Arzneimittel und Therapie

Therapie des Morbus Parkinson: Der "Goldstandard" Levodopa als "ultima ratio"?

Für Parkinson-Patienten hat sich die Situation in den letzten Jahren entscheidend verbessert. Levodopa, der therapeutische Goldstandard, wurde durch neue Substanzklassen - Dopaminagonisten, NMDA-Rezeptorantagonisten und COMT-Hemmer - ergänzt. Damit kann zumindest in den ersten Jahren der Erkrankung den Patienten eine sehr gute und effiziente Therapie angeboten werden - vorausgesetzt, die Mischung stimmt.

Der Morbus Parkinson ist, ähnlich wie der Morbus Alzheimer, eine progrediente neurodegenerative Erkrankung. Der entscheidende Unterschied: Beim Morbus Parkinson ist die Ursache - ein ausgeprägter Dopaminmangel im Gehirn mit fortschreitender Verarmung dopaminerger Neuronen - bereits seit Anfang der 60er Jahre bekannt, das Therapieregime demnach weitgehend vorgegeben: Das Dopaminangebot im Gehirn muß erhöht, die Neuronen geschützt werden.

Effektiv, aber problematisch: Levodopa Die Gabe von Levodopa, das zur Reduktion peripherer Nebenwirkungen immer mit einem Decarboxylasehemmer kombiniert wird, bewirkt erwartungsgemäß eine deutliche Besserung der typischen Parkinson-Symptome Tremor, Rigor und Akinese. Levodopa kann jedoch die Progression der Erkrankung - die fortschreitende Zerstörung der Neuronen - nicht aufhalten. Bereits nach drei bis fünf Jahren treten deshalb Schwankungen des Befindens auf, sogenannte Fluktuationen. In den sogenannten On-Phasen ist Dopamin wirksam, der Patient unauffällig; in den Off-Phasen läßt die Dopamin-Wirkung nach, und der Patient zeigt die typischen Symptome. Diese Fluktuationen machen eine Anpassung der Dosierung erforderlich: Statt der anfangs üblichen dreimal täglichen Dopamin-Einnahme alle fünf bis sechs Stunden ist dann bereits nach zwei Stunden wieder eine Dosis notwendig, um Off-Phänomene zu verhindern. Retardiertes Levodopa hat hier keine Vorteile gebracht. Nach fünf bis sieben Jahren kommt es auch unter optimaler Therapie zu einem abruptem Wechsel zwischen guter Beweglichkeit und starker Hypokinese bis zu völliger Akinese. Das klinische Bild ist dabei nicht zwingend an die Blutspiegelschwankungen von Levodopa gekoppelt. Letztlich können als Folge der Medikation auch Dyskinesien sowie psychische Störungen (Halluzinationen, Verwirrtheit) auftreten, die den Einsatz von Neuroleptika notwendig machen.

Negativer Einfluß auf die Progression Ein weiterer Nachteil der Levodopa-Therapie: Beim Abbau von Levodopa entstehen freie Radikale und toxische Substanzen, wie Isochinoline, die dopaminerge Neuronen der Substantia nigra angreifen. Ein negativer Einfluß von Levodopa auf die Progression der Erkrankung kann deshalb insbesondere bei hoher Dosierung nicht ausgeschlossen werden. Die Therapiemaxime für die Levodopa-Substitution muß deshalb lauten: So spät wie möglich einsetzen und so niedrig wie möglich dosieren! Aus diesem Grund war es dringend notwendig, für die Therapie des Morbus Parkinson Alternativen zur Dopamin-Substitution zu entwickeln.

