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Humboldt-Universität Berlin: Keine Zulassung von Pharmaziestudenten an der HU B

BERLIN (hhb). Wie bereits berichtet wurde, hatte der Akademische Senat (AS) der Humboldt-Universität (HU) am 9. September 1997 in einer Sondersitzung aufgrund der Sparauflagen der Landesregierung die Einstellung der Pharmazie beschlossen. Die Hochschullehrer, Mitarbeiter und Studenten des Instituts betrachten dies als eine krasse Fehlentscheidung und als einen verfassungsrechtlich bedenklichen Eingriff in die Ausbildungskapazität eines "harten" Numerus-clausus-Faches.

Zu diesem Beschluß kam es in einer geheimen Abstimmung, nachdem man sich zunächst dazu bekannte, daß die Zahl der Professuren in den geistes- und sozialwissenschaftlichen Fakultäten einerseits und den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultäten andererseits im Verhältnis 2:1 erhalten bleiben soll, und eine Alternativvorlage der studentischen Mitgliedergruppe des AS, die den Erhalt der Pharmazie vorsah, mit einer einzigen Mehrheitsstimme abgelehnt wurde. Im Verlauf der Spardebatte wurde trotz zahlreicher Stellungnahmen namhafter Persönlichkeiten innerhalb und außerhalb der Universität sowie von Verbänden und wissenschaftlichen Gesellschaften für den Erhalt des Instituts von Anfang an durch die Leitung der HU der Eindruck erweckt, es gebe keine Alternative zur Schließung der Pharmazie, obwohl deutlich gemacht wurde, daß
• Pharmazie in der Bundesrepublik neben Architektur und Psychologie zu den drei "härtesten" NC-Fächern gehört mit einer seit 1995 wieder steigenden Nachfrage nach Studienplätzen und im Vergleich zu anderen Fächern hervorragenden Berufsperspektiven der Absolventen (s. Arbeitsmarktprognose der Bundesapothekerkammer für die nächsten zehn Jahre), insbesondere auch für Frauen,
• die Ausbildungskapazität angesichts dieser Situation relativ gering und besonders in den neuen Bundesländern nicht bedarfsdekkend ist, wobei in Brandenburg keine Pharmazie existiert, während andere bei weitem nicht ausgelastete Fächer mit schlechten Chancen der Absolventen auf dem Arbeitsmarkt im Raum Berlin/Potsdam z.T. vierfach vertreten sind,
• die Pharmazie an der HU ein effektiver Studiengang ist, mit über dem Bundesdurchschnitt liegenden Bewerberzahlen (z.B. 3,7 gegenüber 2,7 Bewerber pro Studienplatz zum Wintersemester 1997/98), in dem die Studenten größtenteils in der Regelstudienzeit erfolgreich ihr Studium abschließen,
• die Leistungen des Instituts in Forschung und Lehre von einer hochrangigen auswärtigen Kommission, die im Winter 1998/97 im Auftrag des Senats die Naturwissenschaften der Berliner Universitäten zu evaluieren hatte, überaus positiv bewertet wurden,
• diese Kommission mit Vertretern aus dem Wissenschaftsrat begründet, daß die in Berlin bestehende Ausbildungskapazität im Fach Pharmazie auch im Hinblick auf die Hauptstadtfunktion angemessen ist, und in ihren abschließenden Empfehlungen aufgrund der zu erwartenden Synergien in Forschung und Lehre eine Integration der Pharmazie in ein Institut für Chemie und Pharmazie innerhalb des zukünftigen naturwissenschaftlichen Campus der HU in Adlershof vorschlägt, wobei hervorgehoben wird, daß die Pharmazie mit ihrer Brückenfunktion zwischen Naturwissenschaften, Medizin und pharmazeutischer Industrie in sehr guter Weise der Konzeption des Wirtschafts- und Wissenschaftsstandortes Adlershof entspricht, und
• das Institut für Pharmazie ein schlüssiges Konzept zur stärkeren Vernetzung von Forschung und Lehre innerhalb der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät I, insbesondere mit der Chemie im Rahmen eines gemeinsamen Instituts am Standort Adlershof vorgelegt hat,
• die HU selbst erst ein Jahr zuvor in ihrer Verfassungsbeschwerde gegen Teile des Haushaltsstrukturgesetzes 1996 geltend gemacht hat, daß die Pharmazie der Studiengang ist, bei dem in Hinblick auf Artikel 12 Abs. 1 des Grundgesetzes eine Aufhebung am wenigsten akzeptabel und im übrigen auch die Einsparung finanzieller Mittel am wenigsten effektiv ist, und u.a.
