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Möllemann: Krankenkassen auf Rolle von Dienstleistern zurückführen!

BONN (diz). Nach Ansicht von Jürgen Möllemann müssen die Krankenkassen in Zukunft auf die Rolle von Dienstleistern zurückgeführt werden, die Verantwortung für veranlaßte Leistungen sollte allein bei Ärzten und den übrigen Leistungserbringern liegen. Dies machte der FDP-Politiker in einer Diskussionsrunde bei einer Veranstaltung der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) zum -Tag der Apotheke am 10. September 1998 in der Bonner Redoute deutlich. Neben Möllemann vertraten Wolfgang Lohmann (CDU) und Regina Schmidt-Zadel (SPD) parteipolitische Vorstellungen zum Gesundheitswesen der Zukunft.

Apotheker wieder mehr Heilberuf


Auch die SPD weist dem Apotheker einen hohen Stellenwert im Gesundheitswesen zu, wie Frau Schmidt-Zadel hervorhob. Sein Fachwissen und seine Qualifikation seien Garant für die Arzneimittelsicherheit. Eine Weiterentwicklung des Gesundheitswesens sei nur mit den Apothekern möglich, man dürfe sich in Zukunft nicht nur auf Kassen und Ärzte konzentrieren, sondern müsse auch den Apotheker mit ins Boot holen. Nur so könnten die Leistungen im Gesundheitswesen verbessert werden. Vor allem müsse der Apotheker stärker die Rolle des Heilberufs ausfüllen, bei der Arzneimittelabgabe solle die pharmazeutische Betreuung im Vordergrund stehen. Die SPD könne sich vorstellen, daß die pharmazeutische Betreuung auch zur Pflichtaufgabe werde, indem der Gesetzgeber das Apothekengesetz und die Apothekenbetriebsordnung in diese Richtung neu fasse. Allerdings, so räumte die SPD-Politikerin ein, halte die SPD an der Einführung einer Positivliste fest: -Wir werden die Positivliste umsetzen. Weitere Programmpunkte des SPD-Papiers wie beispielsweise die Einführung von Einkaufsmodellen seien derzeit nicht aktuell, blieben aber weiterhin im Programm dieser Partei. Schmidt-Zadel gab sich überzeugt davon, daß die SPD, so oder so, eine entscheidende Rolle in der Gesundheitspolitik der nächsten Legislaturperiode spielen werde. Man wolle nicht, daß Ärzte oder Krankenkassen eine Übermacht bekämen, man setze sich für eine Gleichberechtigung aller am Gesundheitswesen Beteiligter ein.

Europa aktiv mitgestalten


Zwar bestimme derzeit die FDP die Richtung der Gesundheitspolitik innerhalb der Koalition, wie Wolfgang Lohmann (CDU) anmerkte, doch, da die FDP bereits ihre Fühler in Richtung SPD ausgestreckt habe, sei letztendlich doch die CDU die einzige, die die Gesundheitspolitik der Koalition trage. Der CDU-Politiker lobte insgesamt das Gesundheitswesen Deutschlands, -es gehört nicht zu den teuersten. Eine Gefahr sehe er darin, daß derzeit Bestrebungen laufen, bisherige Wege zu verlassen, zum Beispiel in Richtung Versandhandel.
Auch der FDP-Politiker Jürgen Möllemann machte sich für den unabhängigen freiberuflichen Apotheker stark, die Arzneimittelversorgung solle auch in Zukunft durch die öffentliche Apotheke bestritten werden und beispielsweise nicht durch Krankenhausapotheken. Deutlich sprach er sich gegen Apothekenketten, Versandhandel und für einen einheitlichen Apothekenabgabepreis aus. Er stellte heraus, daß Arzneimittel nicht nur Kosten verursachen, sondern auch helfen, Kosten und Krankenhauseinweisungen einzusparen. Möllemann rief dazu auf, den nicht mehr aufzuhaltenden Trend zur Europäisierung mitzugestalten, auch im Gesundheitswesen, und zu versuchen, ihn zu beeinflussen. Die Gesundheitspolitik werde mehr und mehr Gegenstand europäischer Politik werden. Man müsse versuchen, das deutsche Gesundheitswesen, das -Spitze sei, in den europäischen Wettbewerb einzubringen.
In Richtung Bundestagswahl merkte er an, daß man hoffe, auch nach dem 27. September in einer Koalition mit der CDU Gesundheitspolitik machen zu können. Allerdings werde man auch darüber nachdenken, falls es nicht zu dieser Koalition komme, wo man dann liberale Politik machen könne.