Zur Mono- und Kombinationstherapie: Dopaminagonisten Dopaminagonisten aktivieren direkt die Dopaminrezeptoren im Gehirn. Im frühen Stadium der Erkrankung sind die Responderraten einer Monotherapie mit Dopaminagonisten mit denen der Levodopa-Gabe vergleichbar, wie eine Vergleichsstudie mit dem Dopaminagonisten Ropinirol versus Levodopa zeigte. Der Vorteil: Dyskinesien sind unter der Monotherapie mit Dopaminagonisten selten. So lag in einer Studie mit neu eingestellten Patienten die Dyskinesierate bei langsamer Krankheitsprogression unter Cabergolin bei 1%, unter Levodopa bei 10%. Schritt die Erkrankung dagegen schnell fort, traten Dyskinesien unter Cabergolin bei 12 % der Patienten, unter Levodopa jedoch bei 35% der Patienten auf. Dopaminagonisten eignen sich aber auch als Kombinationspartner von Levodopa. Die Levodopa-Dosen lassen sich senken, die Fluktuationen verbessern sich: Die Off-Zeiten gehen deutlich zurück. Bislang gibt es keinerlei Hinweise darauf, daß Dopaminagonisten langfristig dopaminerge Neuronen schädigen. Im Gegenteil: In tierexperimentellen Untersuchungen wurde eine neuroprotektive Wirkung festgestellt. Inzwischen steht für die Therapie eine ganze Reihe verschiedener Dopaminagonisten wie Bromocriptin, Lisurid, Ropinirol oder Cabergolin - mit unterschiedlicher Affinität zu D1- und D2-Rezeptoren und unterschiedlichen Nebenwirkungsspektren - zur Verfügung. Eine bessere oder schlechtere Substanz scheint es dabei nicht zu geben. Entscheidend ist vielmehr, individuell für jeden Patienten den "richtigen" Dopaminagonisten zu finden.

Weniger Levodopa dank NMDA-Rezeptorantagonisten Die Wirkung niedrig affiner NMDA (N-Methyl-D-Aspartat-)-Rezeptorantagonisten wie Budipin und Amantadin auf die Parkinson-Symptomatik wird als moderat bezeichnet. Amantadine scheinen dabei eher Hypokinese und Rigor zu verbessern, Budipin den Tremor. Es gibt inzwischen jedoch auch Hinweise, daß diese Verbindungen eine Einsparung der Levodopa-Dosis möglich machen, indem sie die Wirkung von Levodopa und Dopaminagonisten verstärken.

Erst im Spätstadium: COMT-Inhibitoren Neu zugelassen wurden im vergangenen Jahr auch Hemmstoffe der Catechol-O-Methyltransferase (COMT). Dieses Enzym ist maßgeblich an der Metabolisierung von Levodopa und Dopamin beteiligt. Während Entacapon nur die periphere COMT hemmt, scheint Tolcapon auch die zerebrale COMT zu inhibieren. Die Folge: Im Gehirn steht mehr von der verabreichten Levodopa-Dosis zur Verfügung, der Angriff von Dopamin am Rezeptor wird konstanter. COMT-Hemmer sind dem Wirkungsmechanismus entsprechend nur in Kombination mit Levodopa wirksam und damit im Gegensatz zu Dopaminagonisten für die Monotherapie nicht geeignet. Ihr Nachteil: Trotz verbesserter Levodopa-Aufnahme ins Gehirn, die eine Dosisreduktion möglich macht, kommt es insgesamt zu einer Nettosteigerung der Levodopa-Menge. Denn erstaunlicherweise erhöhen sich unter COMT-Hemmern zwar die Levodopa-Plasmaspiegel um 50 bis 80%, die Levodopa-Dosis läßt sich aber nur um 20 bis 30% reduzieren. Möglicherweise wird unter diesen Bedingungen Levodopa vermehrt über die Monoaminoxidase (MAO) abgebaut. Dies läßt sich möglicherweise umgehen, wenn beim Einsatz von COMT-Hemmern gleichzeitig MAO-B-Hemmer verabreicht werden. Im Gegensatz zu den Dopaminagonisten können COMT-Inhibitoren die problematischen Spätfolgen der Levodopa-Substitution, insbesondere die Dyskinesien, nicht wesentlich verringern. Vielmehr entsteht durch die vermehrte Aufnahme von Levodopa ins Gehirn eine identische Problemlage wie bei der klassischen hochdosierten Levodopa-Behandlung. COMT-Hemmer werden derzeit deshalb nur für Patienten empfohlen, bei denen die Erkrankung bereits fortgeschritten und anders nicht mehr therapierbar ist.

Quelle Prof. Dr. med. Dieter Müller, Hamburg, Prof. Dr. med. Peter Riederer, Würzburg, Dr. med. Johannes Schwarz, Ulm, Prof. Dr. med. Heinz Reichmann, Dresden, Fachpressekonferenz "Morbus Parkinson: Chancen und Risiken dopaminerger Therapiestrategien", München, 15. Dezember 1997, veranstaltet von den Firmen Desitin Arzneimittel, Dr. Karl Thomae, Lilly Deutschland, Pharmacia & Upjohn, Smith Kline Beecham.

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