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Wirkung von Brennesselwurzelextrakten und Roggenpollenextrakten bei BPH

Auf den Jahrestagungen der Gesellschaft für Arzneipflanzenforschung (GA) findet jeweils ein Workshop der ständigen Arbeitsgruppe "Pharmakologie der Arzneipflanzen" statt. So befaßte sich der Workshop auf der letzten GA-Jahres- tagung am 4.September 1998 in Wien mit dem Thema "Phytopräparate zur Behandlung der benignen Prostatahyperplasie (BPH)". Dabei ging es sowohl um die Testverfahren als auch um die Ergebnisse, die mit ihrer Hilfe gewonnen wurden. Zwei Wissenschaftler der Universität Marburg, Dr. J.J. Lichius und Dr.L. Konrad, stellten ein von ihnen etabliertes und langjährig angewandtes Prüfverfahren vor. Sie belegten damit eine therapeutische Wirkung von Brennnesselwurzel- und von Roggenpollenextrakten bei BPH.

Häufigkeit der BPH


Männer im Alter von über 70 Jahren weisen zu 43% eine Vergrößerung der Prostata auf, die entweder von einer benignen Prostatahyperplasie (BPH) oder einem Prostatakarzinom herrührt. Trotz der hohen klinischen Bedeutung der BPH ist die Pathogenese bis heute nur unzureichend geklärt. Allgemein wird davon ausgegangen, daß zuerst die stromalen Anteile der Prostata proliferieren, was dann in einem zweiten Schritt zur Proliferation der epithelialen Komponenten führt. In einer Reihe von Hypothesen wird den Steroiden und zunehmend den Wachstumsfaktoren eine wesentliche Rolle bei der Entstehung der BPH eingeräumt. Fortgeschrittene Stadien der BPH werden gewöhnlich durch eine transurethrale Resektion therapiert. In Deutschland werden frühe Stadien häufig mit pflanzlichen Arzneimitteln behandelt, während in einigen anderen Ländern hier ein sogenanntes "waitful watching" der BPH vorgezogen wird.

Brennesselwurzelextrakte bei BPH im Mausmodell...


Zur Behandlung der BPH werden u.a. ethanolische, methanolische und wäßrige Brennesselwurzelextrakte (Urtica dioica L., Urticaceae) eingesetzt.
In einer ersten Versuchsserie sollte abgeklärt werden, welcher Extrakt in einem In-vivo-Modell die beste Wirkung aufwies. In einem zweiten Experiment sollte dann die aktivste Probe im In-vitro-Modell genauer betrachtet werden.
Ein Problem bei der Beurteilung von Arzneimitteln zur Behandlung der BPH ist, daß die Krankheit nur bei wenigen Spezies auftritt (Hund, Löwe, Affe, Mensch). Von Chung ist ein neues Mausmodell entwickelt worden, das wir zum Testen der verschiedenen Extrakte der Brennesselwurzel nutzten.
Von McNeal wurde nach intensiven morphologischen Studien die Hypothese aufgestellt, daß der pathologische Prozeß der BPH auf ein Wiedererwachen des juvenilen Wachstums zurückzuführen ist. Entsprechend dieser Hypothese verliert differenziertes Stromagewebe seine Determination, kehrt in sein juveniles Stadium zurück und veranlaßt die ganze Prostata zu wachsen.
Das Modell von Chung beruht auf diesem "Wiedererwachen des juvenilen Wachstums". Hierzu werden von einer trächtigen Balb/c-Maus Föten mit einem definierten Alter entnommen und das urogenitale Sinusgewebe (UGS) isoliert. Eines dieser Gewebestücke wird dann in die Prostata einer geschlechtsreifen Balb/c-Maus implantiert. Nach 28 Tagen ist der implantierte Prostatalappen um das 3- bis 4fache gewachsen. Über einen Zeitraum von vier Wochen erhalten die Mäuse dann über eine Schlundsonde täglich eine Dosis Extrakt-, Kontroll- oder Vergleichslösung, je nach Versuchsserie. Untersucht wurden standardisierte Brennesselwurzelextrakte (Tab.1).
An dem Versuchsergebnis fällt auf, daß mit zunehmender Polarität des Extraktionsmittels die Hemmung des Wachstums zunimmt. Beachtenswert ist die Hemmung durch den wäßrigen Extrakt, der die ersten Beobachtungen einer Hemmwirkung der BPH durch Tees von Brennesselwurzeln bestätigt.
Die morphometrische Analyse von Schnitten der Prostaten ergab, daß es sich bei dem induzierten Wachstum hauptsächlich um eine epitheliale Hyperplasie handelte. Die deutlich verminderte Proliferation der epithelialen Kompartimente nach Behandlung mit einem 20%igen methanolischen Extrakt konnte durch die morphometrische Auswertung klar belegt werden.

