Arzneimittel und Therapie

Die Behandlung ist trotz vieler Therapieoptionen unbefriedigend

Die Behandlungsstrategie beim Morbus Parkinson ist klar: Das Dopamindefizit im Gehirn, das durch die chronische Degeneration dopaminerger Neuronen entsteht, muß behoben werden. Neben der Standardtherapie mit Levodopa plus einem Decarboxylase-Inhibitor haben inzwischen COMT-Inhibitoren und Dopaminagonisten die Palette therapeutischer Möglichkeiten erweitert - zugunsten des Patienten. Die Probleme der Langzeitherapie sind damit allerdings noch längst nicht gelöst.


Zunächst ein kurzer Überblick über die Therapieoptionen bei der Parkinson-Krankheit:

  • Um den Dopaminmangel im Gehirn zu beheben, wird Levodopa (l-Dopa) oral verabreicht. Es passiert im Gegensatz zu Dopamin problemlos die Blut-Hirn-Schranke und wird im Gehirn zum wirksamen Dopamin metabolisiert. Allerdings nicht nur dort. Bereits im peripheren Blut verstoffwechselt die Dopa-Decarboxylase Levodopa weitestgehend zu Dopamin und senkt so die zerebrale Bioverfügbarkeit der Substanz deutlich.
  • Um dennoch eine ausreichend hohe Konzentration im Gehirn zu erreichen, wird Levodopa deshalb immer mit einem Decarboxylase-Inhibitor wie Carbidopa oder Benserazid kombiniert. Dieser sorgt dafür, daß die Levodopa-Spiegel im peripheren Blut und damit letztlich auch in der Gehirnflüssigkeit die therapeutisch notwendigen Konzentrationen erreichen.
  • Die Dopa-Decarboxylase ist jedoch nicht das einzige Enzym, das Levodo- pa abbaut. Ein weiterer Teil wird von der Catechol-O-Methyl-Transferase (COMT) zu 3-O-Methyl-Dopa verstoffwechselt und steht damit nicht mehr zur Verfügung. Dieses Enzym ist der Angriffspunkt einer neuen Wirkstoffgruppe, den COMT-Inhibitoren wie Entacapon und Tolcapon.
  • Während Decarboxylase-Inhibitoren und COMT-Inhibitoren letztlich "nur" die Wirksamkeit von Levodopa unterstützen und nur gemeinsam mit Levodopa wirken können, greifen Dopaminagonisten direkt an den Dopaminrezeptoren im Gehirn an. Pergolid und die neueren Substanzen Ropinirol, Cabergolin und Pramipexol können deshalb auch ohne gleichzeitige Levodopa-Gabe wirken.

Levodopa: wirksam, aber problematisch


Parkinson-Patienten, die mit Levodopa behandelt werden, profitieren in der Anfangsphase uneingeschränkt von der äußerst guten Wirksamkeit der Substanz. Doch bereits innerhalb der ersten Jahre machen sich die Folgen der Langzeittherapie bemerkbar: Motorische Fluktuationen und Dyskinesien treten als Begleiterscheinungen bei immerhin 50 Prozent der Patienten innerhalb der ersten fünf Jahre auf.
Zudem nimmt die Wirksamkeit der Therapie allmählich ab. Immer höhere Levodopa-Dosen werden für eine wirksame Therapie notwendig. Problematisch ist dies vor allem für vergleichsweise junge Patienten, also Patienten, die bereits vor dem siebzigsten Lebensjahr erkranken und eine noch relativ hohe Lebenserwartung haben. Die Diskussion in der Levodopa-Therapie dreht sich vor allem um die Frage, wie die Therapie gestaltet werden muß, damit die Begleiterscheinungen möglichst spät auftreten. Im Mittelpunkt der Kontroverse stehen dabei vier Punkte: günstigster Zeitpunkt für den Therapiebeginn, intermittierendes oder kontinuierliches Therapieregime, retardierte oder nicht retardierte Wirkstoffgabe und Hoch- oder Niedrigdosis.

