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Erst im Jahr "2005 plus"?

BAD BRAMSTEDT (tmb). Bis der Arzt seine Rezepte nicht mehr auf Papier ausstellt, sondern auf einer Chipkarte speichert oder per Datenleitung übermittelt, und die Apotheke diese dann auf dem Datenweg weiter an die Rechenzentren leitet, werden noch einige Jahre vergehen. Experten gehen davon aus, daß die Einführung des elektronischen Rezeptes wohl erst im Jahr "2005 plus" möglich sein wird. Auf der Mitgliederversammlung des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein am 7.Oktober 1998 in Bad Bramstedt befaßte sich Hanno Helmker, Geschäftsführer des Norddeutschen Apotheken-Rechenzentrums e.V. (NARZ), Bremen, mit Entwicklungsperspektiven für das elektronische Rezept.


Im Rahmen künftiger Strukturen des Gesundheitswesens sieht Helmker für die Apothekenrechenzentren eine wesentliche Aufgabe in der Handhabung der elektronischen Rezepte. Doch sei hierfür noch beträchtliche Entwicklungsarbeit zu leisten. Großen Aufwand bereiteten insbesondere die Verschlüsselung und der Datenschutz, während die rein technische Seite der Datenübertragung vergleichsweise problemlos sei. Im Gegensatz zu anderen Beteiligten erwartet Helmker die Einführung des elektronischen Rezeptes erst für das Jahr "2005 plus". Nach seiner Einschätzung sei die zurückliegende Entwicklung des Imageprocessing in den Rechenzentren "peanuts" im Vergleich zur Realisierung des elektronischen Rezeptes. Es gehe nicht allein um den Kommunikationsaspekt, d.h. die Übertragung der Verordnungsdaten vom Arzt zur Apotheke, sondern auch um die Einbindung des elektronischen Rezeptes in Systeme zur Arzneimitteldokumentation und -information sowie die Integration in ein Netzwerk zur Auswertung der Daten, das potentiell das gesamte Gesundheitswesen vernetzen kann.
Bei den möglichen technischen Lösungen lassen sich drei Grundtypen unterscheiden, die sehr unterschiedliche Konsequenzen für die künftige Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe haben würden. Dies sind das Serverkonzept, das "Daten-Netz-Konzept" mit einer Smartcard und das Papierrezept mit neuen Balkencodes für die Verordnung.

Serverkonzept nabelt Apotheken ab


Beim Serverkonzept würde der Arzt die Verordnung online in einen zentralen Rechner eingeben, der Patient erhielte die Verordnungsdaten nicht physisch ausgehändigt. Mit Hilfe der Versichertenkarte des Patienten könnte die Apotheke die Verordnungsdaten aus dem zentralen Rechner abrufen. Wie die Erfahrungen mit der elektronischen Verarbeitung von Kreditkarten zeigen, wäre zu Stoßzeiten ein Zusammenbruch des Systems kaum zu vermeiden, sofern nicht enorme Investitionen in Rechnerkapazität und zusätzliche Datenleitungen erfolgen. Insofern sei die Frage nach der Kosten-Nutzen-Relation zu stellen. Der zentrale Server könnte bei den Apothekenrechenzentren installiert werden. Anderenfalls bestünde die Gefahr, daß Krankenkassen oder andere Institutionen die Verordnungen vor dem Abrufen durch die Apotheken lesen oder in irgendeiner Form verarbeiten. Letztlich sei die Apotheke bei dieser Lösung vom direkten Informationsfluß abgenabelt, weshalb die Apothekenrechenzentren dieses Konzept nicht befürworten.