...und in menschlichen Zellkulturen


Ausgehend von diesen Untersuchungen und den Befunden, daß ein 20%iger methanolischer Extrakt aus Brennesselwurzeln vorwiegend das epitheliale Wachstum der induzierten BPH bei Mäusen hemmte, sollte in einem weiteren Versuchsansatz die Wirksamkeit in einem Zellkulturmodell
von menschlichen Zellen der Prostata untersucht werden.
Wir haben nach einer transurethralen Resektion eines BPH-Patienten aus diesem Gewebe stabile stromale Zellen isoliert und charakterisiert. Diese hPCPs-Zellen (human primary culture of the prostate stromal compartment) zeigen während der Passagierung in der Zellkultur einen relativ stabilen Karyotyp; damit sind dies weltweit die ersten stromalen Zellen aus der menschlichen Prostata, die über einen langen Versuchszeitraum für In-vitro-Studien benutzt werden können. Die Charakterisierung mit typischen stromalen Markern wie z.B. Vimentin, Desmin (Proteine der Intermediärfilamente, die bevorzugt von mesenchymalen Zellen exprimiert werden), Keratinocyte Growth Factor (KGF), alpha-smooth muscle actin und einem Fibroblasten-spezifischen Antikörper verlief positiv. Dementsprechend waren die Nachweise für epitheliale Marker wie z.B. PSA (Prostata-spezifisches Antigen) und PSM (Prostata-spezifisches Membranantigen), Cytokeratine u.a. negativ. Durch diese Versuche und mit der funktionellen Charakterisierung der Zellen in einem bFGF-Proliferationstest war sichergestellt, daß die hPCPs eindeutig saubere und stimulierbare stromale Zellen aus der menschlichen Prostata darstellen.
Stellvertretend für das epitheliale Kompartiment der menschlichen Prostata wurde die Tumorzellinie LNCaP (lymph node carcinoma of the human prostate) verwendet. Diese Zellinie ist zwar immortal und weicht deshalb in ihrer Charakteristik von frisch isolierten epithelialen Zellen etwas ab, hat allerdings den Vorteil, daß sie trotz eines mutierten Androgen-Rezeptors noch mit Androgenen stimulierbar ist, im Gegensatz zu fast allen primären epithelialen Zellen. Die Verwendung von stromalen und epithelialen Zellen aus der menschlichen Prostata beruht auf dem Konzept der "funktionellen Einheit der Prostata". Dieses Konzept wurde anhand von morphologischen und funktionellen Untersuchungen formuliert und unterstreicht die Interaktion der stromalen und epithelialen Anteile der Prostata.
Die epithelialen und die stromalen Zellen, LNCaP und hPCPs, wurden mit einem standardisierten 20%igen methanolischen Extrakt (ME-20) aus Brennesselwurzeln (Urtica dioica L.) behandelt. ME-20 ist ähnlich dem Präparat Bazoton"( (Fa. Kanoldt) und ist definiert durch die folgenden Inhaltsstoffe: b-Sitosterol (0,49%), Lectin (0,03%), Protein (49,5%) und Zucker (16,5%). Weitere Versuche wurden
mit den Polysacchariden von ME-20 durchgeführt.
Das Wachstum der epithelialen Zelllinie LNCaP wurde während eines Versuchszeitraums von acht Tagen mit ME-20 zeit- und dosisabhängig reduziert. Die verminderte Proliferation war schon am ersten Tag nach Zugabe von ME-20 zu beobachten und erreichte am vierten und fünften Tag das Maximum mit ca. 30%. Das Wachstum der stromalen Zellen hPCPs dagegen war durch ME-20 nicht beeinflußbar. ME-20 zeigte keinen zytotoxischen Effekt auf die Zellen.
Der antiproliferative Effekt auf die androgenabhängigen LNCaP-Zellen war ebenfalls mit der Polysaccharid-Fraktion zu beobachten. Mit einer 50%igen Hemmung war die Wirkung sogar besser als mit ME-20. Auch die Polysaccharid-Fraktion wirkte nicht zytotoxisch auf das Zellwachstum.
Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß durch unsere Untersuchungen an zwei Modellsystemen erstmalig und eindeutig ein vermindertes Wachstum des epithelialen Anteils der Prostata nach Zugabe eines Extraktes aus Brennesselwurzeln feststellbar ist. Zukünftige Untersuchungen sollen die Aufklärung des genauen Wirkmechanismus erbringen.

