Arzneimittel und Therapie

Herz-Kreislauf-Risiko: Acetylsalicylsäure schützt vor Herzinfarkt

Wer schon einen Herzinfarkt hatte, sollte routinemäßig Acetylsalicylsäure einnehmen Ų zur Vorbeugung einer weiteren Herz-Kreislauf-Komplikation. Das ist seit einigen Jahren die Empfehlung der internationalen medizinischen Fachgesellschaften. Jetzt verdichtet sich auch die Datenlage für die Gabe von Acetylsalicylsäure zur Vorbeugung eines ersten Herzinfarktes.

Im Januar 1998 sind die lange erwarteten Ergebnisse der in Großbritannien durchgeführten Thrombose-Präventions-Langzeitstudie in der englischen Zeitschrift ≥The Lancet„ veröffentlicht worden. Danach konnte mit einer täglichen Gabe von niedrig dosierter Acetylsalicylsäure (75 mg) ein ebenso großer Schutzeffekt erzielt werden wie durch die Verabreichung des gerinnungshemmenden Pharmakons Warfarin, wobei die Rate an Nebenwirkungen in der Acetylsalicylsäure-Gruppe deutlich niedriger lag als in der Warfarin-Gruppe. Außerdem erfordert die Gabe von Acetylsalicylsäure keine Kontrollen der Gerinnungsparameter wie beim Vergleichspräparat. Mit beiden Prüfsubstanzen konnte eine Verminderung der Ereignisrate (ein kombinierter Endpunkt aus tödlichen und nicht tödlichen Herzinfarkten sowie akutem Koronartod) um 20% erzielt werden. Am besten schnitt bezüglich der Präventionswirkung die Kombination der beiden Substanzen ab, allerdings auf Kosten ebenfalls deutlich erhöhter Nebenwirkungsraten.

Vierarmiger Studienaufbau
Insgesamt nahmen an der Studie, die von 108 Allgemeinpraktikern in Großbritannien durchgeführt wurde, 5085 Männer im Alter zwischen 45 und 69 Jahren teil. Alle hatten ein nachweisbar erhöhtes Herzinfarktrisiko (sie rauchten, waren übergewichtig, hatten erhöhten Blutdruck oder einen anderen bekannten Risikofaktor). Diese Langzeitstudie unter Praxisbedingungen mit regelmäßigen Kontrolluntersuchungen war auf fünf Jahre angelegt, und zwar nach dem Muster eines vierarmigen, faktoriellen Studienaufbaus; er erlaubt, daß alle Gruppen miteinander verglichen werden können. Die Zuteilung (Randomisierung) erfolgte in Gruppen, die entweder

  • Warfarin plus Acetylsalicylsäure (WA),
  • Warfarin plus Plazebo (W),
  • Acetylsalicylsäure plus Plazebo (A) oder
  • zwei Plazebos (P)

erhielten.

Ergebnisse

Als primärer Endpunkt festgelegt wurde die Summe aller Koronartodesfälle und sowohl tödliche wie nicht tödliche Herzinfarkte. Insgesamt kam es während der Studie zu 410 ≥Endpunkt-Ereignissen„, von denen 142 tödlich und 268 nicht tödlich verliefen.Mit Warfarin alleine konnte eine Risikoreduktion von 21% erreicht werden, mit Acetylsalicylsäure alleine von 20% und mit beiden Substanzen zusammen von 34%. Dabei fiel auf, daß Warfarin vornehmlich die tödlichen, Acetylsalicylsäure die nicht tödlichen Herzinfarkte verminderte. Bei der Kombination beider Pharmaka kam es allerdings zu einer erhöhten Zahl an tödlichen Schlaganfällen. Signifikant häufiger kam es unter dem Antikoagulans Warfarin auch zu Gefäßkomplikationen an der Hauptschlagader (rupturierte Aortenaneurysmen).{zt}Das Statin des armen Mannes?

Der Publikation in ≥The Lancet„ ist ein Kommentar von Freek W. A. Verheugt gewidmet. Der ungewöhnliche, ja provozierende Titel: ≥Aspirin, das Statin des armen Mannes?„ Statine werden bekanntlich zur Senkung erhöhter Blutfettwerte mit Erfolg eingesetzt, ebenfalls mit dem Ziel, dem Herzinfarkt vorzubeugen. Diese neue und im Vergleich zu Acetylsalicylsäure um ein Vielfaches teurere Medikamentengruppe hat eine durchaus vergleichbare Wirkung: Nicht tödliche Herzinfarkte werden in einer Größenordnung von 31 bis 37% reduziert, in den Acetylsalicylsäure-Studien liegt diese Quote zwischen 32 und 41%. Vorteile haben die Statine vielleicht im Nebenwirkungsprofil, ergänzte Verheugt.
Der Experte aus Nijmegen zieht folgende praktische Schlußfolgerungen aus der derzeitigen Datenlage:

  • Männer mit erhöhtem Herzinfarktrisiko sollten niedrig dosierte Acetylsalicylsäure einnehmen, und zwar zusätzlich zu Lebensstiländerungen, konkret: Zigarettenabstinenz, Vermeiden von Übergewicht, mehr körperliche Aktivitäten.
  • Und wer erhöhten Blutdruck hat, muß diesen zuverlässig mit geeigneten Maßnahmen kontrollieren, diätetisch oder mit drucksenkenden Medikamenten.
  • Die niedrig dosierte Gabe von Warfarin ist zur Primärprävention des Herzinfarktes nicht allgemein zu empfehlen, vor allem wegen des erheblichen Laboraufwandes und des erhöhten Nebenwirkungsrisikos.

Lediglich für Männer, die Acetylsalicylsäure nicht vertragen, ist Warfarin eine ≥gute Alternative„.

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