Arzneimittel und Therapie

Ursachen unklar, Behandlung unbefriedigend

Die chronische Polyarthritis (auch: rheumatoide Arthritis) ist eine chronische systemische rheumatische Erkrankung unbekannter Ursache. Typischerweise sind symmetrisch mehrere Gelenke entzündet, vor allem Finger-, Zehen- und Handgelenke.


Über die Entstehung einer chronischen Polyarthritis ist wenig bekannt. Auslösefaktoren könnten infektiöser Natur sein, z.B. Bakterien oder deren Zellwände, aber auch eine Immunsensibilisierung gegen Gelenkbestandteile scheint Tierexperimenten zufolge die Erkrankung zu triggern. Zwillingsstudien zeigten, daß genetische Faktoren eine Rolle spielen. Auch hormonelle Einflüsse sind von Bedeutung: Frauen sind mindestens fünfmal häufiger betroffen als Männer, und in der Schwangerschaft nimmt die Krankheitsaktivität bei drei Viertel der Frauen ab.
Des weiteren dürften eine Fehlsteuerung des Immunsystems (z.B. unzureichend aktivierte T-Zellen, mangelnde Funktion der T-Suppressorzellen oder Aktivierung der B-Zellen) und zahlreiche Mediatoren der Gelenkschädigung an der Fortdauer der Erkrankung beteiligt sein. Neue Theorien gehen davon aus, daß Zelloberflächen-Adhäsionsmoleküle oder Zytokine aus Monozyten/Makrophagen für die Fehlsteuerung des Immunsystems verantwortlich sind. Die Gelenkschädigung vermitteln Metalloproteasen, Angiogenesefaktoren, Substanz P, Interferon, Tumornekrosefaktor alpha und Wachstumsfaktoren.

Krankheitsbeginn: meist zwischen 25 und 45 Jahren


Die chronische Polyarthritis ist eine häufige Erkrankung; die Prävalenz (Häufigkeitsrate) liegt bei 0,5 bis 3%. Die Erkrankung bricht meist im Alter von 25 bis 45 Jahren aus. 10 bis 15% der Fälle treten dagegen erst im höheren Alter auf.
Bislang gibt es keine allgemein anerkannten Definitionskriterien für das Vorliegen einer chronischen Polyarthritis. Die Diagnose beruht vor allem auf klinischen Kriterien. Anamnese und körperliche Untersuchung geben die wichtigsten Hinweise; Bluttests und Röntgenuntersuchungen können ergänzende diagnostische oder prognostische Informationen bereithalten.

Gelenkhautentzündung mit Schmerzen


Entscheidendes Kriterium ist das Vorhandensein einer Gelenkhautentzündung (Synovitis) mit den charakteristischen Symptomen Schwellung, Rötung, Schmerz bei Berührung oder Bewegung sowie Wärme, die mindestens sechs Wochen lang anhalten.
Typischerweise entwickelt der Patient Schmerzen an symmetrisch verteilten Gelenken und eine morgendliche Steifheit, die mindestens 30 Minuten, oft aber eine Stunde anhalten. In den nächsten Tagen und Wochen kommen Schwellung und Beweglichkeitsverlust hinzu.
Bei 50 bis 75% der Patienten sind auch große, proximale Gelenke, wie Schultern, Hüften, Knie und Fußknöchel, betroffen. Das individuelle Muster der Gelenkbeteiligung zeigt sich in den ersten zwei bis drei Erkrankungsjahren. 10 bis 15% aller Patienten entwikkeln im Lauf der Erkrankung subkutane Knötchen, meist am Unterarm. Da die chronische Polyarthritis eine systemische Erkrankung ist, kann sie auch die Körperverfassung beeinträchtigen. Symptome wie Unwohlsein, Müdigkeit oder Gewichtsverlust sind keine Seltenheit.

Ähnliche Erkrankungen


Zahlreiche Varianten und ähnliche Erkrankungen sollten beachtet werden: Zu den Varianten zählen Felty-Syndrom, Still-Syndrom und rheumatische Gefäßerkrankung, zu den ähnlichen Erkrankungen gehören unter anderem Parvovirus- und Hepatitis-B-Infektion, Wirbelgelenkerkrankungen sowie systemischer Lupus erythematodes oder das Sjögren-Syndrom.

Therapiemöglichkeiten


Die Behandlung der chronischen Polyarthritis umfaßt

  • nichtpharmakologische,
  • pharmakologische und
  • chirurgische Maßnahmen.


Die Behandlung orientiert sich an den Bedürfnissen des einzelnen Patienten. Bis auf die leichten Fälle sollten alle Patienten von einem Rheumatologen und ihrem Hausarzt betreut werden.
Nichtpharmakologische Maßnahmen reichen von Sport, Beschäftigungs- und physikalischer Therapie über die Anwendung von Hilfsmitteln und Schienen bis zu alternativen Verfahren, wie Akupunktur oder Massage.
Pharmakologische Maßnahmen umfassen Analgetika (z.B. Paracetamol), nichtsteroidale Antirheumatika, krankheitsmodifizierende Arzneimittel (darunter das Malariamittel Hydroxychloroquin, Goldsalze, Methotrexat und Sulfasalazin) sowie Corticosteroide.
Als chirurgische Maßnahme kommt bei schwerer Erkrankung eine arthroskopische Synovektomie (Entfernung der Gelenkhaut) oder ein Gelenkersatz in Frage.
Bei leichter Krankheitsaktivität können physikalische und Beschäftigungstherapie, Paracetamol, nichtsteroidale Antirheumatika und Hydroxychloroquin ausreichen, in schweren Fällen sind mitunter niedrigdosierte orale Corticosteroide, ins Gelenk injizierte Corticosteroide und Methotrexat, eventuell zusammen mit anderen krankheitsmodifizierenden Arzneimitteln, nötig.
Der Trend in der Arzneimitteltherapie geht hin zur Frühintervention und Kombinationstherapie (z.B. Methotrexat, Sulfasalazin und Hydroxychloroquin), um Gelenkschäden rechtzeitig zu verhindern. In der Entwicklung befinden sich biologische Wirkstoffe gegen Zytokin-Mediatoren, z.B. gegen den Tumornekrosefaktor, oder gegen CD4-T-Zellen.
Der Verlauf der chronischen Polyarthritis kann im Einzelfall kaum vorhergesagt werden. Ungünstige Prognosefaktoren sind männliches Geschlecht, hoher Rheumafaktor, Vorhandensein von Knötchen, Nichtansprechen auf Methotrexat sowie Erkrankungsmanifestationen außerhalb von Gelenken (z.B. Gefäßentzündung). Literatur
Shmerling, R. H.: Rheumatoid arthritis. Drugs of Today 34, 649-653 (1998). Susanne Wasielewski, Münster

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