Technologie

Pestapepe

In fernöstlichen Apotheken findet sich neben Mörsern und Reibschalen ein weiteres Zerkleinerungsgerät, das "Drogenschiff", das der Praxis der westlichen Pharmazie unbekannt ist. Hätte dieses Drogenschiff auch im Abendland erfunden werden können? Warum wurde es nicht von Orientreisenden hier eingeführt? Der Versuch, auf diese Fragen eine Antwort zu finden, führt zu Mörsern, Mühlen und anderen Zerkleinerungsgeräten, die früher bei der Herstellung von Arzneimitteln und Lebensmitteln verwendet wurden.

Von Mörsern, Mühlen und dem fernöstlichen Drogenschiff

Von Hansjörg Hahn, Hofheim am Taunus*

Persönliche Vorbemerkungen Korea

Kochertal


Ich sah den Stein und konnte nur noch denken: Das Drogenschiff im Kochertal - wie kommt es nur hierher?

Keine Systematik?


Eine vergleichsweise umfangreiche, aber dennoch nur rudimentäre "Einteilung der Zerkleinerungsmaschinen" stammt von Pahl [27], der nach den folgenden Kriterien gliedert:

  • Partikelgröße des zerkleinerten Produkts (Grob- bzw. Feinzerkleinerung),
  • stoffliche Widerstandsfähigkeit
  • Trägermittel (z.B. Trocken- oder Naßmahlung),
  • Kühlmitteleinsatz,
  • Krafteinleitung/Beanspruchung (Druck, Schlag, Prall, Scherung, Schnitt),
  • Bewegung der Zerkleinerungswerkzeuge (zwangsgeführt, frei, autogene Zerkleinerung durch das Mahlgut selbst),
  • Produktführung (bei aufeinanderfolgendem Einsatz von Zerkleinerungs- und Klassierapparaten).

Entstand so der Mörser?


Vereinzelt ist der Gedanke, den Ort der Krafteinwirkung einzuschließen, konsequent weiterverfolgt worden zu einem Mörser, der sich oben nicht trichterförmig öffnet, sondern verengt: Dafür gibt es Beispiele aus West und Ost Es ist bemerkenswert, dass diese doch sicherlich zweckmäßige Form nicht häufiger verwendet wurde.
Der Mörser ist nicht nur eines der ältesten, sondern auch eines der am vielseitigsten anwendbaren Geräte zum Zerkleinern: Man kann mit ihm stoßen, drücken, reiben und sogar wälzen (wenn man das Pistill hin- und herwiegt). Sofern eine der Arbeitsweisen überwiegt, wird das Gerät entsprechend angepasst (z.B. Pillenmörser, s.u.).
Eine beachtenswerte Variante des Pistills zeigt der "Gläckstampf", der in den 20er Jahren im Lötschental (Kanton Wallis) noch vor jedem Bauernhaus gestanden haben soll; mit ihm wurden Kräuter und Salz, Mais oder Kleie für das Vieh gestampft. Eine völlig gleichartige Einrichtung wurde in Japan im 19. Jahrhundert zur Teigbereitung verwendet, wie ein Holzschnitt von Hokusai zeigt [22].

Arbeitserleichterungen


Schon früh hat man die Arbeit des Stößers durch den sogenannten "Faulenzer" [11] erleichtert. Bereits 1411 wird ein solcher bei der Herstellung von Schießpulver abgebildet.
Der Apotheker Carl Friedrich Mohr [23] beschreibt und erläutert dessen Wirkungsweise wie folgt: "Da das Heben der Keule viel mühseliger ist, als das Herunterziehen derselben, so hat man immer einen elastischen Körper angewendet, der beim Herunterziehen derselben gebeugt wird und durch sein Geradestrecken die Keule wieder in die Höhe zieht. Meistens bedient man sich dazu eines Fichtenstämmchens, welches an der Decke befestigt ist."
Mit dem Wörtchen "immer" deutet Mohr darauf hin, dass er eine damals (1847) altbekannte Vorrichtung beschreibt; trotzdem hält er eine Abbildung für nötig und gibt auch Ratschläge zur dauerhaften Befestigung des Stämmchens an der Decke der Stoßkammer.
In manchen Gewerben hatte man sehr große Mengen zu zerkleinern, etwa im Bergbau; um diese Arbeit zu erleichtern, hat man den Mörser mechanisiert und multipliziert zu Pochwerken, wie sie z.B. Georg Agricola, Verfasser eines Standardwerkes über Bergbau und Hüttenkunde, im 16. Jahrhundert abbildet [2].

