Arzneimittel und Therapie

Droht nach langjähriger Glucocorticoid-Inhalation grauer Star?

Die Inhalation inhalativer Glucocorticoide ist ein Bestandteil der modernen Asthmatherapie. Die langfristige Anwendung hoher Dosen führt jedoch möglicherweise zu Nebenwirkungen am Auge: In einer kanadischen Fall- Kontroll-Studie mußten sich Senioren nach mehrjähriger Inhalationstherapie häufiger am grauen Star operieren lassen als Nichtanwender der Gluco- corticoide.


Bei Bronchialasthma werden inhalative Glucocorticoide heute bereits in früheren Stadien und in höheren Dosen verordnet als bislang üblich. Das wirft die Frage auf, ob eine hochdosierte Anwendung langfristig zu systemischen Nebenwirkungen führen kann.
Von systemisch verabreichten Glucocorticoiden ist bekannt, daß sie das Risiko hinterer subkapsulärer Katarakte erhöhen. Unter Katarakt versteht man eine Linsentrübung. Im Volksmund wird sie auch "grauer Star" genannt. In schweren Fällen, in denen das Sehvermögen beeinträchtigt ist, wird die Linse operativ entfernt (sog. Starextraktion).

Kanadische Fall-Kontroll-Studie


In einer australischen Querschnittsstudie war auch für die Inhalation von Glucocorticoiden ein erhöhtes Kataraktrisiko festgestellt worden. Allerdings war die Studie zu klein, um den Einfluß der Tagesdosis und der Anwendungsdauer inhalativer Glucocorticoide aufzudecken. In einer kanadischen Fall-Kontroll-Studie wurde jetzt bei älteren Menschen der Zusammenhang zwischen der Dosis und Dauer einer Anwendung inhalativer Glucocorticoide und dem Risiko, sich einer Starextraktion unterziehen zu müssen, untersucht.
In der kanadischen Provinz Quebec gibt es ein allgemeines Krankenversicherungsprogramm für Senioren ab 65 Jahre. Es erfaßt etwa 97% der älteren Bevölkerung mit allen ambulant verordneten Arzneimitteln und medizinischen Leistungen. Fallpatienten waren alle 3677 Kataraktpatienten ab 70 Jahre, die sich zwischen 1992 und 1994 einer Starextraktion unterzogen hatten und zuvor mindestens fünf Jahre lang im Krankenversicherungsprogramm registriert waren. Den Patienten wurden 21868 Kontrollen, also durchschnittlich 5,9 Kontrollen pro Fall, zugeordnet. Dies waren Personen ab 70 Jahre ohne Kataraktdiagnose, die zur selben Zeit ebenfalls mindestens fünf Jahre lang im Krankenversicherungsprogramm eingetragen waren. Anhand der Datenbanken der Versicherung wurden alle Verordnungen inhalativer und oraler Glucocorticoide vor dem Operationstermin identifiziert. Als inhalative Glucocorticoide wurden Beclometason, Budesonid und in geringerem Maße auch Flunisolid und Triamcinolon verschrieben. Untersucht wurde das relative Risiko für eine Starextraktion bei langfristiger Anwendung inhalativer Glucocorticoide im Vergleich zur Nichtanwendung.

Glucocorticoide erhöhen das Risiko


Die Analyse ergab:

  • Bisher bekannte Risikofaktoren für einen grauen Star wurden bestätigt: Ältere, Frauen, Diabetiker, Glaukompatienten und Anwender von systemischen Glucocorticoiden oder Glucocorticoiden am Auge hatten ein erhöhtes Risiko für eine Starextraktion.
  • Bei Personen, die bis zu drei Jahre lang Glucocorticoide inhaliert hatten, war das Risiko für eine Starextraktion nicht erhöht.
  • Personen, die mehr als drei Jahre lang Glucocorticoide inhaliert hatten, wiesen ein dreifach erhöhtes Risiko auf (relatives Risiko 3,1).
  • Zum Vergleich: Personen, die orale Glucocorticoide einnahmen, hatten bereits nach mehr als einem Jahr ein erhöhtes Risiko. Nach mehr als drei Jahren stieg das Risiko erneut.
  • Personen, die täglich mehr als 1 mg Beclometason und/oder Budesonid (=hohe Tagesdosis) inhaliert hatten, zeigten nach mehr als zwei Jahren bereits ein 3,4fach erhöhtes Risiko.
  • Personen, die täglich weniger als 1 mg Beclometason und/oder Budesonid (=niedrige bis mittlere Tagesdosis) inhaliert hatten, wiesen zu diesem Zeitpunkt nur ein 1,6fach erhöhtes Risiko auf.
  • Für einen Anwendungszeitraum unter zwei Jahren erhöhten weder niedrige bis mittlere noch hohe Tagesdosen Beclometason und/oder Budesonid das Risiko für eine Starextraktion.


Dieser Studie zufolge ist die langfristige, hochdosierte Anwendung inhalativer Glucocorticoide bei Älteren ein Risikofaktor für notwendige Starextraktionen. Schätzungsweise dürfte die Anwendung inhalativer Glucocorticoide über mehr als drei Jahre zu etwa 361 zusätzlichen Starextraktionen pro 10000 älteren Personen führen.
In weiteren Studien muß geklärt werden, ob die längere niedrigdosierte Anwendung das Risiko ebenfalls erhöht. Außerdem sollte das Risiko einzelner inhalativer Glucocorticoide untersucht werden, da sich In-vitro-Untersuchungen zufolge das Verhältnis zwischen topischer und systemischer Aktivität von Substanz zu Substanz stark unterscheidet. Literatur
Garbe, E., et al.: Association of inhaled corticosteroid use with cataract extraction in elderly patients. J. Am. Med. Assoc. 280, 539-543 (1998). Susanne Wasielewski, Münster

Das könnte Sie auch interessieren

Inhalative Therapie bei Kindern regelmäßig anpassen

Glucocorticoid-Nebenwirkungen vermeiden

Langzeitfolgen unter inhalativen Glucocorticoiden

Erst Asthma, dann Osteoporose

Fünf Fragen und fünf Antworten zu Nasensprays

Die Allergie bekämpfen mit Cortison

INTERPHARM online 2021

Cortison/LABA: Now I'm a Reliever

Wie sich inhalative Glucocorticoid-Nebenwirkungen bei Kindern vermeiden lassen

Wachstum verzögert

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.