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Zuzahlungen sinken auf acht, neun und zehn Mark

BONN (im). Ab dem ersten Januar 1999 sollen die Zuzahlungen der Patienten auf acht, neun und zehn Mark sinken. Die Krankenkassen sollen 900 Millionen Mark durch weiter abgesenkte Festbeträge für Arzneimittel sparen. Um "unvertretbare Belastungen" für Patienten zurückzunehmen und durch eine vorläufige Ausgabenbegrenzung die Beitragssätze in der Krankenversicherung zu stabilisieren, haben die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen am 9. November mit neuen Änderungen den Entwurf des "Gesetzes zur Stärkung der Solidarität in der gesetzlichen Krankenversicherung" beschlossen, der bereits am 11. November zur ersten Lesung in der parlamentarischen Beratung vorgesehen ist.

Arzneiausgaben: runter auf 96er Niveau


Das umfangreiche Solidaritätsstärkungsgesetz (kurz "GKV-SolG") soll insgesamt am 1. 1. 1999 in Kraft treten. Begründet wird es damit, daß die neue Bundesregierung die Sozialversicherungsbeiträge um 0,8 Prozentpunkte in 1999 absenken wolle. Das gelinge nur, wenn der Anstieg der Krankenversicherungsbeiträge gestoppt werde. Nur die Bestimmung des Krankenhaus-Notopfers erfolgt rückwirkend, damit die Kassen denjenigen Versicherten, die für 1998 gezahlt haben, die 20 Mark erstatten können.
Bei den Medikamenten werden die Ausgaben in 1996 Basis für die Arznei-, Verband- und Heilmittelbudgets, abgezogen werden davon 4,5 Prozent für die seitdem erfolgten höheren Zuzahlungen der Patienten.
Zur Reduzierung der Selbstbehalte bei Arzneien auf acht, neun und zehn Mark heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs, da Arzneimittel vor allem Älteren und chronisch Kranken verordnet würden, trete besonders für diese Gruppen eine erhebliche Entlastung ein.

Was gilt für chronisch Kranke?


Darüber hinaus werden chronisch Kranke, die ein Jahr lang Zuzahlungen in Höhe von einem Prozent ihres Einkommens aus der eigenen Tasche gezahlt haben, künftig nach Ablauf des ersten Jahres vollständig befreit. Bedingung: Sie müssen wegen derselben Krankheit in Dauerbehandlung sein. Allerdings soll die Regelung für alle gelten, die im Haushalt des gesetzlich Versicherten leben. In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es: "Da bei der Ermittlung der Belastungsgrenzen nicht nur die jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt aller im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen, sondern auch deren Zuzahlungen an die gesetzliche Krankenversicherung zusammengerechnet werden, gilt die Zuzahlungsbefreiung nicht nur für den chronisch Kranken selbst, sondern auch für alle anderen in der GKV versicherten Haushaltsangehörigen."

Bald: Budgets plus Richtgrößen


Eine erhebliche Änderung wird es bei den Arzneimittelbudgets geben. Die durch das 2. GKV-Neuordnungsgesetz (2. NOG von 1997) geplante Ablösung der Arznei-, Verband- und Heilmittelbudgets durch Richtgrößenvereinbarungen wird wieder kassiert. Die Richtgrößen sollen demnach erneut zu flankierenden Steuerungsinstrumenten zu den Budgets werden. Überschreitet ein verordnender Arzt Richtgrößen um mehr als 15 Prozent, beginnen Überprüfungen auf Wirtschaftlichkeit seiner Verschreibungsweise.
Bei Budgetüberschreitungen haften die Mediziner mit ihrem Honorar, maximal fünf Prozent des Budgets werden, so der Gesetzentwurf, von ihrem Honorar abgezogen. Nach zwei Jahren muß der Ausgleich für die Überschreitung in einem Budgetzeitraum erfolgt sein.
Werden Arzneibudgets dagegen gar nicht erreicht, können Ärzte und Kassen vereinbaren, wie sie den Betrag einsetzen wollen, um die Qualität der Versorgung zu steigern.

KVen dürfen sich zu Arzneipreisen äußern


Neu ist darüber hinaus, daß die Kassenärztlichen Vereinigungen das Recht erhalten, ihre Vertragsärzte über die Wirtschaftlichkeit zum Beispiel der verschriebenen Arzneimittel zu informieren, konkret über den therapeutischen Nutzen sowie die Preiswürdigkeit von Medikamenten.

