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"Positiv" ist nicht gleich "besser"
Rot/Grün regiert und die "Positivliste" ist wieder in der Diskussion. Ein Blick zurück: 1992 holte Minister Horst Seehofer (CSU) die SPD im kleinen Ort Lahnstein bei der Vorbereitung des Gesundheitsstrukturgesetzes mit ins Boot. Jede Partei drückte einiges durch, die Positivliste kam auf Drängen der Sozialdemokraten ins Gesetz. Bald wurde deutlich, daß Union und FDP gar nicht daran dachten, sie umzusetzen, was die SPD mächtig wurmte, weil für sie die Positivliste ein "Essential" ist.
Dezember 1995, wenige Tage bevor die Positivliste hätte in Kraft treten sollen, wurde sie im parlamentarischen Verfahren endgültig gestrichen, zuvor hatte der Entwurf des eigens dafür eingerichteten Instituts für Furore gesorgt. 1995 wurde eine Arzneiliste der Berliner Ärztekammer gerichtlich gestoppt, dann legten die Verbraucherverbände eine Empfehlungsliste als Nachfolger vor. Eine dieser Konzeptionen hat womöglich der AOK-Chef Dr. Hans Jürgen Ahrens im Kopf gehabt, als er sagte, es gebe keine Alternative zur Positivliste und Vorhandenes könne aktualisiert werden. Er verknüpfte dies mit der Dreiteilung des Marktes - unter Qualitätsaspekten - in unverzichtbare, unumstrittene und sonstige Arzneimittel. Die Krankenkassen könnten nicht alles, was zugelassen werde, bezahlen, weitere Prüfungen müßten her, Stichwort evidence-based medicine.
Wer denn welche zusätzlichen Qualitätsanforderungen an neue Medikamente erhebe, hat daraufhin Dr. Horst Freisler, der Repräsentant des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (VFA), den AOK-Chef gefragt, der eine Antwort schuldig blieb. Freisler hob hervor, daß bei der Zulassung doch bereits Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit von Präparaten überprüft würden.
Dies wird uns noch intensiv beschäftigen. Auch der VFA, der zwei Drittel des Arzneimarkts vertritt, spricht von der Dreiteilung, meint aber etwas anderes als die Kassen. Er will nach Indikationen staffeln. Nach seinem Modell mit grundsätzlich prozentualer Zuzahlung gäbe es keine Selbstbeteiligung bei Arzneien gegen schwere Krankheiten, dagegen hundertprozentige Zuzahlung bei leichten Erkrankungen. Der VFA setzt darauf, daß die Präparate seiner Mitgliedsfirmen eher in der Kategorie vertreten wären, die die Kasse voll erstattet. Daß sich die Kassen in einem solchen Modell an vielen Arzneimitteln gar nicht mehr beteiligen, hält dagegen der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI), für negativ. Er hat vor Listen immer gewarnt, wenn sie Leistungsausgrenzungen und somit eine Einschränkung der ärztlichen Therapiefreiheit bedeuteten.
Vor negativen Wirkungen der Ausgrenzung aus der Erstattungsfähigkeit auf die Selbstmedikation hat in einem anderen Zusammenhang der Bundesfachverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH), der Teile der Selbstmedikationsbranche vertritt, gewarnt. Er befürchtet, daß das Negativimage von Ausschlüssen auf die Selbstmedikation übergreift. Das hängt mit dem irreführenden Begriff zusammen: Arzneimittel, die auf der Positivliste stehen, sind nicht, wie suggeriert wird, "positiver" oder "besser" als andere. Die "Liste verordnungsfähiger Fertigarzneimittel" wird eben oft als "Positivliste", abgekürzt, was nur heißt, daß die Kassen das Präparat bezahlen. Sollte die Positivliste kommen, bedeutet das, daß es Medikamente geben wird, die nicht darauf stehen, aber nur, weil die Kassen nicht den gesamten Arzneischatz bezahlen können. Das hätte dann aber nichts mit Minderwertigkeit oder "Schrott" zu tun.
Susanne Imhoff-Hasse

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