Feuilleton

Zahnbürsten aus Schmölln

Noch bis zum 31. Dezember 1998 skizziert eine Sonderausstellung im Museum Burg Posterstein ein interessantes Kapitel Ostthüringer Industriegeschichte: In der Kleinstadt Schmölln wurden 160 Jahre lang, von 1830 bis 1991, Zahnbürsten produziert und weltweit exportiert.


Die erste Schmöllner Zahnbürstenfabrik wurde 1830 durch Johann Karl Schmidt gegründet. Dieser hatte als Sohn eines Altenburger Bürstenfabrikanten in Leipzig eine Ausbildung zum Kaufmann absolviert. Sicher wußte der junge Unternehmer, warum er die väterliche Firma seinem Schwiegersohn übergab und sich lieber in der Nachbarstadt auf die Produktion von Zahnbürsten kaprizierte.

Aus Knochen, Holz und Borsten


Dort erlernten Franz Zorn und Friedrich Jahn die Bürstenfertigung. Franz Zorn gründete schon 1858 einen eigenen Betrieb, in dem aus Knochen und Schweineborsten, Ziegen- oder Roßhaar Zahnbürsten hergestellt wurden. Das hehre Ziel, in der Bevölkerung durch eine verbesserte Mundhygiene Zahnerkrankungen vorzubeugen, forderte in den Pionierjahren der Zahnbürstenindustrie allerdings seinen Tribut: Die Beschäftigten - darunter zahlreiche Kinder und Jugendliche - arbeiteten in überhitzten Räumen und inhalierten Knochenstaub. Ein Großteil der Zahnbürstenproduktion wie etwa das Einziehen der Borsten und das Säubern der Griffe wurde indessen an Heimarbeiter vergeben.
Erst um die Jahrhundertwende mußten die Unternehmer strengere Auflagen erfüllen: Als Richardt Hofmann und Albert Földner 1907 die Zornsche Fabrik übernehmen wollten, genehmigte das Gewerbeaufsichtsamt den Betrieb nur für ein Jahr unter der Bedingung, daß eine Absaugeanlage installiert wird. Nach dem Umzug in eine neue Produktionsstätte ein Jahr später verbesserten sich zwar die Arbeitsbedingungen, an eine Staubentlüftung war aber nicht gedacht worden. Nur zwei Jahre später stellte das Unternehmen die Produktion ein.

Vom Natur- zum Kunststoff


Ab den dreißiger Jahren verbreitete sich in Europa allmählich die in den USA entwickelte Zahnbürste mit Kunststoffborsten, die endlich den hygienischen und medizinischen Anforderungen gerecht wurde.
Vier Schmöllner Zahnbürstenfabriken überstanden den Zweiten Weltkrieg. 1968 gab Rudolf Diesel als letzter Inhaber der "Thüringer Zahnbürstenfabrik Karl Diesel & Co." aus gesundheitlichen Gründen die Produktion auf. Die 1923 gegründete "Schmöllner Celluloidwaren-Fabrik Oscar Mehlhorn & Sohn" übernahm einen Teil des Maschinenparks und produzierte noch bis zur Verstaatlichung 1972 in Eigenregie weiter. Auch die Firmen "Friedrich Jahn" und die 1936 gegründete "Nestler & Co., Zahn- und Nagelbürstenfabrik" gingen in den "VEB Zahn- und Handwaschbürstenfabrik Schmölln" ein, der 1980 in das "Kombinat Musikinstrumente Markneukirchen/Klingental" integriert wurde. Nach der Wende und dem Wegbrechen der osteuropäischen und asiatischen Märkte wurde die Produktion 1991 eingestellt.
Reinhard Wylegalla
Ort: Museum Burg Posterstein,
04624 Posterstein.
Öffnungszeiten: Dienstags bis freitags 10 bis 16 Uhr, an den Wochenenden 10 bis 17 Uhr.

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