Weitere Zuzahlungsmodi kassiert


Weitere Zuzahlungserhöhungen in 1999 und den folgenden Jahren werden demnach gekippt. Die Dynamisierung bestehender Selbstbehalte, die zum 1. Juli 1999 zu Anhebungen von 0,50 Mark pro Verordnung und nach zwei Jahren erneut zu Anpassungen geführt hätten, entfällt. Diese Bestimmungen waren mit dem 2. Neuordnungsgesetz 97 (2. NOG) eingeführt worden.
Wieder abgeschafft wird der bis zum Jahresende ausgesetzte Koppelungsmechanismus, wonach steigende Beitragssätze steigende Zuzahlungen der Patienten nach sich gezogen hätten. Dies war Bestandteil des 1. Neuordnungsgesetzes (1. NOG) gewesen.

Änderung bei Festbeträgen


Die Koalitionsfraktionen meinen, daß die Höhe der Festbeträge nicht konkret genug gesetzlich definiert worden sei. Bisher wurde bei deren Festsetzung von den preisgünstigen Apothekenpreisen in der Vergleichsgruppe ausgegangen. Jetzt gibt es eine Vorgabe, die die Festsetzung von Erstattungshöchstgrenzen im unteren Drittel der Spanne zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Abgabepreis der Vergleichsgruppe vorsieht.

Rücknahme früherer Reformschritte


Mit dem Gesetzentwurf sollen die 1997 eingeführten Gestaltungselemente der Krankenkassen -Beitragsrückgewähr, Kostenerstattung und Selbstbehalt wieder abgeschaffft werden.
Darüber hinaus wird die Kostenerstattung insgesamt wieder gestrichen, die mit dem 2. NOG ausgebaut worden war. Kostenerstattung sei ein systemwidriges Privatisierungselement. Um alle Versicherten gleich zu behandeln, werde die Kostenerstattung komplett abgeschafft und auch nicht wie früher den freiwillig Versicherten als Option eingeräumt.
Das Krankenhaus-Notopfer von jährlich 20 Mark pro Mitglied wird gestrichen. Bereits gezahlte Beträge sollen die Krankenkassen zurückzahlen.
Beim Zahnersatz wird festgelegt, daß auch die nach 1978 Geborenen wieder Anspruch darauf haben.

Große Reform ab 2000


Die grundlegende Strukturreform - nach diesem Vorschaltgesetz - ist wie berichtet für das Jahr 2000 vorgesehen. Hier will die Regierung, so heißt es in der Gesetzesbegründung, grundsätzlich prüfen, ob die Zuzahlungsregelungen insgesamt neugestaltet werden sollen. Dann soll auch der Arzneimittelmarkt neu geordnet werden mittels Positivliste und mehr Re-Importen.l

Einige Fakten zum Gesetzesentwurf


JAb 1.1.99 beträgt die Zuzahlung zu Arzneimitteln 8, 9, 10 Mark

  • chronisch Kranke werden nach einem Jahr völlig befreit
  • die Koppelung Beitragserhöhung/ Zuzahlungsanstieg wird gestrichen
  • das 20-Mark-Notopfer wird für 1998 / 1999 abgeschafft
  • vorläufige Ausgabenbegrenzungen: Basis für die Arzneibudgets wird 1996, abzüglich 4,5 Prozent für Zuzahlungserhöhungen
  • Beitragsrückgewähr, Kostenerstattung und Selbstbehalt werden zurückgenommen
  • zeitliche Befristung im gesamtdeutschen Risikostrukturausgleich (der Kassen untereinander) wird gestrichen


Das Solidaritätsstärkungsgesetz soll am 1. 1. 1999 in Kraft treten. Die grundlegende Strukturreform ist für das Jahr 2000 vorgesehen.

Wie wirds finanziert?


Belastungen ...

  • 870 Millionen Mark entstehen an Mehrbelastung für die Krankenkassen durch die reduzierten Zuzahlungen.
  • 50 bis 100 Millionen Mark sind die Mindereinnahmen aufgrund der Änderungen für chronisch Kranke.
  • 175 Millionen Mark kostet die Kassen die Wiedereinführung von Zahnersatz für die ab 1978 Geborenen.
  • 730 Millionen fehlen durch die Aussetzung des Krankenhaus-Notopfers pro Jahr, zusammen also 1,46 Milliarden Mark.
  • mit 72 Millionen schlägt die Förderung der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin zu Buche, im Jahr 2000 bis zu 144 Millionen.


... und Entlastungen

  • 900 Millionen Mark sollen die Kassen durch abgesenkte Festbeträge sparen.
  • 1,3 bis 1,4 Milliarden Mark soll die Einbeziehung der 620/520-Mark Jobs bringen.
  • 120 Millionen betragen die Mehreinnahmen der Kassen aufgrund des ausgesetzten Demographiefaktors in der Rentenversicherung.
  • Entlastungen seien insgesamt ab 1999 durch die ökologische Steuerreform sowie durch die Wiedereinführung der vollen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zu erwarten, beides sei jedoch nicht zu beziffern.

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