Was wann wo

Synthese und Optimierung von Wirkstoffen aus der Natur

Am 15. Juni 1998 trug Prof. Dr. Franz Bracher vom Institut für Pharmazie der Universität München im Rahmen einer Veranstaltung der GDCh in Münster vor. Er berichtete über seine Forschungsergebnisse unter dem Titel -Totalsynthese heterozyklischer Naturstoffe.

Leitstrukturen finden und variieren


Der Referent stellte zunächst die verschiedenen Möglichkeiten der Leitstruktursuche vor. Zum einen kann ein breit ausgerichtetes Screening erfolgen, zum anderen eine rational geführte Ausrichtung auf das Target gewählt werden. Als Quelle für die untersuchten Substanzen kommen Naturstoffe (sowohl Extrakte als auch Reinsubstanzen) oder synthetische Verbindungen in Frage. Als neues Werkzeug hat sich hier in den letzten Jahren die Kombinatorische Chemie, bei der eine Vielzahl von Substanzen in paralleler Synthese erzeugt wird, etabliert. Naturstoffe haben bei der Leitstruktursuche einige Vorteile. Durch die Evolution hat sich eine hohe Diversität an Verbindungen entwickelt, die in synthetischen Substanzbibliotheken ihresgleichen sucht.
Nach der Auswahl einzelner Verbindungen aufgrund einer interessanten biologischen Wirkung folgt die Total- oder Partialsynthese, um den für weitere Untersuchungen erforderlichen Substanzbedarf zu decken und eventuell bereits Strukturvarianten zur Verfügung zu stellen. So kann die gefundene Leitstruktur verfeinert werden, und mechanistische Untersuchungen können folgen.
Bei den von Professor Bracher untersuchten Naturstoffklassen handelt es sich um b-Carbolinalkaloide, chirale Pyridylalkylamine marinen Ursprungs, makrozyklische Lactone und polyzyklische Alkaloide aus tropischen Annonaceen und Meerestieren. Seine Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit der Totalsynthese dieser Verbindungen, mit der Analyse von Struktur-Wirkungs-Beziehungen und Wirkoptimierungen durch Strukturvariationen.

Polyzyklische Alkaloide


Den untersuchten polyzyklischen Alkaloiden ist ein 2,7-Naphthyridingrundgerüst gemein. Zu den Annonaceen-Alkaloiden zählen Cleistopholin und Sampangin, die sich in der Wurzelrinde von Cananga odorata (Ylang-Ylang-Baum) finden. Biosynthetisch stammen sie von Oxoaporphinen ab. Sampangin z.B. zeigt eine ausgeprägte antimikrobielle Aktivität.
Für den präparativen Zugang zu dieser Stoffklasse hat der Vortragende eine Eintopf-Annellierungsreaktion entwickelt. Dabei wird eine CH-acide Verbindung, z.B. vom g-Picolintyp, mit Dimethylformamiddimethylacetal zu einem Enamin kondensiert, das anschließend in einer Ammoniumacetatschmelze mit einer nahen Carbonylgruppe eine Zyklisierungsreaktion eingeht. Ein so dargestelltes Strukturanalogon von Sampangin zeigt eine stärkere antimykobakterielle Aktivität als Rifampicin. Ein interessanter Befund war auch, daß Secoanaloga von Sampangin ebenfalls eine gute Wirksamkeit zeigen, was die Hypothese einer für
die Wirkung essentiellen Chinoniminstruktur widerlegte. Ein weiteres Beispiel aus diesem Themenkreis war die Strukturaufklärung des Alkaloids Neocalliactinacetat durch Totalsynthese.

Makrozyklische Lactone


Zur Darstellung der makrozyklischen Lactone aus Penicillium-Arten und aus dem Christusdorn (Euphorbia milii), die antimikrobiell wirken, wurde eine konvergente Synthese entwickelt, die von chiralen Hydroxypropyldithianen ausgeht. Das S-Enantiomer wurde mittels Bäckerhefe-Reduktion gewonnen, während eine Reduktion mit Aspergillus niger das R-Enantiomer lieferte. Die weitere Synthese umfaßt als zentrale Synthesefolge eine Hydroborierung und eine nachfolgende palladiumkatalysierte C-C-Verknüpfung mit einem Aryltriflat. Durch verschiedene Methoden der Makrolactonisierung konnte wahlweise der Ringschluß unter Inversion (Mitsonobu-Bedingungen) oder Retention (Corey-Reaktion mit Dipyridyldisulfid) aus nur einer Vorstufe erreicht werden. Die postulierte Anti-Tubulinwirkung der Lactone konnte nicht bestätigt werden, jedoch wurden östrogene Effekte und eine Lipoxygenase-Hemmung gefunden.
Der Vortragende resümierte, daß die Natur noch zahlreiche Überraschungen bei der Leitstrukturfindung bereithält und daß die Totalsynthese ein wichtiger erster Schritt bei der Arzneistoffentwicklung ist. Teilweise werden dabei erste Befunde widerlegt, aber auch neue Entwicklungsmöglichkeiten können aufgezeigt werden.
Dr. Manfred Jung, Münster

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.