Kontroverse um den Therapiebeginn


Sind die im späteren Stadium der Erkrankung auftretenden Symptome Folge der Erkrankung oder der Langzeittherapie mit Levodopa? Diese noch immer ungeklärte Frage bestimmt die Kontroverse um den richtigen Therapiebeginn. Manche Kliniker propagieren einen möglichst späten Levodopa-Einsatz. Sie gehen davon aus, daß die meisten Symptome, die bei einem fortgeschrittenen Morbus Parkinson auftreten, Folgen der Langzeittherapie sind. Andere bestreiten dies und fordern eine frühzeitige Levodopa-Gabe, um die Symptomatik von vornherein möglichst optimal zu bekämpfen. Sie bewerten die im späteren Stadium auftretenden Symptome überwiegend als Folge der fortschreitenden Erkrankung und weniger als Konsequenz der Langzeittherapie. Die Mehrzahl der Neurologen vertritt einen Standpunkt zwischen diesen beiden Extremen: Parkinson-Patienten sollten dann mit Levodopa behandelt werden, wenn sie im täglichen Leben und in ihrer Berufsfähigkeit merklich eingeschränkt sind.

Suche nach dem idealen Therapieregime


Offen ist auch die Diskussion, ob die intermittierende Levodopa-Gabe Vorteile gegenüber der kontinuierlichen Applikation besitzt. Die Ergebnisse in verschiedenen Studien sind hier nicht einheitlich. Tendenziell scheint die kontinuierliche Einnahme günstiger zu sein. Auch die Frage "retardiert oder nicht?" läßt sich nicht eindeutig beantworten. Möglicherweise ist Levodopa als Retardform vorteilhafter im Hinblick auf motorische Fluktuationen, da der Dopaminrezeptor kontinuierlich stimuliert wird. Exakte Beweise für diese Hypothese gibt es allerdings nicht. Ein Vergleich zwischen der Gabe von Carbidopa/Levodopa in retardierter und nicht retardierter Form zeigte zumindest innerhalb der ersten fünf Jahre keinen Unterschied in der Häufigkeit von Dyskinesien. Eine kleinere Studie mit Benserazid/Levodopa ergab dagegen einen Vorteil für die retardierte Form: Dyskinesien und motorische Fluktuationen traten seltener auf.
Ebenfalls keine eindeutige Datenlage gibt es bei der Dosierung. Noch fehlen prospektive kontrollierte Studien, die Wirksamkeit und Sicherheit von Hoch- und Niedrigdosis vergleichen. In unkontrollierten Studien sind die Resultate hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen Dosis und Inzidenz von Fluktuationen nicht einheitlich.

Niedrig dosiert - retardiert - kontinuierlich


Trotz der wenig aussagefähigen Datenlage gibt es Empfehlungen für den Umgang mit Levodopa: Begonnen werden sollte mit einem eher niedrig dosierten retardierten Präparat, z.B. Carbidopa/Levodopa in einer Dosierung von zweimal täglich 25/100 mg oder 50/200 mg. Tritt die Wirkung zu spät ein oder wird kein ausreichend hoher maximaler Blutspiegel erreicht, sollte auf die nicht retardierte Darreichungsform zurückgegriffen werden. Die Dosis von 400 mg Levodopa sollte beibehalten werden, bis eine deutliche Verschlechterung der Symptome eine Erhöhung notwendig macht. Ab einer Tagesdosis von 500 mg Levodopa, spätestens jedoch ab 800 mg Levodopa pro Tag, sollte zusätzlich ein Dopaminagonist eingenommen werden.