Tag der Apotheke


Zur Festveranstaltung zum -Tag der Apotheke konnte ABDA-Präsident Hans-Günter Friese zahlreiche Ehrengäste aus Politik und Verbänden des Gesundheitswesen begrüßen. Die ABDA habe sich zur Durchführung dieses Großereignisses, an dem sich auch die Apotheken Österreichs, der Schweiz, Luxemburgs und Südtirols beteiligt haben, entschlossen, um öffentlichkeitswirksam die Bedeutung der pharmazeutischen Beratung und die Effektivität der Arzneimitteltherapie insgesamt in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses zu stellen.
Imageprobleme habe die Apotheke heute nicht, wie der ABDA-Präsident hervorhob, belegt werde dies allein durch das -deutsche Kundenbarometer, bei dem die Apotheken im vergangenen Jahr wieder den zweiten Platz belegt hätten. Das System der wohnortnahen Arzneimittelversorgung durch öffentliche Apotheken werde von den deutschen Bürgern sehr geschätzt. Daß die Apotheke allerdings mehr als ein reiner Abgabeort für Arzneimittel sei, sondern vielmehr eine soziale kommunikative Drehscheibe und ein Dienstleistungszentrum für zahlreiche Gesundheitsleistungen, sei nur 30 Prozent der Bevölkerung bekannt. Der Tag der Apotheke solle unter anderem dazu beitragen, daß diese Leistungen besser bekannt würden.
Eine solche Aktion wie der Tag der Apotheke solle darüber hinaus darauf hinweisen, daß Beratung beim Arzneimittelkauf notwendig sei. Internationale Studien hätten gezeigt, daß der größte Teil aller arzneimittelbezogenen Probleme aus einer falschen Anwendung herrühre. Wie eine Bevölkerungsbefragung gezeigt habe, habe die Beratungskampagne der ABDA mittlerweile dazu beigetragen, daß 95 Prozent der befragten Personen die Bedeutung der Beratung durch Apotheker bei rezeptfreien Arzneimitteln für wichtig bis sehr wichtig einschätzten. Bei rezeptpflichtigen Präparaten empfanden 86 Prozent der Befragten die Beratung des Apothekers als wichtig bis sehr wichtig. Vor dem Start der Beratungskampagne habe der Anteil lediglich bei 72 Prozent gelegen. Immerhin gaben 63 Prozent der befragten Apothekenkunden in diesem Jahr an, bei ihrem letzten Arzneimittelkauf in der Apotheke beraten worden zu sein. Noch vor drei Jahren waren dies 59 Prozent. Hier seien also bereits Fortschritte erzielt worden, sie reichten allerdings noch nicht aus, wie Friese betonte. So wisse man auch, daß von den rund 30 Prozent, die nicht beraten worden seien, mehr als zwei Drittel dies auch nicht wollten. Es gelte, auch diesen Personenkreis von der Notwendigkeit der Beratung durch Apotheker zu überzeugen. Ein -Tag der Apotheke könnte dazu beitragen, die Beratung bei jedem Arzneimittelkauf zur Selbstverständlichkeit werden zu lassen.
Letztendlich solle ein Tag der Apotheke auch dazu beitragen, über das Arzneimittel selbst zu informieren und darüber, wie stark in den letzten Jahren am Arzneimittel gespart worden sei.
So seien der Anteil der Arzneimittelausgaben an den Gesamtausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) von fast 16 Prozent im Jahr 1992 auf 12 Prozent im Jahr 1997 zurückgefahren worden. Die absoluten GKV-Ausgaben für Arzneimittel lagen 1997 unter denen des Jahres 1992. Und die Wertschöpfung der Apotheken bei Arzneimittel sank von 1992 bis 1997 von 22,6 Prozent auf 21,4 Prozent, der Anteil des Apothekenrohertrages an den Gesamtausgaben der Krankenkassen von 3,5 auf 2,7 Prozent ab. Wäre in anderen Leistungsbereichen ähnlich gespart worden, so rechnete Friese vor, hätten die Kassen 1997 einen Überschuß von fast 60 Mrd. DM erzielt und die Kassenbeiträge könnten heute bei 10 statt bei 13 Prozent liegen.
Trotz dieser Einsparungen könnte allerdings der gezielte Einsatz der Apotheker noch weitere Einsparungen mit sich bringen. Derzeit laufende Studien sollen beweisen, daß durch den Mehreinsatz pharmazeutischer Kompetenz und durch pharmazeutische Betreuung Lebensqualität für den Patienten gewonnen und weitere Kosten eingespart werden können. Friese wiederholte die Maxime pharmazeutischer Gesundheitspolitik: -Es darf nicht mehr länger darum gehen, am Arzneimittel zu sparen, in Zukunft wird es vielmehr darauf ankommen, mit dem Arzneimittel zu sparen.l
Zitate
Wenn in anderen Leistungsbereichen ähnlich gespart worden wäre wie im Arzneimittelbereich, hätten die Kassen 1997 einen Überschuß von fast 60 Mrd. DM erzielt und die Kassenbeiträge könnten heute bei 10 statt bei 13 Prozent liegen.
ABDA-Präsident
Hans-Günter Friese
Apotheker gehören nicht an den Katzentisch der Gesundheitspolitik.
Regina Schmidt-Zadel
Krankenkassen stehen beim Ansehen der Bevölkerung hinsichtlich Service und Beliebtheit auf Platz 13 - verdient haben sie es.
Wolfgang Lohmann

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