Arzneimittel und Therapie

Topische Glucocorticoide - besser als ihr Ruf!

Niesen, Husten, entzündete Augen, laufende oder verstopfte Nase - viele Menschen sind mit diesen Symptomen der allergischen Rhinitis nur allzu gut vertraut. Die kausale Therapie, Vermeidung des auslösenden Reizes, ist im Alltag leider nicht immer umsetzbar. Medikamentös wird daher versucht, die Symptome der allergischen Rhinitis zu vermindern. Dabei kommen neben Alpha-Sympathomimetika, Anticholinergika und Antihistaminika auch topische Glucocorticoide zum Einsatz. Diese sind inzwischen weit besser als ihr Ruf.

Epidemiologie und Symptomatik


Die allergische Rhinitis gehört zu den häufigsten Krankheitsbildern, die heute in der Praxis beobachtet werden. Epidemiologische Studien haben ergeben, daß etwa 10 bis 20% der Bevölkerung darunter leiden - mit steigender Tendenz. Betroffen sind vor allem Jugendliche und Erwachsene jüngeren Lebensalters.
Man unterscheidet zwei Formen der allergischen Rhinitis:

  • die saisonale allergische Rhinitis, besser unter dem Begriff "Heuschnupfen" bekannt, und
  • die chronische allergische Rhinitis.


Als Symptome werden bei der saisonalen allergischen Rhinitis in der Hauptsache Niesattacken, vermehrte (wäßrige) Nasensekretion, behinderte Nasenatmung, Entzündung der Augenbindehaut und Störungen des Riechens und Schmeckens beobachtet. Patienten mit chronisch allergischer Rhinitis klagen meist über eine Behinderung der Nasenatmung, trockene Schleimhäute und immer wiederkehrende Infektionen der oberen Atemwege. Bei beiden Krankheitsformen findet man außerdem häufig eine Mitbeteiligung der unteren Atemwege.

Pathophysiologische Mechanismen


Pathophysiologisch lassen sich die beschriebenen Symptome der allergischen Rhinitis auf unterschiedliche, sich teilweise überlappende Mechanismen zurückführen. Dazu gehören

  • Entzündungsreaktionen: Nach Erstkontakt mit dem Allergen werden bei entsprechender genetischer Disposition in einer Sensibilisierungsphase spezifische IgE-Antikörper gebildet. Diese führen bei erneutem Kontakt mit dem Allergen zur Degranulation von Mastzellen und zur Ausschüttung verschiedener Entzündungsmediatoren wie Histamin, Leukotrienen, Prostaglandinen und Kininen. Gleichzeitig werden Zytokine freigesetzt, die T-Lymphozyten und Endothelzellen anregen. In der Folge kommt es zur Migration verschiedener Entzündungszellen in die Schleimhaut, wo dann wiederum Entzündungsmediatoren freigesetzt werden. Die zelluläre Reaktion kann zur chronischen Entzündung führen.
  • Störung der nervalen Regulation der Nase: Die Nasenschleimhaut unterliegt einer Regulation durch das vegetative Nervensystem. Es steuert zum einen den Füllungszustand der Blutgefäße, zum anderen die Drüsenaktivität, wobei die Gefäße vorwiegend sympathisch, die Drüsen parasympathisch beeinflußt werden. Störungen des vegetativen Nervensystems im Sinn eines Überwiegens des parasympathischen Tonus führen zur Schleimhautschwellung und vermehrten Nasensekretion.
  • Neuropeptide: Neben den klassischen Neurotransmittern Acetylcholin und Noradrenalin kennt man heute verschiedene Neuropeptide, die das vegetative Nervensystem stimulieren und sich lokal auf Drüsen, Gefäßsystem und Zellen auswirken können. So führt beispielsweise das Neuropeptid Substanz P zu Vasodilatation, Hypersekretion und Mastzelldegranulation. Bei Infektionen der oberen Atemwege werden neuropeptidabbauende Peptidasen häufig gehemmt, die Neuropeptide "reichern sich an" und können die allergischen Reaktionen somit verstärken.
  • Mastzellaktivierung durch Veränderung der Osmolalität: Kalte, trockene Luft kann über eine Veränderung der Osmolalität des Nasensekrets eine Mastzellaktivierung mit nachfolgender Histaminausschüttung bewirken.

