Arzneimittel und Therapie

Efavirenz: HIV-Patienten profitieren von einmal täglicher Einnahme

Der nicht-nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitor (NNRTI) Efavirenz (DMP 266) ist das erste HIV-Therapeutikum, das nur einmal täglich eingenommen werden muß. Efavirenz wurde von der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) im September 1998 zugelassen; in Deutschland wird Efavirenz von DuPont Pharma, Bad Homburg, voraussichtlich im Frühjahr 1999 unter dem Warenzeichen Sustiva(r) in den Markt eingeführt.


Verglichen mit dem derzeitigen Therapiestandard (Dreifachkombination aus Proteaseinhibitor und zwei Nukleosidanaloga) senkte Efavirenz in Kombination mit Zidovudin (AZT) und Lamivudin (3TC) die Viruslast deutlich stärker und lang anhaltend, und zwar unabhängig von der Viruslast bei Therapiebeginn. Zugleich war die efavirenzhaltige Dreifachkombination wesentlich besser verträglich und führte signifikant seltener zum Therapieabbruch als die Kombination mit Indinavir.
Efavirenz ist ein nicht-nukleosidischer, HIV-1-spezifischer Hemmstoff der Reversen Transkriptase. Um das Resistenzrisiko zu minimieren, wird die Substanz prinzipiell mit anderen antiretroviral wirksamen Substanzen kombiniert. Aufgrund der langen Halbwertszeit von 40 bis 55 Stunden braucht Efavirenz nur einmal täglich eingenommen zu werden. Efavirenz unterscheidet sich damit grundlegend von allen bisher verfügbaren Substanzen, die mehrmals täglich und meist nach einem komplizierten Einnahmemodus nüchtern oder mit bestimmten Nahrungsmitteln appliziert werden müssen. Vor allem in Kombination mit Nukleosidanaloga, die zweimal täglich verabreicht werden, erleichtert Efavirenz die Akzeptanz und kann somit zu einer zuverlässigen Einnahme beitragen; die bessere Compliance dürfte
das Risiko für Resistenzbildungen
mit nachfolgendem Therapieversagen deutlich verringern und damit die Prognose der HIV-Patienten wesentlich verbessern.

Efavirenz + Zidovudin + Lamivudin ist der Standardtherapie überlegen


Im Rahmen klinischer Studien wurden die Wirkung und Verträglichkeit von Efavirenz bei etwa 3000 Patienten ausgewertet, weltweit wurden bislang mehr als 14000 Patienten behandelt. Besonders beeindruckend waren die Ergebnisse der dreiarmigen Studie DMP 266-006, in der Efavirenz + Zidovudin + Lamivudin mit dem anerkannten Therapiestandard Indinavir + Zidovudin + Lamivudin sowie der Kombination aus Efavirenz und Indinavir verglichen wurde. An der Phase-III-Studie nahmen 450 asymptomatische oder leicht symptomatische Patienten teil, die gegenüber Proteasehemmern, Lamivudin und nicht-nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren naiv waren. 85% der Patienten hatten keine antiretrovirale Vorbehandlung.
Bei Behandlungsbeginn betrug die mittlere Viruskonzentration 4,77 log10 HIV-RNA-Kopien/ml und die mittlere CD4-Konzentration 345/ml. Die Intentto-treat-Analyse (Noncompleter = failure; NC = F) zeigte bereits nach zweiwöchiger Therapie eine deutliche Überlegenheit der Efavirenz-Dreifachtherapie. Bei der Auswertung nach 24 Wochen war der Anteil der Patienten mit einer Viruslast von weniger als 400 HIV-RNA-Kopien/ml unter Efavirenz + Zidovudin + Lamivudin mit 74,7% signifikant größer als unter der Standardtherapie Indinavir + Zidovudin + Lamivudin (56,2%). Dabei profitierten Patienten mit einer initial hohen Viruslast (>100000 Kopien/ml) ebenso von Efavirenz wie Patienten mit niedrigeren HIV-RNA-Ausgangswerten.

