Arzneimittel und Therapie

Klimakterium des Mannes: Hormone für den alternden Mann

Etwa jeder dritte Mann, der das Rentenalter erreicht, besitzt zu wenig biologisch aktives Testosteron. Obwohl das Nachlassen der Leistungsfähigkeit, das die Lebensqualität alternder Männer einschränkt, vielfältige Ursachen hat, lassen sich klinischen Studien zufolge die Beschwerden schon durch eine Testosteron-Ersatztherapie deutlich lindern. Einen anderen Weg schlagen Hormonforscher ein, die sich mit der Frage beschäftigen, ob nicht feminisierende Östrogene wie 17-Alpha-Estradiol oder die analogen "Scavöstrogene" das Herz-Kreislauf-System und die Nervenzellen alternder Männer schützen können.

Männer leiden im Alter oftmals an Müdigkeit, nachlassender Leistungsfähigkeit und schwindender Muskelkraft. Letztere führt zusammen mit der auch bei älteren Männern häufig auftretenden Osteoporose zu Knochenbrüchen. Besonders gefürchtet sind dabei die Oberschenkelhalsbrüche, denn an ihren Folgen sterben etwa 20% aller Männer. Zudem wird die Haut im Alter trockener, das Körperfettgewebe nimmt anteilmäßig zu, es bildet sich eine Anämie, und die Potenz läßt nach. Die kognitiven Fähigkeiten schwinden, an ihrer Stelle breiten sich Gereiztheit, Übellaunigkeit und Mißmut aus, welche die Lebensqualität weiter einschränken.

Testosteron ist wichtig Die Ursachen aller dieser beim alternden Mann zu beobachtenden Veränderungen sind vielfältig. Chronische Krankheiten der Niere, des Herzens und der Leber können ebenso daran beteiligt sein wie Regulationsstörungen oder eine nachlassende Aktivität im Hypothalamus, was eine verminderte Testosteronproduktion in den Hoden zur Folge hat. Der niedrige Testosteronspiegel scheint sich beim Mann ungünstig auszuwirken, denn das männliche Sexualhormon ist an vielen Aufbauvorgängen im Körper beteiligt. So setzt Testosteron etwa auf lokaler Ebene Wachstumshormone frei und fördert im Knochengewebe durch die Aktivierung von Interleukinen den Stoffwechsel. Es kräftigt zudem die Muskulatur, stimuliert die Talgbildung der Haut, steigert die Potenz und bedingt die Fertilität des Mannes.

Testosteronmangel kommt häufig vor Im Körper des Mannes sind etwa 98% des Plasmatestosterons an Eiweiße gebunden: an Albumin und an das sexualhormonbindende Globulin (SHBG). Biologisch wirksam ist nur das freie Testosteron und das an Albumin gebundene Testosteron, da es leicht dissoziieren kann. Von einem Testosteronmangel spricht man, wenn die Serumkonzentration unter 300 Nanogramm pro Deziliter fällt. Etwa zwei Millionen Männer, so schätzt man, sind in Deutschland davon betroffen. In einer epidemiologischen Studie mit 1700 amerikanischen Männern konnte gezeigt werden, daß der Anteil des biologisch aktiven Testosterons zwischen dem 40. und 70. Lebensjahr kontinuierlich jedes Jahr um etwa 1,2% abnimmt.

Testosteron-Ersatztherapie zu selten verordnet Obwohl etwa jeder dritte Mann im Rentenalter zu wenig aktives Testosteron besitzt, wird eine Testosteron-Ersatztherapie selten angewendet. Für die Substitution stehen langwirkende Testosteronester zur Verfügung, die man alle drei Monate injizieren muß. Als Alternative dazu sind transdermale therapeutische Systeme (TTS) entwickelt worden, deren Vorteil darin besteht, daß das Hormon kontinuierlich freigesetzt und unerwünschte Wirkstoffspitzen vermieden werden. In klinischen Studien mit alternden Männern, die zu wenig aktives Testosteron produzierten, war die Testosteron-Ersatztherapie wirksam: Innerhalb kürzester Zeit erhöhte sich die Muskelkraft, und die Neigung zu Stürzen nahm ab. Androgenmangelanämien, die durch eine verminderte Konzentration von Hämoglobin, Erythrozyten und Hämatokrit im Blut gekennzeichnet sind, wurden geheilt. Die Leistungsfähigkeit der Männer im körperlichen und geistigen Bereich verbesserte sich deutlich. Obwohl die bisher gewonnenen Daten kein erhöhtes Risiko erkennen ließen, kann man derzeit noch nicht mit Sicherheit ausschließen, daß die Substitutionstherapie mit Testosteron im Einzelfall die Entstehung einer benignen Prostatahyperplasie oder eines Prostatakarzinoms begünstigt. Aus diesem Grund müssen während der Behandlung regelmäßig die Prostata untersucht und der Tumormarker PSA (prostataspezifisches Antigen) kontrolliert werden.