Medikamentöse Therapie: Reizminderung...


Die Therapie der allergischen Rhinitis basiert auf den drei Säulen Allergenkarenz, medikamentöse Therapie und Immuntherapie und orientiert sich an einem allgemein gültigen Stufenplan. Die Auswahl der Medikamente richtet sich vor allem nach der Art der Beschwerden und der Pathophysiologie. Ziel der medikamentösen Therapie ist vor allem die Reduktion der Reizantwort und die Hemmung der Entzündungsreaktionen. Bei der Reduktion der Reizantwort kommen Alpha-Sympathomimetika, Anticholinergika und Antihistaminika zum Einsatz.

Alpha-Sympathomimetika


Alpha-Sympathomimetika stimulieren alpha1- und alpha2-Rezeptoren an der glatten Muskulatur und haben eine starke vasokonstriktorische Wirkung auf die Widerstands- (Reduktion des Blutflusses) und Kapazitätsgefäße (Verminderung des Blutvolumens) der Nasenschleimhaut. Sie mindern dadurch bestehende Schleimhautödeme, verringern den oberflächlichen Sekretfilm und erleichtern insgesamt die Atmung durch die Nase.
Alpha-Sympathomimetika können sowohl systemisch als auch topisch angewendet werden. Die topische Anwendung sollte allerdings nur in der Akutphase der allergischen Rhinitis und nicht länger als 7 bis 10 Tage erfolgen, da bei längerfristiger Einnahme Alpha-Rezeptoren downreguliert und die Sensitivität für endogen freigesetztes Noradrenalin und exogen zugeführte Sympathomimetika vermindert wird (Gewöhnung).

Anticholinergika


Lokal applizierte Anticholinergika hemmen durch Blockade von Muscarinrezeptoren die Sekretion der Nasenschleimhautdrüsen. Desweiteren führen sie zu einer leichten Bronchodilatation. Bei der allergischen Rhinitis kommen sie zum Einsatz, wenn vornehmlich über Rhinorrhö (laufende Nase) geklagt wird. Anticholinergika zeichnen sich durch eine geringe Rate an Nebenwirkungen aus. Bei langfristiger Einnahme können in seltenen Fällen Tachykardie, Hustenreiz, Miktions- und Akkomodationsstörungen auftreten.

Antihistaminika


Die in der Rhinitistherapie verwendeten H1-Antihistaminika hemmen kompetitiv die H1-Rezeptoren an Gefäßen, Nerven und Drüsen und wirken besonders den Symptomen Niesen, Juckreiz und Rhinorrhö in der allergischen Sofortphase entgegen. Neuere Präparate (Antihistaminika der zweiten Generation wie Astemizol, Azelastin, Cetirizin, Loratadin, Fexofenadin und Mizolastin) besitzen teilweise auch eine direkte antiinflammatorische Wirkung. Nebenwirkungen wie Sedierung, Mundtrockenheit oder Miktionsstörungen sind bei diesen Präparaten kaum oder nicht mehr vorhanden. Klinisch bedeutsam sind jedoch kardiale Nebenwirkungen, die speziell bei Medikamenten zu befürchten sind, die in der Leber metabolisiert werden. Schwere kardiale Nebenwirkungen sind für Terfenadin und Astemizol beschrieben.