Stoßen und Singen im Takt


Per Veleni per Flati e mile mali
La Triaca ghą el primo in sti Canali.
(Für Vergiftungen, Blähungen und
tausend Leiden
Hat der Theriak hier den ersten Rang zu bekleiden.) [33]
Die Herstellung erfolgte in der Öffentlichkeit, um Verfälschungen zu verhindern. Das wichtigste Ingredienz waren Vipern, die von Ende April bis August gefangen und frisch verwendet wurden [33].
Sicher nur selten hatte der Stößer einen so angenehmen Arbeitsplatz wie die "faccini" auf den Plätzen Venedigs. Gewöhnlich war er in der meist kleinen Stoßkammer eingesperrt und hat seinen Mörser sicher so nah wie möglich ans Fenster - wenn es überhaupt eines gab - gestellt, um bei seiner staubigen Arbeit frische Luft zu bekommen.

Nussknacker und Drogenschneider


Zerkleinerungsgeräte aus Alltag und Technik, die ganz überwiegend mit Druck arbeiten, sind der Nussknacker und die nach dem gleichen Prinzip arbeitenden Backenbrecher, z.B. in der Schotterherstellung.
Analoge schneidende Werkzeuge sind Messer, sofern mit ihnen drückend (nicht ziehend) gearbeitet wird, Scheren und Kneifzangen. Auch das (meist dreiklingige) Wiegemesser und die Drogenschneidelade gehören hierher.

Reiben statt Schlagen


Es ist nicht bekannt, wie zu Zeiten der Odyssee das Mehl zubereitet wurde; jedenfalls war seine Herstellung so zeitaufwendig, dass im Hause des Odysseus zwölf Frauen ausschließlich damit beschäftigt waren: Bei seiner Heimkehr
"...hört er ein mahlendes Weib, das glückliche Worte
Redete nahe bei ihm, wo die Mühlen des Königs standen.
Täglich waren allhier zwölf Müllerinnen beschäftigt,
Weizen- und Gerstenmehl, das Mark der Männer, zu mahlen.
Aber die übrigen schliefen, nachdem sie den Weizen zermalmet;
Sie nur feirte noch nicht, denn sie war von Allen die schwächste.
Stehen ließ sie die Mühl, und sprach die prophetischen Worte:
,Vater Zeus, der Götter und sterblichen Menschen Beherrscher...
Laß die stolzen Freier zum letzten Mal heute, zum letzten!
Ihren üppigen Schmaus in Odysseus Hause genießen,
Welche mir alle Kraft durch die seelenkränkende Arbeit,
Mehl zu bereiten, geraubt!..." [15]

Rundlaufende Mühlen


Die nächste Verbesserung erfolgte in Rom, im 2.Jahrhundert v.Chr., und führte zur Rotationsmühle, bei der sich der Läuferstein gleichsinnig im Kreise dreht. Die Römer kannten davon zwei Typen. Der eine Typ hatte scheibenförmige Steine mit Durchmessern von etwa 35 bis 80cm; man findet ihn z.B. auch in Ostasien. Der andere Typ bestand aus einem kegelförmigen Bodenstein ("meta") und einem Läuferstein ("catillus"), der die Form von zwei miteinander verbundenen Hohlkegeln besaß; der obere Kegel diente als Trichter zum Einfüllen des Getreides. Diese Mühlen wurden mit Hilfe einer hölzernen Querstange von Sklaven, Tieren (Esel, Pferd) und gegen Ende der Kaiserzeit auch mit Wasserkraft angetrieben [8].
Aus der handbetriebenen Mühle mit flachen Steinen hat sich die mechanisch über eine Welle angetriebene Steinmühle entwickelt, der sogenannte Mahlgang, der bis zum letzten Jahrhundert das gesamte Getreidemehl lieferte. Aus Max und Moritz ist er auch heutigen Kindern nicht völlig unbekannt. Welch technische Leistung, einen Stein von bis zu 50cm Stärke, 140cm Durchmesser und 2Tonnen Gewicht millimetergenau rotieren zu lassen! In Boden- und Läuferstein wurden mit Werkzeugen aus besonders hartem Stahl ("Mühlenstahl") Luftfurchen eingehauen, die das Mehl nach außen leiten. Von Zeit zu Zeit musste dieses "Schärfen" der Steine wiederholt werden.
Viele verschiedene Mühlentypen arbeiten nach dem Prinzip "einer steht, einer geht", etwa Großmutters Kaffeemühle (mit einem kegelförmigen Rotor). Sie war als "Secalemühle" früher in jeder Apotheke vorhanden, da Secale cornutum nicht in gepulvertem Zustand vorrätig gehalten werden durfte [3].
Flache scheibenförmige Mahlwerkzeuge hat die Scheibenmühle. Bei der Stiftmühle sind die Scheiben mit Stiften besetzt. Letztlich arbeitet auch der - oft zum Emulgieren verwendete - Ultra-Turrax(r) nach demselben Prinzip: Sein "Rotor" dreht sich allerdings nicht auf, sondern in dem "Stator".