Östrogene für den Mann Männer haben natürlicherweise höhere Estradiolspiegel als Frauen in der Postmenopause, denn Testosteron wird beim Mann durch das Enzym Aromatase am Ring A des Steroidgerüsts zu Estradiol metabolisiert. Vieles spricht dafür, daß beim Mann Estradiol in vielen Bereichen die eigentliche Wirkform des Testosterons darstellt. Männer mit normalen Testosteronspiegeln leiden zum Beispiel an einem Krankheitsbild, das einer Osteoporose ähnelt, wenn sie aufgrund eines Enzymdefekts der Aromatase kein Estradiol bilden können. Auch am zentralen Nervensystem und am Herz-Kreislauf-System wirkt Testosteron vermutlich nur dann schützend, wenn es zuvor in Estradiol umgewandelt wurde. Es gibt zahlreiche Einzelbeispiele, daß beim alternden Mann der Östrogenspiegel absinkt, allerdings nicht so stark wie der Testosteronspiegel. Derzeit ist noch unklar, ob es einen generellen altersabhängigen Östrogenabfall beim Mann gibt.

Gesicherter Nutzen als Antioxidans Als gesichert gilt heute schon, daß Östrogene wahrscheinlich infolge ihrer antioxidativen Eigenschaften das Herz-Kreislauf-System und die Nervenzellen schützen können. Dadurch läßt sich zum Beispiel die Entstehung seniler Demenzen vom Alzheimer-Typ verzögern. Das klassische 17-Beta-Estradiol ist allerdings für Männer wenig geeignet, weil es das Wachstum der Prostata und des Brustgewebes stimuliert. Aus diesem Grund wurde 17-Alpha-Estradiol, das Epimer des 17-Beta-Estradiols, erprobt, bei dem am Kohlenstoffatom 17 die OH-Gruppe räumlich anders angeordnet ist. Das Molekül besitzt durch diese sterische Veränderung nur noch eine sehr schwache Affinität zum Östrogenrezeptor, wodurch sich die unerwünschten Nebenwirkungen an Brust und Prostata fast vollständig vermeiden lassen. Erste klinische Erfahrungen mit Männern im Alter von 52 bis 71 Jahren haben gezeigt, daß die tägliche Einnahme von zwei Milligramm 17-Alpha-Estradiol die Oxidation von LDL-Cholesterin deutlich hinauszögerte, ohne daß man feminisierende Nebenwirkungen beobachten konnte.

Scavöstrogene - Hormone als Radikalfänger in klinischer Erprobung Ausgehend von der Leitsubstanz 17-Alpha-Estradiol wurde nach analogen Substanzen mit stärkerer antioxidativer Wirkung gesucht. Die auf diese Weise synthetisierten "Scavöstrogene" (= Östrogene mit "scavenging effect", Radikalfänger) J 861 und J 811 sind ebenso wie 17-Alpha-Estradiol bereits in der Phase der klinischen Erprobung. Scavöstrogene schützen wie die klassischen Östrogene die Zellmembranen vor oxidativem Streß, sind aber außerdem in der Lage, Enzymsysteme wie die Xanthinoxidase zu blockieren, die reaktive Sauerstoffspezies freisetzen. Scavöstrogene wirken zudem im Tierversuch stärker neuroprotektiv als die klassischen Östrogene, ohne Nebenwirkungen an den Genitalien und der Brust zu verursachen. Bisher glaubte man, daß die Scavöstrogene nicht wie die klassischen Östrogene im Zellkern, sondern selektiv an den Zellmembranen angreifen. Diese Ansicht mußte vor kurzem revidiert werden: Im Tierversuch zeigte sich nämlich, daß Svavöstrogene im Gehirn in den Zellkernen die Expression östrogenabhängiger Gene stimulieren können. Der Mechanismus ist allerdings noch unbekannt.

Quelle Prof. Dr. Bruno Lunenfeld, Ramat Gan/Israel, Dr. Friedrich Jockenhövel, Köln, Dr. Günther Leikam, Dachau, Dr. Klaus Schalkhäuser, Dorfen, Prof. Dr. Michael Oettel, Jena, "Hormonsubstitution beim alternden Mann - Aspekte des 1. Weltkongresses", Genf, 6. Februar 1998, veranstaltet von der Firma Jenapharm, Jena.

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