...und Entzündungshemmung


Die Hemmung entzündlicher Reaktionen bei der allergischen Rhinitis erfolgt vor allem durch Glucocorticoide. Glucocorticoide binden an Rezeptoren im Zytoplasma, werden als Steroid-Rezeptor-Komplex in den Zellkern transportiert und bewirken dort eine Veränderungen der Genexpression. Es resultiert eine Hemmung der Synthese von Entzündungszellen wie Leukotrienen, Prostaglandinen und Histamin. Der Einstrom von Mastzellen, eosinophilen und basophilen Granulozyten in die Nasenschleimhaut wird vermindert und dadurch Früh- und Spätphase der allergischen Sofortreaktion unterdrückt. Weitere Effekte der Glucocorticoide bei der allergischen Rhinitis sind

  • Verminderung der Schleimhauthyperreaktivität,
  • Reduktion der Gefäßpermeabilität und
  • Hemmung der Schleimproduktion.

Topische Glucocorticoide


haben Vorzüge vor Systemischen
Die Glucocorticoidtherapie bei der allergischen Rhinitis ist in aller Regel eine topische Therapie. Die orale Gabe von Glucocorticoiden ist nur bei schweren Formen der allergischen Rhinitis indiziert und sollte so bald wie möglich auf eine topische Applikation umgesetzt werden.
Topische Glucocorticoide weisen gegenüber systemischen Präparaten einige Vorteile auf. So ist - eine ausreichende Durchdringung der Epithelschicht vorausgesetzt - die Konzentration an der Nasenschleimhaut bei topischer Applikation wesentlich höher als bei der oralen Gabe. Gleichzeitig wird durch die topische Applikation aber die Gesamtkörperdosis und damit verbunden die Nebenwirkungsrate verringert.
Dennoch: Auch bei der topischen Glucocorticoidtherapie können Plasmaspiegel erreicht werden, die sich auf Kohlenhydrat-, Fett- und Eiweißmetabolismus, Wasser- und Elektrolythaushalt auswirken. Dies stellte vor allem bei älteren topischen Glucocorticoiden wie Dexamethason und Beclometason (systemische Bioverfügbarkeit bis zu 80%) ein Problem dar und führte dazu, daß die topischen Glucocorticoide von vielen Patienten abgelehnt wurden. Der schlechte Ruf haftet den topischen Glucocorticoiden immer noch an - obwohl die Angst vor systemischen Nebenwirkungen inzwischen weitgehend unbegründet ist. Neuere Glucocorticoide wie Budesonid, Flucortinbutyl und Fluticason zeichnen sich durch eine gute Wirksamkeit mit gleichzeitig sehr niedriger systemischer Bioverfügbarkeit (teilweise unter 1%) aus.

Neu: Mometason


zur intranasalen Applikation
Ein topisches Glucocorticoid, das voraussichtlich Anfang 1999 in Deutschland zur intranasalen Applikation bei der allergischen Rhinitis auf den Markt kommt, ist Mometasonfuroat (Nasonex(r)). Mometason ist bereits zur äußerlichen Behandlung von entzündlichen und juckenden Hauterkrankungen wie Psoriasis und atopische Dermatitis zugelassen und erweitert damit seine Zulassung um die Indikation "allergische Rhinitis".
In klinischen Studien hat Mometason einen raschen Wirkungseintritt (innerhalb sechs Sunden) und eine gute Wirksamkeit auf die Symptome der allergischen Rhinitis gezeigt. Die Reduktion der Symptome lag insgesamt bei etwa 60 bis 70% und entspricht damit der von Beclometason und Fluticason. Die systemische Bioverfügbarkeit lag unter 0,1%. Damit zählt Mometason zu den sichersten topischen Glucocorticoiden und eignet sich auch zur Anwendung bei Kindern.
Die empfohlene Dosis von Mometason liegt bei 200 g einmal täglich, in der Regel kann sie nach 14 Tagen auf 100g täglich reduziert werden. Bei Kindern von 6 bis 12 Jahren wird von Anfang an 100g einmal täglich empfohlen.
Quelle
Prof. Dr. Ralph Mösges, Köln, Priv.-Doz. Dr. Werner Heppt, Karlsruhe, Dr. Ludger Klimek, Mainz, Prof. Dr. Claus Bachert, Gent, Presse-Symposium im Rahmen des Europäischen Rhinologen Kongresses, Wien, 1. August. 1998, veranstaltet von Essex Pharma, München.
Dr. Beatrice Rall

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