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Bereit zur patientenorientierten Kommunikation

MÜNSTER (was). Pharmazeutische Betreuung ist zur Zeit in aller Munde. Allerdings wissen viele nicht, was wirklich damit gemeint ist. Der Begriff beinhaltet weit mehr als das "Auf-den-Patienten-Zugehen", das die Apotheker ja schon immer praktizieren. Pharmazeutische Betreuung bedeutet etwas sehr Komplexes, das die Berufsauffassung und die gesamte Tätigkeit in der Offizin beeinflussen wird und zugleich die gesellschaftliche Berechtigung des Apothekers ausmachen wird.


Noch steckt die Pharmazeutische Betreuung in den Anfängen: Sie wird im Rahmen von Studien erprobt und auch schon unabhängig davon in der Apothekenpraxis eingeübt. Instrumente und Methoden werden zum Teil noch entwickelt. "Das Boot rudern, während man es baut" beschreibt die derzeitige Situation treffend.

Pharmazeutische Betreuung in fünf Schritten


Der Prozeß der Pharmazeutischen Betreuung umfaßt im wesentlichen fünf Arbeitsschritte:

  • Dokumentation der Patienten und ihrer Medikation,
  • Identifizierung arzneimittelbezogener Probleme,
  • Dokumentation der Intervention,
  • Verlaufsmonitoring,
  • Beurteilung des Anwendungserfolgs.


Die Pharmazeutische Betreuung muß sich zunächst auf einige wenige Patienten - maximal zehn pro Apotheke - beschränken. Jeder Apotheker kann für seine Apotheke einen Betreuungsschwerpunkt finden. Dieser mag sich an Problempatienten oder einer umsatzstarken Indikationsgruppe orientieren, kann aber auch durch den Standortfaktor (spezielle Arztpraxen in der Nachbarschaft) oder Interessensgebiete des Apothekers geprägt sein. Zu den betreuungsintensiven Erkrankungs- und Risikogruppen, die in Frage kommen, zählen beispielsweise Schwangere und Stillende, Diabetiker, Asthmatiker, Krebspatienten oder HIV-Infizierte.
Der Patient kann dem Apotheker quasi den Auftrag zur Pharmazeutischen Betreuung erteilen, indem er ihm Informationen zu seiner Medikation überläßt. Diese Informationen übermittelt er dem Apotheker in einem ersten Gespräch, er kann sie ihm aber auch mit Hilfe seiner Kundenkarte überlassen. Bei Pharmazeutischer Betreuung geht es nicht mehr nur um den einmaligen Akt der Arzneimittelabgabe, sondern um eine kontinuierliche Betreuung über einen Zeitraum.

Grundvoraussetzung: eine positive Einstellung


Ein Apotheker, der sich auf Pharmazeutische Betreuung einläßt, muß mehrere Voraussetzungen mitbringen: Er muß eine positive Grundeinstellung zur Pharmazeutischen Betreuung mitbringen und sollte zur patientenorientierten Kommunikation bereit sein (wie denkt der Patient?). Auch sein Mitarbeiterteam sollte Interesse daran haben. Der Apotheker sollte einen gewissen Wissensstand haben und sich die Zeit nehmen, konkrete Themen nachzuarbeiten. Er sollte offen dafür sein, mit und am Patienten zu lernen, wie Patienten auf Arzneimittel reagieren.
Pharmazeutische Betreuung erfordert unbedingt eine Kooperation mit den behandelnden Ärzten. Stellt der Apotheker "seinen" Ärzten sein neues Tätigkeitsfeld vor, ist ein vorsichtiges Vorgehen anzuraten. Erfahrungsgemäß ist die erste Reaktion immer Ablehnung, gefolgt von einem "zarten Friedensangebot", einer Duldung bis hin zur Einforderung der Leistung. So forderten Ärzte nach der Augsburger Studie zur Pharmazeutischen Betreuung von Asthmapatienten, diese Leistung in allen Augsburger Apotheken anzubieten. Wichtig ist, daß der Apotheker sich nur um den Anwendungserfolg der Arzneimitteleinnahme kümmert. Diagnose und Therapie bleiben in der Hand des Arztes.

