Arzneimittel und Therapie

Therapiefortschritt durch atypische Neuroleptika

Das Hauptindikationsgebiet für Neuroleptika ist die schizophrene Psychose. Diese erfordert unter Umständen eine lebenslange Therapie. Ein Therapieerfolg tritt bei 70 bis 75% der behandelten Patienten ein.


Allerdings kann eine schizophrene Psychose nicht geheilt werden, da Neuroleptika die Symptome nur unterdrücken. Durch Neuroleptika werden vor allem produktive Symptome wie Wahn und Halluzinationen gebessert; Defizitsymptome wie Motivations- und Antriebslosigkeit, Apathie, Phantasielosigkeit oder affektive Verflachung werden hingegen kaum beeinflußt.

Schizophrene Psychosen verlaufen meist chronisch rezidivierend


Schizophrene Psychosen verlaufen meist chronisch oder chronisch rezidivierend. Nach Absetzen des Neuroleptikums beträgt die Rezidivrate bereits im ersten Jahr rund 70%. Durch eine Langzeitbehandlung kann die Rückfallquote auf 16% gesenkt werden. Gründe für ein Rezidiv liegen meist in der fehlenden Compliance von Therapeut und Patienten. Von ärztlicher Sicht aus wird häufig versäumt, auf eine konsequente Rezidivprophylaxe zu achten; Gründe für die Noncompliance des Patienten liegen unter anderem in den unerwünschten Begleiterscheinungen (Akutdystonie, Akathisie, Parkinsonoid, Zungen-Schlund-Krampf, Spätdyskinesien, Rabbit-Syndrom) der "typischen" Neuroleptika.

Die Wirkung tritt erst nach mehreren Tagen ein


Alle Neuroleptika blockieren Dopamin-D2-Rezeptoren. Trotz der unmittelbaren Rezeptorblockade treten die antipsychotische Wirkung und das Parkinsonoid erst innerhalb von Tagen bis Wochen ein. Vermutlich entwickelt sich der Depolarisationsblock der dopaminergen Neuronen nur langsam, und die Neuronen stellen ihre elektrische Aktivität in den verschiedenen Hirnregionen unterschiedlich rasch ein. Die antipsychotische Wirkung der Neuroleptika wird dem Depolarisationsblock im mesolimbischen und mesokortikalen dopaminergen System zugeschrieben; extrapyramidale Begleiterscheinungen werden durch den Depolarisationsblock im nigrostrialen System verursacht.

Das ideale Neuroleptikum steht noch aus


Mit Clozapin (Leponex(r)) kam Ende der 60er Jahre das erste atypische Neuroleptikum auf den Markt, das auch bei therapieresistenten Fällen eingesetzt werden kann und das zudem frei von motorischen Begleiterscheinungen ist. Clozapin kann allerdings aufgrund seines Agranulozytoserisikos nur bedingt und unter engmaschiger Kontrolle verordnet werden.
In den letzten Jahren wurden einige neue atypische Neuroleptika eingeführt: Risperidon (Risperdal(r)), Olanzapin (Zyprexa(r)), Sertindol (Serdolect(r)) und Amisulprid (Solian(r)). Diese Substanzen unterscheiden sich hauptsächlich in ihrem Nebenwirkungsspektrum. Sertindol ist nur in einem engen Dosisbereich frei von motorischen Störungen; Olanzapin, Risperidon und Amisulprid führen auch in hoher Dosierung nicht zu extrapyramidalen Störungen. Olanzapin kann eine ausgeprägte Gewichtszunahme auslösen. Amisulprid stimuliert die Prolaktinsekretion, was in seltenen Fällen zu einer Galaktorrhö führen kann.
Bislang ist nicht eindeutig geklärt, ob die neuen atypischen Neuroleptika auch bei therapieresistenten Fällen wirksam sind.
Quelle
Prof. Dr. Jürgen Fritze, Frankfurt; BPI-Presseseminar "Schatten auf der Seele: Arzneimittel in der Psychiatrie", Eltville, 21. bis 22. September 1998, veranstaltet vom Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI), Frankfurt/M.
Dr. Petra Jungmayr, Esslingen

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