DAZ aktuell

Bangemann: Verstoß gegen EU-Recht

STUTTGART (whi). Das Angebot von Arzneimitteln über das Internet verstößt unter bestimmten Voraussetzungen gegen Rechtsvorschriften der Europäischen Union. Dies geht aus der Antwort von EU-Kommissar Martin Bangemann auf eine schriftliche Anfrage mehrerer Abgeordneter des Europa-Parlaments hervor.


Anlaß für die Anfrage der Abgeordneten war die auf der 50. Generalversammlung der WHO verabschiedete Resolution, wonach der unkontrollierte Verkauf von Arzneimitteln über das Internet eine Gefahr für die Volksgesundheit und ein wirkliches Risiko für Patienten darstellt. Die Abgeordneten verweisen auf eine Reihe von Praktiken beim Kauf von Arzneimitteln über das Internet und wollten von der Kommission wissen, ob Rechtsvorschriften bestehen, die derartige Praktiken untersagen und wie die EU-Kommission hier tätig werden kann. Die Abgeordneten nennen in ihrer Anfrage folgende Mißstände beim Vertrieb von Arzneimitteln über das Internet:

  • Zusendung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ohne vorherige ärztliche Verordnung,
  • Lieferung von Produkten, die nicht im Ursprungsland, aber im Empfängerland verschreibungspflichtig sind,
  • fehlende Packungsbeilagen,
  • unvollständige Packungsbeilagen, in denen nicht oder unzureichend auf Gegenanzeigen oder Nebenwirkungen hingewiesen wird,
  • Packungsbeilagen mit unzutreffender Darstellung der Anwendungsgebiete,
  • Zusendung von Produkten mit abgelaufenem Verfalldatum.


In seiner Antwort verweist Kommissar Bangemann darauf, daß das Inverkehrbringen und die Werbung für Arzneimittel aufgrund ihrer Art und der Risiken, die mit ihnen verbunden sein können, besonders strengen Regelungen unterliegen. Zum einen, so die Feststellung des EU-Kommissars, dürfen in der Europäischen Gemeinschaft hergestellte oder eingeführte Arzneimittel nur nach einem strengen Zulassungsverfahren, in dem die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit überprüft wurden, in den Verkehr gebracht werden. Der Verkauf eines Arzneimittels auf dem Gebiet der Europäischen Gemeinschaft ohne vorherige nationale oder gemeinschaftliche Zulassung würde folglich einen Verstoß gegen geltende Rechtsvorschriften bedeuten.
Zum anderen verbieten die Mitgliedstaaten nach den Artikeln 2 und 3 der EG-Richtlinie über die Werbung für Humanarzneimittel die Öffentlichkeitswerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel und für Arzneimittel, für die keine Zulassung nach dem Gemeinschaftsrecht erteilt worden ist. Da der Verkauf von Arzneimitteln über das Internet per definitionem ohne Öffentlichkeitswerbung nicht möglich ist, stellen nach Auffassung der Kommission der Verkauf von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, der Verkauf von Arzneimitteln ohne Zulassung nach dem Gemeinschaftsrecht oder der Verkauf von Arzneimitteln mit psychotropen Stoffen oder Suchtstoffen über das Internet einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht dar.
Schließlich verweist Kommissar Bangemann auf die Fernabsatzrichtlinie, die es den Mitgliedstaaten ermöglicht, den Vertrieb von Arzneimitteln im Fernabsatz (= Versandhandel) in ihrem Hoheitsgebiet im Interesse der Allgemeinheit zu verbieten.
Beobachter verweisen darauf, daß diese Ausführungen keinen eindeutigen Ausschluß des Versandhandels mit nach dem Gemeinschaftsrecht zugelassenen und nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln innerhalb der Gemeinschaft enthalten. Dies gelte zumindest für die Mitgliedstaaten, die dies gemäß Artikel 14 der Fernabsatzrichtlinie nicht ausdrücklich untersagen. Für Deutschland ergibt sich aus der Antwort, daß das mit der 8. AMG-Novelle in das Arzneimittelgesetz aufgenommene Versandhandelsverbot EG-rechtlich abgesichert ist und allen Zweifeln von interessierter Seite zum Trotz auch einer Überprüfung vor dem Europäischen Gerichtshof standhalten dürfte. Eine Antwort, wie der mißbräuchliche Versandhandel über das Internet besser unterbunden werden kann, finden sich auch in den Ausführungen des EU-Kommissars nicht.l

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