Kleinmühlen


Ebenfalls im Kleinmaßstab arbeiten zwei Mahlwerke, die der Mönch Theophilus Presbyter (um 1100), Verfasser des einflußreichen technischen Handbuches "Schedula diversarum artium" [4], zur Herstellung von Metallpulver z.B. für die Buchmalerei beschrieb.
In Korea werden heute noch zweiteilige Handmühlen verwendet, die mit ihren Furchen an eine Miniaturausgabe scheibenförmiger Mühlsteine erinnern; allerdings fehlt ihnen - wie auch den anderen Kleinmühlen - die zentrale Öffnung zur Aufgabe des Mahlgutes.

Die Reibschale


In England werden noch heute Rezeptur-Salben traditionsgemäß nicht mit Reibschale und Pistill, sondern mit einem Spatel auf einer rauhen Glasplatte zubereitet. Eine angerauhte Glasplatte mit einem Glasläufer ist auch das traditionelle Werkzeug der Kunstmaler zum Anreiben der Farbpigmente mit den Bindemitteln.
Dass das von Mohr erwähnte "feste Porzellan" zu seiner Zeit noch nicht überall verbreitet war, wurde Fontane zum Verhängnis, der anschaulich schildert, wie ihm als Apothekerstift eine große und wertvolle Reibschale aus (unglasiertem) Biskuit-Porzellan zerbrach.
Aus Hartporzellan wurden zwar schon im 18. Jh. (z.B. von den Manufakturen Meißen und Berlin) Mörser, Reibschalen und andere Laborgeräte hergestellt [25], es hat sich aber offenbar nur langsam durchgesetzt.
In koreanischen Apotheken finden sich ebenfalls häufig Reibschalen, die "unserem" Typ völlig entsprechen.

Namensverwirrung


Der Stoßmörser (höher als breit) wurde von den Römern "pila" genannt; die Mörserkeule hieß "pilum"; dies war jedoch auch die Bezeichnung einer hölzernen, dann auch eisernen Waffe in der Form einer etwa 0,8 bis 1,7m langen Mörserkeule, allerdings mit zugespitzten Enden [5].
Diese Unbestimmtheit wirkte im Pillenmörser fort, der - wenn auch meist aus Eisen - nach Art der mit seinem Pistill ausgeführten Bewegung eigentlich eine Reibschale war, auch wenn die damit verrichtete Tätigkeit als das "Anstoßen" der Pillenmasse bezeichnet wurde.
Bei den uns überkommenen Objekten ist diese Unsicherheit allerdings nicht so schwerwiegend, da aus den jeweiligen Proportionen (eng und hoch bzw. nieder und weit) unschwer auf die vorwiegende Arbeitsweise (mehr stoßend oder mehr reibend) geschlossen werden kann.

Arbeitshilfen für Reibschalen


Die beiden Arbeitserleichterungen hinsichtlich Bewegung und Druck vereinigt in sich die Mörsermühle; sie ist eigentlich nichts anderes als eine Reibschale mit mechanisiertem Pistill.

