DAZ aktuell

Arzneimittel-Richtlinien: Verschlechterungen für Patienten

BONN (im). Patienten und Ärzte wären die Leidtragenden, sollten die Arzneimittel-Richtlinien in der vorgelegten Fassung in Kraft treten. Der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie im hessischen Frankfurt warnte vor dem "in dieser Form ideologischen Bürokratenwerk". Bis zum 14. August konnten die betroffenen Verbände ihre Stellungnahme zum Entwurf beim zuständigen Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen in Köln abgeben.

Die geplante Neufassung soll Empfehlungen geben, welche Arzneimittel ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich, also auf Kassenkosten zu verordnen sind. Der Entwurf ist eine völlige Neugestaltung der Richtlinien, er sieht neben Ausgrenzungen von Medikamenten aus der Erstattung erhebliche Verordnungseinschränkungen sowie die Pflicht der Mediziner zu Erfolgskontrollen und Dokumentationen vor (siehe DAZ Nr. 33 vom 13.8.). Bürokratisch sei die geplante Neufassung, weil sie die Individualität von Arzt und Patient ignoriere und sich über die alltägliche Praxis des Arztes hinwegsetze, so der BPI. Der Verband hält die Entwurfsfassung für ideologisch besetzt, weil versucht werde, eine bestimmte Arznei-Ideologie durchzusetzen. Dabei werde negiert, daß die Arzneitherapie zu den am meisten evaluierten Therapien zähle. BPI-Hauptgeschäftsführer Dr. Wofgang Weng nannte als ein Beispiel die Arzneimittel zur Behandlung der gutartigen Prostatavergrößerung (BPH), die aus der Erstattung fallen sollen oder nur bei Ausnahmen mit großem Dokumentationsaufwand durch den Arzt verordnet werden dürfen. Kurzfristige Einsparungen an Arzneikosten zögen hohe Ausgaben in den Krankenhäusern nach sich. In Amerika, wo bis vor kurzem keine Medikamente zur symptomatischen Therapie auf dem Markt waren, liege die Operationshäufigkeit der BPH bei 70 Prozent, in Deutschland im Gegensatz dazu bei 30 Prozent. Neben fachlichen Bedenken wiederholte der BPI seine grundsätzlichen Vorbehalte gegen Erstattungsausschlüsse durch den Bundesausschuß. Der Verband habe das Gremium aufgefordert, die Neufassung der Arzneimittel-Richtlinien zurückzustellen, bis das Bundesverfassungsgericht in einem anhängigen Verfahren über die Kompetenz des Bundesausschusses entschieden habe. Auch der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) in Bonn kritisierte, daß das Gremium seine Kompetenzen überschreite. Der VFA warnte vor Nachteilen für die Patienten. Der Entwurf sei innovationshemmend und erschwere eine Therapie nach dem neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisstand, sagte die Hauptgeschäftsführerin Cornelia Yzer. Sie kritisierte zum Beispiel die Absicht, Heilversuche auf den individuellen Einzelfall zu beschränken und von der Zustimmung durch die Krankenkassen abhängig zu machen. Das vollständige Ausgrenzen von zugelassenen Arzneimitteln in nicht zugelassenen Indikationen sei ebenso problematisch wie die grundsätzliche Genehmigungspflicht. Yzer verwies in diesem Zusammenhang auf die Tatsache, daß Zulassungsentscheidungen häufig hinter wissenschaftlichen Erkenntnissen hinterherhinkten. Darüber hinaus erschwere diese Regelung die Arbeit in Schwerpunktpraxen, wo ein Arzt etliche Patienten gleichzeitig betreue, für die derartige Heilversuche eine letzte Behandlungschance darstellten. Unter Umständen müsse er dann entscheiden, welchem Patienten er eine Therapie zukommen lasse und welchem nicht.

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