• von der Frauenbeauftragten der HU der Standpunkt vertreten wurde, daß es absurd sei, die naturwissenschaftliche Disziplin mit den kürzesten Studienzeiten, den besten Berufsaussichten und der höchsten Frauenquote zu schließen. In einem Minderheitenvotum der studentischen Mitglieder des AS gegen den Beschluß vom 9. September 1997 heißt es hierzu u.a.: "Wir halten die Entscheidung des Akademischen Senats der HU für eine Schließung der Pharmazie und gegen eine mögliche Alternativvariante für eine sowohl sachliche wie politische Fehlentscheidung. Es wurde im gesamten vorherigen Verfahren seit der Unterbreitung des Vorschlags der Universitätsleitung vom 4. Juni 1997 kein ernsthafter Versuch unternommen, die durch die Kürzungsauflagen des Landes Berlin nötige Stellenkürzung im Bereich der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultäten ohne eine derartige Schließung umzusetzen. Statt dessen wurde insbesondere durch die Universitätsleitung immer wieder Druck ausgeübt, daß dies die einzige mögliche politisch durchsetzbare Variante wäre. Von den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern hingegen wurde zwar der Erhalt der Pharmazie vehement vertreten, gleichzeitig jedoch kein wirklich ernst zu nehmender Entwurf der eigenen Neustrukturierung zur Umsetzung der Stellenstreichungen unterbreitet. Insbesondere das Institut für Chemie entzog sich jeglicher Diskussion über Studierendennachfrage und Profilbildung, zeichnete sich statt dessen durch pure Besitzstandswahrung und Blockadehaltung aus." Obwohl die endgültige Verabschiedung der Strukturentscheidungen der HU noch aussteht, der AS die Beschlußvorlage zur Aufhebung des Studiengangs Pharmazie am 14. 10. 1997 wegen kontroverser Auffassungen zum Inhalt und Zeitpunkt vertagt hatte und in seiner Sitzung am 25. 11. 1997 gegen die Nullsetzung der Zulassungszahlen zum Sommersemester 1998 votiert hat, sollen nun aufgrund einer Eilentscheidung des Präsidenten der HU, die erst im Januar bei der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) eingegangen ist, doch bereits zum Sommersemester keine Pharmaziestudenten mehr immatrikuliert werden. Durch diese Umstände dürfte das rechtliche Risiko für die Universität bei der Umsetzung des Schließungsbeschlusses nicht gerade kleiner geworden sein, zumal sich überdies mit der Einstellung des Studiengangs an der HU und einer Absenkung der Zulassungszahlen an der FU eine annähernde Kapazitätshalbierung im "harten" NC-Fach Pharmazie in Berlin ergibt. Diese erhebliche Kapazitätsreduzierung kann weder mit einem Rückgang der nachfrage nach Studienplätzen noch mit schlechteren beruflichen Perspektiven der Absolventen begründet werden. Im Hinblick auf die zu erwartenden Zulassungsklagen von Studienbewerbern wird es der Universität nach alledem schwerfallen, den im Rahmen der NC-Rechtsprechung geforderten sorgfältigen Abwägungsprozeß bei Kapazitätsreduzierungen in NC-Fächern plausibel zu machen. Prof. Dr. H.-H. Borchert, Direktor des Instituts für Pharmazie der HU Berlin

Einstellung des Studiengangs Pharmazie der HU Berlin Information der Fachschaft Pharmazie der HU zur Möglichkeit des Einklagens von Studienplätzen: Die Fachschaft Pharmazie sieht aufgrund der Fragwürdigkeit des Beschlusses und des Verfahrens zur Einstellung der Pharmazie an der HU gute Möglichkeit für erfolgreiche Zulassungsklagen und möchte deshalb darüber informieren. Rechtliche Grundlagen für Zulassungsklagen sind Artikel 12 Abs. 1 i.V.m. Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), die Kapazitätsverordnung (KapVO) vom 10. Mai 1994 (GVBl, S. 186), zuletzt geändert durch Verordnung vom 14. August 1997 (GVBl, S. 404) und das Berliner Hochschulzulassungsgesetz (Berl HZG) vom 27. Mai 1993 (GVBl, S. 234). Aus Artikel 12 der Verfassung, der das Grundrecht auf freie Berufswahl garantiert, resultiert zwar kein verfassungsrechtlicher Teilhaberanspruch der Studienbewerber auf vollständige Aufrechterhaltung bestehender Ausbildungskapazitäten, jedoch stellen die Gerichte hohe Maßstäbe an eine Kapazitätsreduzierung in NC-Fächern, da bei diesen das Grundrecht nach Artikel 12 per se bereits eingeschränkt ist. Die in diesem Zusammenhang geforderte sorgfältige Interessenabwägung erfordert mindestens sachliche Überlegungen zur zukünftigen Entwicklung des Absolventenbedarfs und zur Nachfrage nach Studienplätzen (vgl. Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Berlin, OVGB, 13. 3. 1996). Eine entsprechende Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Studienbewerber muß allerdings dem vorliegenden Verfahren abgesprochen werden. Ein Klagerecht haben alle Bewerber, die sich um einen Pharmaziestudienplatz beworben haben (unabhängig von der gewünschten Universität) und von der ZVS eine Ablehnung bekommen haben. Der erste Schritt ist - ungeachtet der Information, daß die HU im Sommersemester 1998 keine Pharmaziestudenten mehr immatrikuliert (die Rechtmäßigkeit soll ja gerade gerichtlich geprüft werden) - ein formloser Antrag auf einen Studienplatz im Fach Pharmazie "außerhalb der festgesetzten Kapazität" direkt bei der Humboldt-Universität zu Berlin, Studienabteilung, Unter den Linden 6, 10099 Berlin. Nach Erhalt der Ablehnung der HU kann dann dagegen beim Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstraße 7, 10557 Berlin (Nähe U-Bhf. Turmstraße, Sprechzeiten der Rechtsantragsstelle: Montag bis Freitag, 8.30 bis 13.00 Uhr) eine Klage eingereicht werden. Geklagt wird gegen die HU formal wegen eines Verwaltungsaktes, den die HU in Verbindung mit der Nullsetzung der Zulassungszahl (s.o.) vorgenommen hat. Diese Klagen auf einen Studienplatz sind so alltäglich, daß Vordrucke hierfür bereits beim Pförtner des Gerichtes erhältlich sind (oder auch unter der Internet-Adresse: http://www.2.rz.hu-berlin.de/inside/pharmazie unter Stichwort: Zulassungsklagen). Zusätzlich zur Klage und dem Ablehnungsbescheid der HU ist bei der Rechtsantragsstelle des Verwaltungsgerichtes noch ein "Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung" abzugeben, da bis zur Verhandlung in der Hauptsache ein halbes Jahr oder länger vergehen kann, der Antrag auf einstweilige Anordnung dagegen so schnell bearbeitet wird, daß im Erfolgsfall noch in dem jeweiligen Semester das Studium begonnen werden kann. Die Klage und der "Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung" gegen die Beklagte (HU) sind wie folgt zu begründen: "Ich begründe meine Klage und meinen Antrag damit, daß die Kapazität bei der o.a. Universität nicht ausgeschöpft ist und noch freie Studienplätze vorhanden sind." Die Verfahrenskosten für den Antrag auf einstweilige Anordnung betragen ca. 145,- DM und sind bei erfolgreichem Ausgang von der Antragsgegnerin (HU) zu tragen. Weitere Kosten entstehen nicht, sofern kein Anwalt in Anspruch genommen wird. In der ersten Instanz (Verwaltungsgericht) besteht keine Anwaltspflicht und können demzufolge die Anwaltskosten gespart werden. Bei erfolglosem Antrag des Studienbewerbers in der ersten Instanz sollte vor Beantragung einer Beschwerde beim Verwaltungsgericht und weiteren Schritten die Beratung eines Anwalts in Anspruch genommen werden. Falls der Antragsteller noch Schüler oder Student ist, hat er Anspruch auf Rechtsberatungshilfe, wonach für ein Beratungsgespräch maximal 20,- DM genommen werden. Weitere Informationen können auch telefonisch bei der Fachschaft eingeholt werden (Tel.: 030/96592403). Stephan Scherneck, für die Fachschaft Pharmazie der HU

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