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Forschungsstandort Deutschland gestärkt

BONN (im). Deutschland hat als Pharmastandort vor allem im Biotechnologiebereich aufgeholt. Insgesamt haben die forschenden Arzneimittelhersteller in den vergangenen Jahren auf schnellere Forschungsansätze, Produktinnovationen sowie verstärkt auf Disease-Management-Aktivitäten gesetzt. Die Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) konstatiert zwar eine positive Entwicklung, warnt jedoch angesichts des herrschenden Wettbewerbsdrucks vor einem Nachlassen der Bemühungen. Die Berater heben allerdings auch die verbesserten Rahmenbedingungen am Standort hervor.


Die in München ansässige Unternehmensberatungsgesellschaft BCG hat für den Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) die Innovationskraft der Unternehmen am Standort Deutschland untersucht und die Studie, die in den vergangenen sechs Monaten vorgenommen wurde, am 7. September in Bonn vorgestellt. Insgesamt wird der positive Beitrag der Branche zum Wirtschaftsstandort Deutschland angesichts der Vielzahl hochqualifizierter Arbeitsplätze sowie des überdurchschnittlichen Beitrags zum Exportgeschäft gewürdigt.

Neue Arzneimittel


Demnach haben die Firmen Abläufe in ihren Unternehmen optimiert, um schneller auf den Markt zu kommen, und es hat Erfolge bei den Produktinnovationen gegeben. BCG-Geschäftsführer Dr. Michael Steiner nannte in diesem Zusammenhang die Proteaseinhibitoren gegen AIDS, Interferon Beta 1b zur Verzögerung der schubförmig verlaufenden Multiplen Sklerose sowie neue Darreichungsformen wie Pflaster. Neue Technologien wie Gentechnologie, kombinatorische Chemie und Hochgeschwindigkeits-Screening-Verfahren hätten entscheidend zu den Erfolgen beigetragen. Eine frühere Studie der Boston Consulting Group, ebenfalls im Auftrag des VFA, hatte 1995 bei den Forschungs- und den Markteintrittszeiten erhebliche Defizite konstatiert.

Gegen Diskreditierung


In diesem Zusammenhang verwahrte sich die Hauptgeschäftsführerin des VFA, Cornelia Yzer, dagegen, Weiterentwicklungen bekannter Substanzen als Molekülvariationen zu diskreditieren, da diese vielfach neue Therapiechancen eröffneten. Sie lehnte eine fiskalisch motivierte Begrenzung des Innovationsbegriffs, "wie sie vor allem von Kassenvertretern propagiert wird", ab. Dies werde dem therapeutischen Fortschritt nicht gerecht, sagte Yzer.

Neue Versorgungskonzepte noch am Anfang


Wie Unternehmensberater Steiner weiter ausführte, steht die Entwicklung neuer Versorgungsstrukturen zwar noch am Anfang, seiner Ansicht nach müssen sich pharmazeutische Unternehmen aber mehr als bisher aktiv darin einklinken. Die Firmen sollten Behandlungskonzepte zur Erprobung in Modellen anbieten. Er nannte als Beispiel das nordrhein-westfälische Projekt "Focus Diabeticus", an dem 1500 Patienten, 35 Allgemeinärzte und zwei Mediziner mit Diabetes-Schwerpunktpraxen teilnehmen, wobei sich die Ärzte zu Qualitätszirkeln und Leitlinien verpflichten lassen. Die Initiative dieses Modells, bei dem die BKK Bayer und die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein eingebunden seien, sei von dem Arzneimittelunternehmen ausgegangen. Die Firmen seien gefordert, solche Disease-Management-Aktivitäten auszubauen. Ihr Vorgehen sei höchst unterschiedlich. Während einige auf diesem Gebiet bereits gut vorankämen, hätten andere die Bedeutung dieses Felds noch nicht erkannt, so die kritische Anmerkung des Unternehmensberaters.

Die Aufholjagd


Angesichts des stärkeren globalen Innovationswettbewerbs müßten die Firmen auf Forschungsnetze mit Biotechfirmen oder Universitäten setzen. Deutschland habe hier zwar aufgeholt, sei aber aufgrund seines Rückstands noch von der Weltspitze entfernt. Die Zahl der Kooperationen mit Biotechfirmen sei von 75 (1995 ) auf 173 (1997) angestiegen.

Bessere Rahmenbedingungen


Steiner wies auf die deutlich verbesserten Rahmenbedingungen für den Arzneisektor hin. Dazu hätten zum Beispiel die verkürzten Zulassungszeiten beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beigetragen, die jetzt bei 16 Monaten für Neueinführungen lägen. Darüber hinaus spielten kürzere Genehmigungszeiten für biotechnologische Anlagen, mehr Wagniskapital von Investoren sowie eine bessere Akzeptanz von Gentechnik in der Bevölkerung eine wichtige Rolle. Nach Ansicht von BCG sollte die Politik die Gentechnologie weiter gezielt unterstützen und darüber hinaus das Vertragsrecht zwischen Ärzten und Krankenkassen flexibilisieren, um die Teilnahme der pharmazeutischen Industrie an neuen Modellprojekten zu ermöglichen.

VFA zufrieden mit BfArM


Auch die Hauptgeschäftsführerin des VFA, dessen Mitgliedsfirmen zwei Drittel des gesamten deutschen Marktes repräsentieren, hob die schnellere Arbeit der Zulassungsbehörde in Berlin hervor. Sie sei sowohl mit dem BfArM als auch mit der europäischen Agentur EMEA in London zufrieden, sagte Cornelia Yzer. Bei Neuzulassungen könnten sich beide im internationalen Wettbewerb sehen lassen. Allerdings gebe es beim deutschen BfArM immer noch einen Stau bei den Nachzulassungen.

Industrie für Wettbewerb


Nach Worten von Yzer wollen die pharmazeutischen Unternehmen Vertragspartner bei neuen Versorgungsmodellen werden. Entwicklungen wie die Diabetes-Modelle müßten fortgesetzt werden, Asthma-Projekte seien in der Pipeline. Aber nicht alles, was heute erprobt werde, solle in die Standardversorgung aufgenommen werden. Hier könne der Wettbewerb steuernd wirken, die Politik solle sich dabei auf die Begrenzung offensichtlichen Mißbrauchs konzentrieren, so Yzer. Selbstkritisch räumte die VFA-Hauptgeschäftsführerin Versäumnisse bei Politik und Industrie ein, die beide in der Vergangenheit den Standort Deutschland schlechtgeredet hätten. Imageaufhellung sei angesichts der existierenden verbesserten Rahmenbedingungen nötig.

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