Beratungsecke sollte vorhanden sein


Eine technische Voraussetzung für die Pharmazeutische Betreuung ist das Vorhandensein einer Beratungsecke oder eines Beratungsraums für die Gespräche mit den Patienten. Eine zeitsparende Erfassung der Medikation wird in Zukunft durch eine softwaregestützte Medikationsdatei möglich sein. Zusammen mit Vertretern der Softwarehäuser entwickelt die Arbeitsgruppe Arzneimittelepidemiologie/Sozialpharmazie der Humboldt-Universität Berlin zur Zeit ein Basisprogramm für die Pharmazeutische Betreuung. Drei Ausbaustufen sind vorgesehen:

  • Die Medikationsdatei wird fortlaufend aufgenommen.
  • Ein Medikationsprofil (Graphik der Arzneimitteleinnahme über sechs Monate) wird automatisch dargestellt.
  • Arzneimittelbezogene Probleme werden dokumentiert.


Neben diesem Basisprogramm werden krankheitsbezogene Module (z. B. für Asthma bronchiale) erarbeitet.

Optimierung der Arzneitherapie


mit Medikationsbogen
Solange die Medikation noch nicht im Computer erfaßt wird, kann der Patient auch einen Medikationsbogen mit nach Hause bekommen, in den er alle Arzneimittel einträgt, die er regelmäßig anwendet. Der Apotheker erstellt aus diesen Daten ein Medikationsprofil, das die Arzneimitteleinnahme der letzten sechs Monate graphisch darstellt. Das Medikationsprofil erlaubt es, bestimmte arzneimittelbezogene Probleme überhaupt erst aufzudecken, zum Beispiel:

  • Doppelverordnungen verschiedener Ärzte,
  • Interaktionen mit zuvor verschriebenen Arzneimitteln,
  • Generikawechsel,
  • Unerwünschte Arzneimittelwirkungen bei wiederholter Verordnung.


Andere arzneimittelbezogene Probleme, wie Computerfehler bei der Verordnung, erstmalige unerwünschte Arzneimittelwirkungen oder Mißbrauchsverdacht, werden im Gespräch mit dem Patienten erkannt.
Zur Lösung arzneimittelbezogener Probleme können beispielsweise eine Beratung zur Arzneimittelanwendung oder ein Gespräch mit dem Arzt (z. B. Änderung der Dosierung) führen. Viele Patienten scheuen sich, dem Arzt zu sagen, daß sie ein Medikament nicht vertragen. Es erscheint ihnen wie eine Kritik. Dem (wertfreien) Apotheker gegenüber fällt es ihnen leichter.
Die Pharmazeutische Betreuung verbessert die Arzneimittelanwendung aber nicht nur, indem sie hilft, Arzneimittelschäden und Wirkungsverluste zu vermeiden. Sie führt zu einer genauen Verlaufsbeobachtung des Anwendungserfolgs, indem sie die Zeit zwischen den Arztbesuchen (häufig nur einmal im Quartal) durch regelmäßige Kontakte zum betreuenden Apotheker überbrückt.

14 Studien laufen schon


Zur Zeit gibt es bundesweit 14 Studien zur Pharmazeutischen Betreuung. Sie sollen dazu beitragen, den Nutzen der Pharmazeutischen Betreuung zu belegen. Gleichzeitig dienen sie dazu, Beratungs- und Behandlungsstandards zu entwickeln. Diese Qualitätsstandards gewährleisten, daß der Prozeß der Pharmazeutischen Betreuung in allen Apotheken gleich abläuft. In Westfalen-Lippe beginnt im Oktober die DUP-Studie (DUP = drug use profile). Ein halbes Jahr lang erfassen die Studienapotheker arzneimittelbezogene Probleme bei Patienten in Dauertherapie. Ziel sind die Erkennung, Vermeidung und Lösung arzneimittelbezogener Probleme. Interessierte Apotheker aus Westfalen-Lippe können sich noch bei Frau Dr. Lohmann oder Frau Zink von der Apothekerkammer Westfalen-Lippe melden (Tel. 0251-5200571 bzw. 5200574).
Quelle
Prof. Dr. Marion Schaefer, Berlin, Almut Müller-Jaeger, Düsseldorf, Workshop zur Einführung von Pharmazeutischer Betreuung: Instrumente und Methoden, Münster, 20. September 1998, veranstaltet von der Apothekerkammer Westfalen-Lippe.l

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