Arzneimittel und Therapie

Der Impfstoff, der aus der Banane kommt

Impfstoffe können in transgenen Pflanzen hergestellt und mit der Pflanze verzehrt werden. Erste Untersuchungen sprechen dafür, daß die Immunisierung funktioniert, preiswert und gut verträglich ist.


Mit traditionellen Impfstoffen, die einfach in der Herstellung und Anwendung sind, beispielsweise Pocken- und Poliomyelitis-Impfstoff, wurden enorme Erfolge erzielt. Dennoch sind in den Entwicklungsländern Infektionskrankheiten noch immer die Todesursache Nummer eins.

Gentechnische Herstellung


Die neueste Impfstoffgeneration, die Subunit-(Untereinheiten-)Impfstoffe, erfordern eine aufwendige gentechnische Herstellung. Zunächst müssen Gene für eine antigene Untereinheit aus den Erregern (Viren oder Bakterien) isoliert werden, um dann in die DNA eines anderen Organismus, z. B. eine Hefe oder Escherichia coli, eingeschleust zu werden. Der transgene Wirtsorganismus produziert daraufhin das gewünschte Protein. Dieses Eiweiß enthält den antigenen "Fingerabdruck" des Erregers, ohne selbst die Krankheit auszulösen. Der Untereinheiten-Impfstoff muß schließlich aus dem transgenen Wirt gereinigt und dem Impfling injiziert werden.

Ist eine preisgünstigere Herstellung möglich?


Ein so aufwendiges Verfahren schließt eine Anwendung in ärmeren Ländern praktisch aus. Eine wesentliche Vereinfachung könnten transgene Pflanzen bedeuten, die die Impfstoffe produzieren und direkt als Nahrung konsumiert werden. Damit entfallen sowohl die Impfstoffreinigung als auch die Injektion.
Transgene Pflanzen, wie Mais, Baumwolle und Soja, sind in der Landwirtschaft der USA und Kanada, aber auch in China bereits etabliert. Solche Pflanzen haben sich über viele Generationen als genetisch stabil erwiesen.

Impfstoffe gegen Durchfallerreger


In den vergangenen sieben Jahren wurden transgene Pflanzen auch als Produktionssystem für Untereinheiten-Impfstoffe getestet. Die Forschung begann mit Impfstoffen gegen Durchfallerreger. Fast drei Millionen Kleinkinder sterben jedes Jahr in den Entwicklungsländern an Durchfall. Eine orale Immunisierung - sei es mit einem abgeschwächten Erreger oder mit einer antigenen Untereinheit daraus - dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit lokal gegen Darmerkrankungen schützen.
Dabei führt die Immunisierung zum Auftreten sowohl von spezifischen Antikörpern im Serum als auch von spezifischen sekretorischen Antikörpern in Darmschleimhaut-Sekreten. Sekretorische Antikörper sind für die Infektionsabwehr an Schleimhautoberflächen verantwortlich.

Im Tierversuch erfolgreich


Im Tierversuch gelang bereits die orale Immunisierung mit Untereinheiten-Vakzinen gegen Durchfallerreger. So entwickelten Mäuse, die transgene Kartoffeln fraßen, sowohl Serum- als auch sekretorische Antikörper gegen das in den Kartoffeln gebildete Capsidprotein des Norwalk-Virus.

Pflanzen produzieren oft nur geringe Impfstoff-Mengen


Allerdings produzieren Pflanzen nicht jedes gewünschte Antigen in ausreichender Menge. Beispielsweise werden die bindende Untereinheit des hitzelabilen Enterotoxins von E. coli (LT-B) und die bindende Untereinheit des Choleratoxins (CT-B) nur unbefriedigend in Pflanzenzellen angereichert. Um die Impfstoff-Anhäufung in diesen Fällen zu verbessern, werden folgende Strategien verfolgt:

  • CT-B wird mit einem Pflanzenzell-Lokalisationssignal verbunden.
  • Ein pflanzenoptimiertes, vollständig synthetisches LT-B-Gen wird hergestellt.

Problematisch: die unterschiedliche Glykosylierung


Ein weiteres Problem bei der Impfstoffherstellung in Pflanzen ist möglicherweise die unterschiedliche Glykosylierung der antigenen Proteine in Pflanzen- und in Säugetierzellen. Falls die Zuckerkette für das Epitop (den Teil des Antigenmoleküls, der mit dem spezifischen Antikörper reagiert) entscheidend ist, könnte eine veränderte Glykosylierung in Pflanzenzellen die Synthese des zur Immunität führenden Antigens verhindern. Untersuchungen mit einem Glykoprotein des Tollwutvirus, das in Tomaten produziert wird, sollen diese Problematik klären.

Problem Proteinfaltung


Bei manchen Impfstoffen kommt es auch auf die genaue Proteinfaltung der Epitope an. Erstaunlicherweise können transgene Pflanzen Partikel produzieren, die die Struktur der authenti-
schen Proteine nachahmen. So enthält das in Pflanzen produzierte Hepatitis-B-Oberflächenantigen die B- und T-Zell-Epitope in derselben Struktur wie kommerzielle Impfstoffe.

Klinische Prüfung mit rohen Kartoffeln


Die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat auf der Grundlage von Tierversuchen die klinische Prüfung von rohen Kartoffeln mit LT-B zugelassen. Freiwillige Probanden, die die rohen Kartoffeln aßen, entwickelten LT-B-spezifische IgG und IgA in einer Größenordnung, wie es sonst erst 106 virulente enterotoxische E.-coli-Bakterien unter Auslösung eines schweren Durchfalls bewirkt hätten. Die Autoren dieser Studie kommen zu dem Schluß, daß eßbare Impfstoffe sich durchaus für die Anwendung am Menschen eignen.

Passive Immunisierung gegen Karies


In einer anderen klinischen Studie bekamen freiwillige Probanden in einer Art passiver Immunisierung sekretorische Antikörper, die in Pflanzenzellen produziert worden waren. Die Antikörper verhinderten den Befall von Zähnen und Zahnfleisch mit dem Kariesbakterium Streptomyces mutans.

Verzehrbare Impfstoffe - eine vielversprechende neue Strategie?


Auch wenn die verzehrbaren Impfstoffe eine vielversprechende neue Strategie im weltweiten Kampf gegen Infektionskrankheiten sind, bleiben noch Fragen offen:

  • Gegen Fremdproteine in der Nahrung kommt es kaum zu starken Abwehrreaktionen (sog. orale Toleranz). Entwickelt der Mensch auch gegen die oral aufgenommenen Impfproteine eine solche Toleranz?
  • Welche Pflanze eignet sich am besten zur "Impfmahlzeit"? Die Banane erscheint besonders attraktiv, weil sie auch von Kleinkindern ungekocht verzehrt werden kann.


Literatur
Arntzen, C. J.: Pharmaceutical foodstuffs - oral immunization with transgenic plants. Nature Medicine Vaccine Supplement 4, 502- 503 (1998).

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