Roggenpollenextrakte bei Altersprostatitis der Ratte


Die laterale Prostata der Ratte ist aufgrund morphologischer und funktioneller Ähnlichkeiten mit der menschlichen Prostata ein geeignetes Modellsystem für die Analyse pathologischer Veränderungen wie z.B. der Prostatitis. Bereits 1984 wurde bei verschiedenen Rattenstämmen auf die spontane und makroskopisch erkennbare Altersprostatitis hingewiesen. Als diagnostische Parameter der nichtbakteriellen Prostatitis gelten:
1. Die Anzahl der Drüsen ist reduziert, und sie sind meist nicht mehr intakt.
2. Die Drüsen sind schmal und umgeben von einem verdickten Stroma.
3. Das Epithel ist stark abgeflacht.
4. Im Stroma befindet sich eine erhöhte Anzahl von Immunzellen.
5. Meist sind interstitielle Ödeme zu beobachten.
An diesem Modellsystem wurde die Wirksamkeit eines Roggenpollenextraktes untersucht, ergänzt durch Studien an stromalen und epithelialen Zellen der menschlichen Prostata.
Die Roggenpollen werden durch einen mikrobiologischen Verdau aufgeschlossen und danach unterschiedlich extrahiert. Ein wäßriger Auszug (100 Teile Wasser, 5 Teile Aceton, 0,038% Texapon) ergibt die Fraktion T-60,
die überwiegend die wasserlöslichen Stoffe beinhaltet, während man nach anschließender Extraktion mit Aceton eine Fraktion (GBX) erhält, die überwiegend die fettlöslichen Bestandteile enthält. Das Präparat Cernilton" (Fa. Strathmann) setzt sich zusammen aus einer Mischung von T-60 und GBX im Verhältnis 20:1.
Unser Versuchsansatz wurde in Form einer Doppelblindstudie durchgeführt. 6 bis 8 Monate alte Lewis-Ratten wurden nach einer Zeit von 6 Monaten auf die oben erwähnten Symptome einer Altersprostatitis untersucht. Dabei stellten wir fest, daß ohne Behandlung ca. 93% der adulten Ratten eine spontane nichtbakterielle Prostatitis entwickelten. Zwei Parallelgruppen wurden während des Versuchszeitraums mit Cernilton" behandelt, welches zweifach (GPE10) und 20fach (GPE100),
in bezug auf die menschliche Dosis, konzentriert war. Die Verabreichung erfolgte täglich mit einer Schlundsonde. Eine weitere Gruppe erhielt ein Placebo, und eine andere Gruppe wurde als Positivgruppe mit dem Glucocorticoid Methylprednisolon behandelt.
Nach einem Zeitraum von 6 Monaten wurde sowohl bei den mit GPE10 und den mit GPE100 behandelten Tieren als auch bei der Positivkontrolle eine um ca. 50% reduzierte Zahl an Tieren gefunden, die Nekrosen in den Drüsen aufwiesen. Ebenfalls wurde festgestellt, daß die Anzahl der Immunzellen im Interstitium deutlich verringert war. Durch diese Versuche war eindeutig gezeigt, daß die Behandlung mit Cernilton" im Tierversuch einen positiven Effekt auf die spontane und abakterielle Prostatitis ausübt.
In einem weiteren Versuchsansatz wurden die Effekte der beiden Fraktionen, T-60 und GBX, auf das Wachstum der stromalen (hPCPs) und der epithelialen (LNCaP) Zellen der menschlichen Prostata (s.o.) näher untersucht. Besonders die GBX-Fraktion reduzierte stark die Proliferation der stromalen und epithelialen Zellen, so daß man in diesem Fall eher von einem unspezifischen Effekt ausgehen kann. Die T-60-Fraktion reduzierte das Wachstum der stromalen Zellen zeit- und dosisabhängig während des Versuchszeitraums von 10 Tagen und zeigte damit eine wesentlich spezifischere Wirkung als die GBX-Fraktion.
In Studien einer englischen Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Habib konnteaus der T-60-Fraktion ein Wirkstoff isoliert werden, der - ähnlich der Fraktion - eine starke und dosisabhängige Hemmung des Wachstums von menschlichen Prostatazellen im Zellkulturmodell aufwies. Bei dem Wirkstoff handelt es sich um DIBOA (2,4-dihydroxy-2H-1,4-benzoxazin-3(4H)-on), eine zyklische Hydroxyamin-Säure, die ursprünglich aus Gramineen isoliert wurde. Für diese Substanz wurden einige antitumorale Aktivitäten beobachtet, die wahrscheinlich auf einer Hemmung der Ribonucleotid-Reductase beruhen. Inwieweit dieser Mechanismus der Hemmwirkung des DIBOA auch bei der menschlichen Prostata zutrifft, bedarf der weiteren Aufklärung.
In unseren Untersuchungen haben wir dargestellt, daß Ratten eine spontane und abakterielle Prostatitis entwickeln, wobei die Entzündung der lateralen Prostata durch die Behandlung mit Cernilton" wesentlich reduziert wird. In einem ergänzenden Experiment konnte abschließend gezeigt werden, daß zwei Fraktionen des Roggenpollenextraktes ebenfalls eine Wirkung auf menschliche Prostatazellen ausüben.
Autorreferat

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