COMT-Inhibitoren: weniger Dyskinesien


COMT-Inhibitoren, wie Entacapon und Tolcapon, erhöhen ähnlich wie die Decarboxylase-Inhibitoren die Bioverfügbarkeit von Levodopa. Außerdem verhindern sie die Bildung von 3-O-Methyl-Dopa. Die Menge dieses Metaboliten steigt bei Parkinson-Patienten während einer Levodopa-Therpie kontinuierlich an. Er verringert möglicherweise die Levodopa-Wirkung, da er mit Levodopa bei der Passage der Blut-Hirn-Schranke konkurriert. Eindeutige Hinweise dafür gibt es allerdings nicht. COMT-Inhibitoren ermöglichen eine Senkung der Levodopa-Dosis um 20 bis 30 Prozent und reduzieren damit das Dyskinesie-Risiko. Auch die klinischen Symptome, beispielsweise Zittern oder Gehgeschwindigkeit, bessern sich, die "On-Phasen" der Patienten werden länger.
Die Nebenwirkungen, wie Appetitlosigkeit, Benommenheit oder Kopfschmerzen, scheinen tolerabel. Schwerwiegende Blutbildveränderungen wurden nicht beobachtet. Allerdings können Dyskinesien und Halluzinationen auftreten. Der Unterschied zwischen den beiden Substanzen: Entacapon hemmt nur die periphere COMT, während Tolcapon die Blut-Hirn-Schranke überwinden und deshalb auch die zerebrale COMT in ihrer Aktivität einschränken kann.

Dopaminagonisten: auch für die Monotherapie


Im Gehirn gibt es eine Vielzahl verschiedener Dopamin-Rezeptor-Subtypen. Entscheidend für die Symptomatik beim Morbus Parkinson ist der D2-Rezeptor, in geringem Maß auch der D1-Rezeptor. Die meisten Dopaminagonisten greifen deshalb spezifisch am D2-Rezeptor an. Dopaminagonisten, die D1- und D2-Rezeptoren aktivieren, scheinen allerdings eine etwas stärkere Wirkung zu haben.
Da Dopaminagonisten unabhängig von Levodopa wirken, eignen sie sich auch für die Monotherapie. Sie ermöglichen es gerade bei jüngeren Parkinson-Patienten, den Beginn der Substitutionstherapie zu verzögern. Werden sie zusätzlich zu Levodopa verabreicht, können sie die Levodopa-Dosis reduzieren und die Symptomatik zusätzlich verbessern. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Mundtrockenheit, Kopfschmerzen, Übelkeit und Schlafstörungen. Zusätzlich können Dyskinesien, Halluzinationen und eine orthostatische Hypotension auftreten.
Hier die wichtigsten Dopaminagonisten im Überblick:

  • Pergolid ist ein semisynthetisches Ergolinderivat mit einer erhöhten Affinität zu D1- und D2-Rezeptoren.
  • Cabergolin ist ein Ergolinderivat mit erhöhter Affinität zu D2-Rezeptoren. Es zeichnet sich vor allem durch seine lange Wirkungsdauer aus.
  • Ropinirol ist ein nicht-ergoliner Dopaminagonist mit hoher Selektivität für den D2-Rezeptor.
  • Pramipexol ist ein synthetisches Aminobenzothiazolderivat, das den D2-Rezeptor aktiviert.
  • Apomorphin ist der älteste Dopaminagonist. Er zeichnet sich durch eine extrem kurze Halbwertszeit und eine kurze Wirkungsdauer aus. Erstmals Anfang der fünfziger Jahre bei Parkinson-Patienten eingesetzt, war er wegen seiner schlechten Verträglichkeit von zunehmend geringer Bedeutung. Da sich mit Domperidon die Begleiterscheinungen minimieren lassen, wird der Wirkstoff inzwischen wieder eingesetzt. Nach subkutaner Applikation kann er die typische Symptomatik innerhalb von 15 Minuten beheben. Die maximale Wirkungsdauer nach einer Bolusapplikation liegt zwischen 60 und 90 Minuten.

Literatur
Pahwa, R., W. C. Koller: Advances in the treatment of Parkinsons disease. Drugs of today 34 (2), 95-105 (1998).
Gerlach, M., et al.: N-methyl-(R)-salsolinol and its relevance to Parkinsons disease. Lancet 351, 850-851 (1998).
Dr. Beate Fessler, München

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