der Proliferation der Stromazellen angesehen.
• Die Konzentration an sexualhormonbindendem Globulin (SHBG) im Plasma nimmt im Alter zu. Hierdurch wird Dihydrotestosteron vermehrt gebunden, seine Metabolisierung zu inaktiven Folgeprodukten erschwert und eine Hyperplasie als kompensatorische Maßnahme ausgelöst.
• Dem Östrogen-/Androgen-Synergismus kommt aufgrund seiner proliferierenden Wirkung auf das fibromuskuläre Stroma der Drüse möglicherweise ein "Verstärkereffekt" zu.
• Die Rolle der Wachstumsfaktoren, z.B. des basischen Fibroblastenwachstumsfaktors (bFGF) oder des epidermalen Wachstumsfaktors (EGF), ist noch nicht eindeutig geklärt.
• Die ubiquitär vorkommenden Prostaglandine und Leukotriene wirken als Mediatoren in der Entwicklung der BPH, denn sie können Kongestionen (d.h. einen entzündlichen Blutandrang) erzeugen und Entzündungen beeinflussen.
• Catecholamine wirken über Alpha-Rezeptoren tonussteigernd auf die glatte Muskulatur in der Prostata.

Der Markt der Prostatamittel Aus diesen vermuteten Pathogenesemechanismen resultieren unterschiedliche Therapieansätze. Die wichtigsten chemisch definierten Substanzgruppen sind die
• 5-Alpha-Reduktasehemmer (Finasterid)
• Alpha-1a-Rezeptorenblocker (Alfuzosin, Terazosin, Tamsulosin)
• Testosteronrezeptorenblocker (Flutamid, Cyproteronacetat) Bis zur Einführung der prostataselektiv wirkenden Alpha-1a-Rezeptorenblocker und des 5-Alpha-Reduktasehemmers Finasterid waren pflanzliche Zubereitungen die einzige Möglichkeit, die im Vordergrund der Symptomatik stehenden Miktionsbeschwerden medikamentös zu behandeln. Phytopharmaka haben in der Behandlung der BPH eine jahrzehntelange Tradition. Auch heute noch enthalten lediglich 12% der im Markt befindlichen Prostatamittel chemisch definierte Substanzen. Die Hauptkomponenten pflanzlicher BPH-Mittel sind Sabal (38%), Beta-Sitosterin (27%), Brennessel (15%), daneben Kürbiskerne und Roggenpollen-Extrakte. Nachgewiesen ist für diese ein antiphlogistischer, dekongestionierender und antiproliferativer Effekt, der nicht auf einzelne Inhaltsstoffe zurückgeführt werden kann, sondern vielmehr als Ergebnis einer Synergie der meistens enthaltenen Substanzgemische interpretiert wird.

Anforderungen an Studien für BPH-Therapeutika Nach den Empfehlungen des "International Consensus Committees", das zuletzt 1995 in Monaco tagte, sollen Therapiestudien den von der "International Consultation on BPH" der WHO aufgestellten Kriterien genügen. Für Phytopharmaka liegen zwar bereits Anwendungsbeobachtungen an Tausenden von Patienten vor, aber wenig plazebokontrollierte Studien mit einer einjährigen Nachbeobachtung, die erforderlich ist, um Plazeboeffekte und Einflüsse des natürlichen Verlaufs der BPH-Symptomatik auszuschließen. In mehreren Vergleichsstudien pflanzlicher mit chemisch definierten Arzneimitteln aus den letzten fünf Jahren hat sich jedoch eine durchaus vergleichbare Effektivität gezeigt. Die Stärke pflanzlicher Mittel liegt vor allem in der Verbesserung der Symptomatik und der geringen Nebenwirkungsrate. Außerdem zeigten sie eine gute Kosten-Nutzen-Relation.

Ergebnisse aus Langzeitstudien Langzeitstudien als direkter Vergleich zwischen synthetischen Prostatamitteln und Phytopharmaka gibt es bislang nicht, wohl aber Langzeitstudien für einzelne Medikamente:
• eine Studie mit dem Sabal-Extrakt IDS 89 über drei Jahre mit 315 auswertbaren, symptomatischen BPH-Patienten [Bach 1995],
• eine Therapiestudie mit dem Alpha-Reduktasehemmer Finasterid über drei Jahre, die ersten zwölf Monate plazebokontrolliert [Stoner 1994],
• eine Studie mit dem Alpha-Blocker Terazosin über 18 Monate an BPH-Patienten [Wilde 1993]. Wenn die Ergebnisse auch im Hinblick auf methodische Vorbehalte nur bedingt vergleichbar sind, so wird für den Pflanzenextrakt doch eine bessere klinische Effektivität konstatiert. Diese manifestierte sich in einer gegenüber den chemisch-synthetischen Wirkstoffen erheblich deutlicheren Steigerung der maximalen Harnflußrate (21% unter Finasterid, 23% unter Terazosin, 45,5 % unter IDS 89). Außerdem war nur bei dem Sabal-Extrakt eine signifikante Senkung des Restharns nach ein- bzw. dreijähriger Therapie zu beobachten. Ein Effekt, bei dem Finasterid besser abschnitt, war die Abnahme des Prostatavolumens (22% des Ausgangswertes bei Finasterid gegenüber 12% bei Sabal). Das Phytotherapeutikum zeigte im übrigen ein deutlich geringeres Nebenwirkungspotential als die synthetischen Prostatamittel.

Quelle Vortrag von Prof. Dr. Dietmar Bach, Bocholt, bei einer Veranstaltung der Kooperation Phytopharmaka e.V. in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Phytotherapie e.V. und der Medizinischen Universitäts-Poliklinik Bonn, Bonn, 19. November 1997. Fundstellen der erwähnten Studien Bach, D: Medikamentöse Langzeitbehandlung der BPH. Ergebnisse einer prospektiven 3-Jahres-Studie mit dem Sabalextrakt IDS 89. Urologe (B) 35, 178-183 (1995). Stoner, E., and Members of the Finasteride Study Group: Three-year safety and efficacy data on the use of finasteride in the treatment of benign prostatic hyperplasia. Urology 43, 284-294 (1994). Wilde, M. I., A. Fitton, E. M. Sorkin: Terazosin. A review of its pharmacodynamic and pharmacokinetic properties and therapeutic potential in benign prostatic hyperplasia. Drug & Aging 3, 258-277 (1993).

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