Daten-Netz-Konzept:


A-Card statt Papierrezept
Ganz anders sei dies beim "Daten-Netz-Konzept", bei dem die Verordnung auf der Versichertenkarte des Patienten oder einer anderen Smartcard, z.B. der A-Card, gespeichert würde. Diese brächte der Patient wie ein herkömmliches Rezept in die Apotheke, wo sie elektronisch gelesen werde. Wenn sich auch Daten über frühere Verordnungen auf der Karte befänden, bilde dies eine gute Grundlage für die Beratung in der Apotheke. Die Daten wären in den Apotheken tageweise von den Rechenzentren abzurufen und entsprechend schnell zu bearbeiten. Sie seien somit für Auswertungen etwa genauso schnell verfügbar wie bei der Serverlösung, was in der Diskussion berücksichtigt werden müsse. Beim Daten-Netz-Konzept würden technisch bedingt alle Daten exklusiv bei den Apotheken anfallen, während sich die Apothekerschaft die Zugangs- und Auswertungsrechte beim Serverkonzept erst politisch erkämpfen müsse.

Papierrezept mit Balkencode nur als Zwischenlösung


In dieser Hinsicht mit dem Daten-Netz-Konzept vergleichbar sei das dritte Konzept, das Papierrezept mit Balkencode. Hier werde die Verordnung als neuer Balkencode in der Arztpraxis auf das Rezept aufgebracht und in der Apotheke gelesen. Dies sei in organisatorisch-technischer Hinsicht ein Rückschritt im Vergleich zu den anderen Lösungen, doch biete sich diese Variante als Zwischenlösung für die lange Entwicklungszeit des vollelektronischen Rezeptes an. Das Papierrezept mit Balkencode werde derzeit in Hessen im Rahmen eines Modellversuches getestet, an dem auch das ARZ Darmstadt beteiligt ist.

Entscheidung nicht zu lange hinausschieben


Durch die Handhabung und Auswertung der vielfältigen Daten kämen auf die Rechenzentren neue Aufgaben zu, die ihnen zusammen mit den Apotheken eine wichtige Rolle im Gesundheitswesen sichern könnten. Doch warnte Helmker davor, die Entscheidung über die Gestaltung des elektronischen Rezeptes zu lange aufzuschieben, da sonst mit einer Regelung durch staatliche Behörden zu rechnen sei. Die Vertragspartner im Gesundheitswesen sollten sich daher bald einigen.

Große Furcht vor fremden Eingriffsmöglichkeiten


Im Rahmen der Diskussion wurden weitere Befürchtungen über fremde Einflußmöglichkeiten beim Serverkonzept geäußert, da die Daten hier zu bearbeiten wären, bevor sie die Apotheke erreichen. Neben den Krankenkassen könne auch die pharmazeutische Industrie Interesse an den Daten haben. Sogar therapiebegleitende Eingriffe in die Verordnungen seien denkbar. Programme zur Auswahl preisgünstiger Generika würden die Ansätze zur verantwortlichen Arzneimittelauswahl durch den Apotheker gefährden. Zudem sei zu befürchten, daß die Krankenkassen selbst Abrechnungen über die Lieferungen der Apotheken erstellen. Doch sollten die Apotheken nicht von der kaufmännischen Gepflogenheit abrücken, daß sie als Lieferanten bzw. die von ihnen beauftragten Rechenzentren die Rechnung über die gelieferten Arzneimittel erstellen. Darüber hinaus wurden Bedenken geäußert, das Daten-Netz-Konzept berge nahezu die gleichen Gefahren wie die Serverlösung. Wenn der politische Wille und die technischen Voraussetzungen gegeben seien, könne auch ein solches System später so ergänzt werden, daß es gegen die Apotheker einzusetzen sei. Es bestünde die Gefahr, daß die Apothekerschaft eine Entwicklung vorantreibe, die sich eines Tages gegen sie wende. Um die schwerwiegendsten Gefahren weitgehend auszuschließen, müsse unbedingt jede Online-Komponente aus dem Konzept herausgehalten werden. Nicht nur die Speicherung auf einem zentralen Server sei problematisch, sondern auch alle Online-Verfahren für die Verschlüsselung der Daten, beispielsweise die Absicherung einer elektronischen Unterschrift durch ein externes Trustcenter.

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