36-Wochen-Daten bestätigen Überlegenheit von Efavirenz


Die Auswertung nach 36 Wochen bestätigte die überlegene Wirkung und Verträglichkeit der Efavirenz-Dreifachtherapie. Der Anteil der Patienten, deren Viruslast unter dem prognostisch wichtigen Grenzwert von 50 HIV-RNA-Kopien/ ml lag, war nach 36 Wochen unter Efavirenz + Zidovudin + Lamivudin signifikant höher als unter Indinavir + Zidovudin + Lamivudin (Intent-to-treat-Analyse NC = F: 64% versus 44%) und auch höher als bei der Auswertung nach 24wöchiger Behandlung mit Efavirenz bzw. Indinavir (58% bzw. 43,4%). Neben der ausgezeichneten antiretroviralen Wirkung zeigte die Efavirenz-Kombination eine vergleichsweise gute Verträglichkeit, die sich in signifikant weniger nebenwirkungsbedingten Therapieabbrüchen widerspiegelte (6% versus 19%).

Gute Langzeitwirkung


In der Studie DMP 266-003 konnte die Virusreplikation durch Efavirenz + Indinavir auch langfristig wirksam supprimiert werden: Die Auswertung nach inzwischen 84 Wochen zeigte einen unverändert hohen Anteil von Patienten mit einer Viruslast unter der Nachweisgrenze, von 400 HIV-RNA-Kopien/ml und eine dauerhafte Zunahme der CD4-Werte.

Nebenwirkungen sind meist reversibel


Efavirenz kann vor allem in den ersten Behandlungstagen reversible Exantheme und ZNS-Symptome wie Benommenheit, Kopfschmerzen, Konzentrationsschwäche, Schlafstörungen oder ungewöhnliche Träume verursachen. In den meisten Fällen sind die ZNS-Symptome nur leicht oder mittelschwer und gehen ohne Therapieunterbrechung oder Dosisreduktion nach zwei bis vier Wochen zurück. Durch Einnahme von Efavirenz am Abend können die ZNS-Nebenwirkungen deutlich verringert werden; um die unter Efavirenz normalerweise gute Compliance nicht zu gefährden, sollten die Patienten aber bereits vor Behandlungsbeginn über diese potentiellen Nebenwirkungen aufgeklärt werden.

Umstellung auf Efavirenz kann durch Proteaseinhibitoren induzierte Lipodystrophie bessern


Anders als Proteaseinhibitoren verursacht Efavirenz nach derzeitigen Erkenntnissen keine Lipodystrophie. Erste Daten aus einer kleineren Untersuchung in England deuten vielmehr darauf hin, daß die Umstellung von einer Dreifachtherapie mit einem Proteaseinhibitor auf eine efavirenzhaltige Tripeltherapie die zuvor ausgeprägte Lipodystrophie besonders im Gesicht, aber auch an den Beinen deutlich bessert. Dabei wurde die Virusreplikation weiterhin wirksam supprimiert.

Therapeutischer Stellenwert


Auf Grund der hohen antiretroviralen Aktivität, der guten Verträglichkeit, der guten Kombinierbarkeit mit anderen retroviralen Therapeutika und des einfachen Einnahmemodus (einmal täglich, mit oder ohne Mahlzeiten) kann Efavirenz vor allem in folgenden Situationen eingesetzt werden:

  • In der First-line-Therapie; der Verzicht auf Proteaseinhibitoren in frühen Therapiephasen bedeutet, daß diese Substanzen weiterhin als Reservetherapeutika zur Verfügung stehen.
  • In Kombination mit Indinavir oder Nelfinavir bei Patienten, die keine Nukleosidanaloga vertragen.
  • Bei antiretroviral vorbehandelten Patienten zur Intensivierung einer bestehenden antiretroviralen Therapie mit Nukleosidanaloga bzw. Proteaseinhibitoren.
  • Im Rahmen einer Mega-HAART (hochaktiven antiretroviralen Therapie).
  • Zur Besserung einer durch Proteaseinhibitoren induzierten Lipodystrophie.


Quelle
Dr. Schlomo Staszewski, Frankfurt, Dr. Nancy Rinz, Wilmington/USA, Pressekonferenz beim 4th International Congress on Drug Therapy in HIV Infection, Glasgow, 11. November 1998, veranstaltet von DuPont Pharma GmbH, Bad Homburg v.d.H.
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