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Absage an Versandhandel

BAD SODEN (im). Pharmazeuten außerhalb der öffentlichen Apotheke haben dem Versandhandel mit Arzneimitteln eine Absage erteilt. Sie begründen dies vor allem mit der volkswirtschaftlich negativen Bilanz. Durch den Versand seien negative Auswirkungen auf Arzneimittelsicherheit, Verbraucherschutz und die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung zu erwarten, aber keine nennenswerten Einsparungen für die Krankenkassen, so das Fazit in einem aktuellen Positionspapier der Apotheker in Wissenschaft, Industrie, Bundeswehr und Verwaltung (WIV-Apotheker).

Zwei Tore für Versand


Die Interessengemeinschaft hat in ihrer Dokumentation viele Facetten des Problems - wie etwa Internet oder den englischen Kontrazeptiva-Versender Express Medical Services - beleuchtet sowie ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen dargestellt. Die WIV-Apotheker nennen zwei Einfallspforten für den Versandhandel, wie sie von den Befürwortern gesehen werden: zum einen die Distributionsmargen bei hochpreisigen Präparaten, zum anderen die Preisunterschiede in Europa. Relativierend wird festgehalten, daß Deutschland nur in einigen Teilsegmenten als Land mit den höchsten Preisen in Europa gelten kann, vom Gesamtmarkt her jedoch nur im Durchschnittsbereich liegt. Die seit Juli dieses Jahres geltende Änderung der Arzneimittelpreisverordnung wird als ein Schritt in die richtige Richtung bezeichnet, da sie die Distributionskosten für hochpreisige Medikamente deutlich senkte. Allerdings könnten die Vertriebsmargen durch den sich verschärfenden Kostendruck im Gesundheitswesen und die zunehmende Zahl höherpreisiger Arzneimittel wieder aktuell werden, vermutet die Fachgruppe.
Bei den unterschiedlichen Preisen in Europa hebt sie hervor, daß diese nicht das Ergebnis von Wettbewerb in freien Märkten sind, sondern die Folge staatlicher Preisreglementierung vor allem in Ländern mit schwacher Wirtschaftskraft und weicher Währung. Die Prognose: Mit der Einführung des Euro im kommenden Jahr werden nationale Preisunterschiede noch deutlicher sichtbar werden. Die höhere Markttransparenz werde zu größerem Wettbewerb und bei den Preisen zu einer Konvergenz nach unten führen. Mittelfristig werde dadurch der Anreiz für Versandhandel geringer.

Drohgebärde der Kassen


Die Krankenkassen benutzen den Versandhandel als Drohgebärde gegenüber den Pharmazeuten, um die eigene Verhandlungsposition zu stärken, konstatieren die WIV-Apotheker und weisen auf die Folgen eines fallenden Versandverbots hin. Dürften Anbieter aus den EU-Ländern nach Deutschland liefern, müßten die Krankenkassen nach den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs von April 1998 auch im Ausland bezogene Arzneimittel erstatten. Damit gerate jedoch das ausgeklügelte hier geltende System der Mengen- und Preissteuerung unter Druck.
Die Kollegen in den Apotheken warnt diese Fachgruppe vor einer selbstverschuldeten Aufweichung ihrer Argumentation. "Man kann nicht einerseits gegen den Versandhandel wettern, andererseits aber mit Botendiensten und Impfstoffversand werben", heißt es in der Dokumentation der WIV-Apotheker.

Was tut der Großhandel?


Dem pharmazeutischen Großhandel wird zugeschrieben, er habe sich bisher für den Vertriebsweg Apotheke eingesetzt und das Verbot des Versandhandels auf europäischer Ebene gefordert. Bezweifelt wird, ob dies auf Dauer so bleiben werde. Aufgrund seiner Logistik wäre der Großhandel zur direkten Patientenbelieferung in der Lage. Bisher habe kein Großhändler einen solchen Versuch gestartet, da er in dem Fall den Verlust seiner Apothekenkunden an die Mitbewerber fürchten müsse. Der versuchte Einstieg in die Stationsbelieferung in Krankenhäusern zeige jedoch, daß der Großhandel womöglich nicht in jedem Fall an den derzeitigen Strukturen festhalten wolle, meinen die WIV-Apotheker. Sie gehen darüber hinaus kurz auf die Sicht der Ärzte sowie ausführlich auf die der Arzneimittelhersteller ein. Werde die Herstellerneutralität bei Großhändlern und Apotheken aufgegeben, gewinne der Vertrieb strategische Bedeutung. Kritisch werde in der Industrie die Aufhebung des Substitutionsverbots bei wirkstoffgleichen Präparaten und die gleichzeitige Zulassung von Versand- und Kettenapotheken gesehen. Bei dieser Konstellation bestehe das Risiko der Wettbewerbsverzerrung als Folge der möglichen Steuerung bei der Präparateauswahl. Vertikal integrierte Unternehmen könnten die eigenen Marken begünstigen - zu Lasten der Originalprodukte. Daher lehne die Pharmaindustrie die Arzneimittelauswahl durch Apotheker ab. Sollte das Substitutionsverbot fallen und Versand- oder Kettenapotheken erlaubt werden, würden die Hersteller das Betreiben solcher Einrichtungen einfordern.
In ihrem Papier heben die WIV-Apotheker nachdrücklich die Bedeutung des Patienten und Verbrauchers und seiner Wünsche hervor. Wenn der Patient den Versandhandel fordere, hätte dies Auswirkungen auf die Politik, die derzeit den Versand aus Gründen der Arzneimittelsicherheit und des Verbraucherschutzes nicht zulassen will.
Die Dokumentation ist bei Dr. Reinhard Hoferichter, Hoechst Marion Roussel Deutschland, Königsteiner Straße 10, 65812 Bad Soden (Fax: 0 69/30 51 51 34) oder bei Dr. Ursula Vierkotten, Merck KGaA, 64271 Darmstadt (Fax: 0 61 51/72 68 03) erhältlich.l

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