Schokolade "reiben"


Aus ähnlich arbeitenden Reibemaschinen entwickelte um diese Zeit Rodolphe Lindt die "Conche" (aus griech. Muschel): In einem länglichen gusseisernen Trog mit einer Bodenplatte aus Porphyr wird eine Porphyr-Walze hin- und herbewegt; dieses "Conchieren" wurde bis zu 72 Stunden lang vorgenommen. Damit wurde eine vorher nicht erreichte Partikelfeinheit und insgesamt eine große Qualitätsverbesserung erreicht [21] und der Ruhm der Schweizer Schokolade begründet.
Heute werden Weiterentwicklungen (z.B. Rund- oder Rotorconchen) verwendet, die bei geringerem Platzbedarf eine wesentlich höhere Kapazität besitzen [21].

Kollergänge


Nach Plinius (zitiert nach: [1]) zerquetschten schon die Römer Oliven in einer Art Kollergang vor dem Auspressen des Öls, und auch heute noch kann man in den Mittelmeerländern manchen, bis vor kurzem dafür benutzten alten Kollergang sehen. Auch für anderes, zum Schmieren neigendes Material (z.B. in der Keramik- und der Papierindustrie) sowie auch bei der Herstellung von Farben und von Schießpulver wurden Kollergänge früher häufig verwendet.

Alle gehen

  • ,Hin und her schwingt die Schwingmühle, ein Gefäß, in dem sich Kugeln befinden, die das eingefüllte Mahlgut zerkleinern.
  • ,Rundum, um seine Längsachse, dreht sich das zylindrische Gefäß der Kugelmühle, das ebenfalls mit Kugeln und Mahlgut befüllt wird. Bei langsamer Rotation überwiegen die Reibungskräfte; wird schneller rotiert oder sind im Gefäß Leisten ("Hubleisten") angebracht, so wirken zusätzlich - durch fallende Kugeln - auch Schlag und Stoß. Eine Füllung muß oft viele Stunden rotiert werden, um den erwünschten Feinheitsgrad zu erreichen. Mohr beschreibt eine solche "Pulverisiermaschine aus starkem Eisenblech mit eisernen Kugeln"; er erwähnt als ein Problem den oft hohen Abrieb, der zur Verunreinigung des Mahlguts führen kann. Auch sonst rät er von ihr ab: Sie gestatte zwar ohne "Remanenz" (also ohne gröberen Rückstand) zu arbeiten, sei aber laut, schwer zu reinigen und ziemlich kostspielig [23].


Eine kleine Hand-Kugelmühle, die allerdings nicht zum Zerkleinern benutzt wurde, ist die Pulvermischdose nach Apotheker Jakob Wolsiffer: eine Metalldose mit dichtschließendem Deckel und meist drei Kugeln. Sie wurde in der Rezeptur zum schnellen und staubarmen Mischen, vor allem von Pulvern ohne starkwirkende Arzneistoffe, verwendet. Dazu wurde die mit den Rezepturbestandteilen und den Kugeln befüllte und verschlossene Dose mit der Hand so bewegt, dass die Kugeln rollten.

Alle werden angetrieben


Das wichtigste nach diesem Prinzip arbeitende Gerät ist der Walzenstuhl, mit dem heute ganz überwiegend Getreide zu Mehl gemahlen wird. Die Walzen sind geriffelt oder auch glatt und laufen gegeneinander. Erste Mühlen nach diesem Prinzip gab es bereits seit dem 16. Jahrhundert, sie hatten aber keine größere Bedeutung erreicht. Dies änderte sich, als 1832 der Zürcher Ingenieur Sulzberger mit der unterschiedlichen Geschwindigkeit der Walzen die entscheidende Verbesserung fand [24].
In einer modernen Mühle passiert das Mahlgut eine Vielzahl solcher Walzenstühle, wobei stufenweise zerkleinert wird. Dazwischen wird gesiebt, um Schalen, Kleie und Keimling abzutrennen. Diese Stofftrennung wird durch das bei der Zerkleinerung unterschiedliche Verhalten der Bestandteile möglich; das so erhaltene "Auszugsmehl" ist lagerfähig. Wird der Keimling nicht abgetrennt, entsteht Vollkornmehl, das - wegen des in ihm enthaltenen Keimöls - nur begrenzt aufbewahrt werden kann.
Die analoge Ausführung fürs Grobe ist der Walzenbrecher. Eine pharmazeutisch wichtige Anwendung dieses Prinzips ist die Dreiwalzen-Salbenmühle.

