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Betriebsklima: Mobbing auch in Apotheken

Rund 1,6 Millionen Arbeitnehmer werden nach Expertenangaben jährlich in Deutschland am Arbeitsplatz gemobbt. Dabei summiert sich der volkswirtschaftliche Schaden durch Arztkosten, Fehlzeiten, Motivationsverlust auf schätzungsweise 30 Milliarden Mark pro Jahr.

Der Begriff "Mobbing" kommt aus dem Englischen und bedeutet soviel wie anpöbeln, über jemanden herfallen, jemanden über einen bestimmten Zeitraum systematisch fertigmachen. Ein großer Teil der Mobbinghandlungen geht von den Vorgesetzten aus oder wird von diesen geduldet. Meist sind mehr als zwei Personen - Täter und Opfer - daran beteiligt, nämlich diejenigen, die stillschweigend zusehen, gehören genauso dazu. Aus Angst um den Arbeitsplatz, um den eigenen Frust abzulassen oder einfach den Druck von "oben" weiterzugeben, werden viele Kollegen zu Mitläufern und dadurch irgendwann auch zu Opfern.

Nicht nur Mitarbeitersache Führungsschwächen, fehlende Mitarbeitergespräche, Fehler beim Personaleinsatz und einfach Kompetenzprobleme sind meist die Ursache für ein schlechtes Betriebsklima. Leider wird auch bei der Ausbildung zum/zur ApothekerIn das Thema Betriebsführung (kooperativer Führungsstil), Personaleinsatz, Verhalten am Arbeitsplatz, Umgang mit Mitarbeitern (Konflikte erkennen und schlichten) immer noch nicht berücksichtigt. Dadurch - auch aufgrund der wirtschaftlichen Lage ist es sicherlich zu verstehen, daß sich die Zahl der Mobbingfälle in den Apotheken im Zunehmen befindet. Gerade in den Kleinbetrieben ohne Betriebsrat, an den sich die Opfer wenden könnten, steht man meist sehr allein da. Schnell wird dann die letzte Konsequenz gezogen und gekündigt (was vom Täter ja meist gewollt ist), um dem ganzen aus dem Weg zu gehen - aber die Arbeitslosigkeit und das "Wandern" von einer Apotheke zur anderen sind keine Lösung.

Gesundheitliche Probleme Meist leiden die Mobbingopfer unter psychosomatischen Beschwerden wie Schwindel, Kreislaufproblemen, Kopfschmerzen, Übelkeit, Magenschmerzen und Schlafstörungen. Bei den Frührentnern gaben 1990 13,8% ihre Arbeit aufgrund psychischer Probleme auf. Gerade die Apotheken mit ihrem hohen Frauenanteil scheinen die Idealvoraussetzungen für Mobbing zu bilden. Da dem Mobbing immer ein - manchmal banaler - Konflikt vorausgeht, sind Frauen besonders gefährdet, darin verwickelt zu werden. Sie sehen meist stillschweigend über Probleme hinweg, handeln zu spät und setzen sich nicht zur Wehr.

Gutes Betriebsklima hilft Kollegialität, Hilfsbereitschaft und gegenseitiges Vertrauen sind Voraussetzungen, um Mobbingattacken im Keim zu ersticken. Diese "Gegenmittel" sind leider nicht immer in den Apotheken mit den teilweise noch bestehenden, streng hierarchischen Strukturen anzutreffen.

Arbeitskreis Mobbing "Nicht schlucken, sondern Handeln" raten Mobbingexperten. Einer davon, Erik Dancs, leitet den Arbeitskreis Betriebsklima im Bereich Braunschweig/Wolfenbüttel. Der Arbeitskreis ist initiiert vom Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt und wendet sich an vom Mobbing Betroffene, Betriebs- und Personalräte, Arbeitgeber, Gewerkschaften und Beratungsstellen. Es wurde unter anderem das Projekt der Volkswagen AG "Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz" vorgestellt, eine Betriebsvereinbarung, die sexueller Belästigung, Mobbing und Diskriminierung entgegenwirken soll. Durch die in den meisten Apotheken fehlenden Betriebsräte und den fehlenden Kündigungsschutz in Kleinbetrieben ist es schwierig, die Ratschläge in die Tat umzusetzen. Arbeitskreise, die Hilfestellung geben, die Betroffene unterstützen und bei Problemen schlichten, gibt es in jeder größeren Stadt, leider allerdings von unterschiedlicher Qualität. Das Mobbingtelefon von Erik Dancs für den Bereich Braunschweig/Wolfenbüttel erreichen Sie unter der Telefonnummer (05346) 92400, Herr Dancs hilft Ihnen auch weiter, einen Ansprechpartner in Ihrem Bereich zu finden. BVA-Mitglieder können sich natürlich auch an die regionalen Geschäftsstellen wenden, oder die Hauptgeschäftsstelle in Hamburg anrufen.

Machen Sie mit Leider ist auch in den Apotheken der "Kampf um den Arbeitsplatz" härter geworden, dadurch häufen sich die Mobbingfälle und das Betriebsklima verschlechtert sich. Nicht nur die Mitarbeiter sind gefordert, dagegen anzukämpfen. Auch die ApothekenleiterInnen sollten sich verstärkt darum kümmern, daß das Thema "Betriebsführung, kooperative Zusammenarbeit" nicht zu kurz kommt. Zufriedene MitarbeiterInnen leisten wesentlich mehr - 30 Milliarden Mark jährlicher Arbeitsausfall in Deutschlands Betrieben sollten zu denken geben, denn die Apotheken sind mit dabei!

Jutta Brielich, BVA Niedersachsen, Scharnhorststraße 13, 38104 Braunschweig

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