Alles steht?


Eine pharmazeutisch wichtige Anwendung dieser Luftstrahlmühlen ist die Feinmahlung ("Mikronisierung") von Wirkstoffen zur Verbesserung ihrer Bioverfügbarkeit.
Diesen Mühlen analog ist das Schneiden mit Hilfe eines Wasserstrahls von sehr hohem Druck (z.B. von Leder, Beton und Stahl) oder mit Hilfe eines Laserstrahls.

Das Drogenschiff


Der chinesische Name lautet Nian-cao oder Nian-chuan; letzteres bedeutet etwa "Walz-Schiff" und spielt damit auf einen üblichen Vorgang zur Zerkleinerung von Drogen an, das ist das Ziehen einer steinernen Walze über einen ebenen Grund, auf dem getrocknete Substanzen ausgelegt sind [36]. Das Drogenschiff könnte also entstanden sein, indem die Reibefläche an den Rändern hochgebogen wurde - ähnlich wie bei der mutmaßlichen Erfindung des Mörsers -, während die Walze einen spindelförmigen Querschnitt erhielt.
Man nimmt an, dass Koreaner und Japaner das Drogenschiff von China übernommen haben [17]; in Korea heißt es "Yak-yôn", in Japan "ya-gen", wobei die ursprüngliche Schreibweise mit chinesischen Schriftzeichen in Korea und Japan gleich war (Bedeutung etwa "Arznei-Mahlstein") [7].
Das Drogenschiff "ist wohl erstmals in der Tang-Zeit, im 7., 8.Jahrhundert in der chinesischen Literatur erwähnt; es wurde zuerst zur Zerkleinerung von Teeblättern verwendet. Erst in den späteren Jahrhunderten wurde es auch für pharmazeutische Zwecke eingesetzt." [36] In Korea gibt es hauptsächlich zwei Größen, mit einer Länge von etwa 40cm bzw. 74cm [17]. Manchmal sind die Innenflächen des Unterteils quer geriffelt, wodurch ein Wegrutschen gröberer Teilchen verhindert werden soll.

Vorteile - Nachteile


Das Drogenschiff braucht nur eine verhältnismäßig geringe Masse, weil darin nicht gestoßen, sondern gedrückt wird. Es ist deshalb auch leicht zu transportieren.
Die Belastung des Mahlrads kann, ergonomisch günstig, mit dem ganzen Oberkörper oder auch im Sitzen mit den Füßen erfolgen; so kann großer Druck bei nur geringer Ermüdung angewandt werden. Die Arbeit damit ist erschütterungsarm und lärmfrei. Dagegen war bei uns der von den Stößern erzeugte Lärm öfters Ursache von Beschwerden der Anwohner [30].
Natürlich gibt es Stoffe, für deren Zerkleinerung sich das Drogenschiff weniger eignet, etwa harte Mineralien [11]. Aber trotz des im Vergleich zum Mörser geringen Kraftaufwandes ist der Druck im "Kiel" beträchtlich, da die sich berührenden Flächen klein sind.
Durch eine geringfügige Verbesserung könnten der Wirkungsgrad und das ohnehin einfache Entleeren des Drogenschiffes weiter verbessert werden: Würden im Unterteil Löcher oder Schlitze angebracht, so könnte das genügend zerkleinerte Material das "Schiff" verlassen; die Mahlung wäre also mit einer Zwangssiebung verbunden. Diese Möglichkeit wurde aber wohl nicht realisiert [17, 36].

Das Rätsel der Nicht-Verwendung


Porzellan, Tee und Seide wurden von China nach Europa transportiert, trotz der damit verbundenen außerordentlichen Schwierigkeiten. Dagegen hätte man die Drogenschiffe nicht importieren müssen; es hätte genügt, ihre Zweckmäßigkeit zu erkennen und in Europa bekannt zu machen und sie hier herzustellen.
Auch kann das Grundprinzip des Drogenschiffs dem europäischen Denken allzu fern nicht sein.

Europäische "Verwandte"


Besonders hinzuweisen ist noch auf die Form des Lagers, mit der eine Bewegung zwischen Stein und Holz, die mit hoher Reibung und hohem Verschleiss verbunden wäre, vermieden wird. Dieselbe Vorrichtung (mit steinernem Trog) steht - ohne Erläuterung und funktionswidrig montiert - im Heidelberger Schloss, am Eingang zum großen Fass. Sehr ähnlich ist "ein einfacher Kollergang mit einem pferdegetriebenen Läuferstein" aus Sternenfels, ca. 40 km südlich von Heidelberg. Damit wurde früher Sandstein zu einem abrasiven Feg- und Streusand zermahlen, mit dem hölzerne Bretterböden gleich nach dem Auskehren bestreut wurden, um ihre nächste Reinigung zu erleichtern [20]. Die Schicht des Keupers, aus der dieser "Stubensand" hergestellt wurde, heißt deshalb "Stubensandstein".
Und auch Mohr [23] belegt, dass das Grundprinzip des Drogenschiffs hierzulande nicht unbekannt war. Er zählte die vielen Nachteile des dreiklingigen Wiegemessers zum Zerkleinern von Drogen auf, u.a.

  • "fordert es eine sehr große Kraftäußerung, weil die Anwendung der Kraft so unbequem ist";
  • "kann man sich mit der Last des Körpers nicht über das Messer hinbeugen, weil man mit dem gebogenen Ellenbogengelenke die schaukelnde Bewegung nicht ausführen kann".


Dann fährt er fort: "Um diese Übelstände zu vermeiden, habe ich das Rollmesser construiert und mit Erfolg ausgeführt." Er betont, dass die Arbeit mit ihm sehr erleichtert werde. Dennoch scheint sich sein Rollmesser in der Apotheke nicht weit verbreitet zu haben; lediglich in einer "Einhandausführung" wird es für Küchenkräuter heute gelegentlich verwendet.

Fragen zum Schluss


Damit ist aber um so mehr verwunderlich, dass dieses Gerät, das in fernöstlichen Apotheken neben Reibschale und Mörser so häufig angetroffen wird, hier praktisch unbekannt blieb. Und dies, obwohl seine oben geschilderten Vorzüge, zumindest für manche Arbeiten, leicht einzusehen sind.
Mörser und Pistill haben auch Symbolcharakter. In Europa finden sich Hinweise darauf seit dem Altertum, und zwar in Verbindung mit Jagd und Kampf, mit erotischen Szenen und mit dem Totenkult [5].
Ist es denkbar, dass wir Europäer aus uns nicht bewussten, emotionalen Gründen das Drogenschiff ablehnen und ihm "unseren" Mörser vorziehen?
Oder - um auf die Mühsal des Stößers zurückzukommen:
Hat es Pestapepe etwa Spaß gemacht? Literatur und Anmerkungen [1]Acker, L. (Hrsg.): Handbuch der Lebensmittelchemie, Bd. IV. Springer-Verlag, Berlin usw. 1969. [2]Agricola, G.: Vom Bergkwerck XII Bücher. Basel 1557 (= erste deutsche Ausgabe von: De re metallica libri XII. Basel 1556). Nachdruck: Verlag Chemie, Weinheim/Leipzig 1985. [3]Arzneibuch für das Deutsche Reich 5. Ausgabe (DAB 5). R. v. Deckers Verlag, Berlin 1910. [4]Brepohl, E.: Theophilus Presbyter und die mittelalterliche Goldschmiedekunst. Edition Leipzig, Leipzig 1987. [5]Buchholz, H.-G.: Mörsersymbolik. Acta Praehistorica et Archaeologica 7/8, 249 (1976/77). - Diese Arbeit einhält viele Hinweise und Literaturstellen. [6]Busch, W.: Max und Moritz. Die Erstausgabe erschien 1865. [7]Caesar, W., Stuttgart: persönliche Mitteilung. Vgl. auch ders.: Pharmaziegeschichte Japans vom Altertum bis zum 19. Jahrhundert. Dtsch. Apoth. Ztg. 133, 2973-2980 (1993). [8]Eggebrecht, A., et al.: Geschichte der Arbeit. Vom Alten Ägypten bis zur Gegenwart. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1980. [9]Franke, O. (Hrsg.): Kźng Tschi Tu. Ackerbau und Seidengewinnung in China. Ein kaiserliches Lehr- und Mahn-Buch. L. Friedrichsen & Co., Hamburg 1913. [10%

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