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Apotheker-Streit in Korbach - was nützen Berufsordnungen?

KORBACH (tmb). In der beschaulich wirkenden nordhessischen Kreisstadt Korbach ist der Friede innerhalb der Apothekerschaft seit Jahren durch einen Streit unter Kollegen gestört. Aus diesem Anlaß hatten am 22.Juli Korbacher Apotheker zu einer Diskussion eingeladen, bei der auch die Aufgaben der Kammern und Inhalte der Berufsordnungen hinterfragt wurden. Den Fragen stellten sich der Präsident der Hessischen Apothekerkammer Heribert Daume und der Kammergeschäftsführer Ulrich Laut.


Die Gastgeber der Veranstaltung liegen teilweise seit mehr als zehn Jahren im Streit mit einem in Korbach ansässigen Apotheker. Diesem wird von benachbarten Apothekern vorgeworfen, großzügig Geschenke an seine Kunden zu verteilen oder zu verschicken. Dabei solle es beispielsweise um Puppen, Plüschtiere, Weihnachtspyramiden und Nußknacker gehen. In neuerer Zeit würden zu den verschiedensten Anlässen Verlosungen durchgeführt. Dagegen gebe es in der betreffenden Apotheke nach Aussagen von Patienten keine Zeit für Beratung. Diese sei ohnehin in der kleinen Offizin angesichts des großen Kundenandranges kaum realisierbar.

Jahrelanger Streit in Korbach


Wie Franz Kirchner, Korbach, darstellte, dauern die verschiedenen angestrengten wettbewerbsrechtlichen Verfahren bereits seit drei Jahren und werden mittlerweile vor dem Oberlandesgericht verhandelt. Sogar Paul Hundelshausen, Medebach, dessen Apotheke 17 Kilometer von Korbach entfernt in Westfalen-Lippe liegt, beklagte Umsatzeinbußen durch einen "Apothekentourismus, der an Kaffeefahrten erinnert". Dies mache die Profilierung durch pharmazeutische Kompetenz unmöglich.
Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe wies der beklagte Apotheker Carl Stede in einem Gespräch mit der DAZ entschieden zurück. Er bedauerte, nicht über das Treffen informiert gewesen zu sein, so daß er sich dort nicht äußern konnte. Er räumte ein, daß er in den achtziger Jahren Zugabegeschenke gemacht habe. Mit den Zugaben hätten allerdings andere Apotheken in Korbach begonnen, was sich dann gegenseitig "hochgeschaukelt" habe. Doch gebe es bei ihm jetzt allenfalls noch wettbewerbsrechtlich zulässige Kleinigkeiten als Erinnerungswerbung zur Kundenbindung. Statt dessen profiliere er sich durch pharmazeutische Kompetenz, was er als wesentlich wirksamer ansehe. Er habe erkannt, daß die Rendite ohne Zugaben steige. Zu Weihnachten und Ostern habe er Verlosungen durchgeführt, deren rechtliche Rahmenbedingungen zuvor juristisch abgeklärt worden seien. So seien auch nur Kleinigkeiten verlost worden, bei denen es nicht um den materiellen Wert, sondern um die Erinnerung an die Apotheke ginge. Auf die Frage nach anhängigen Gerichtsverfahren gab Stede an, wegen der angeblichen Abgabe einer Baumwolltasche vor dem Landgericht Kassel verurteilt worden zu sein, obwohl die geladene Zeugin die Abgabe nicht bestätigt habe. Daraufhin sei das Urteil vom Oberlandesgericht aufgehoben worden. Den Streit mit den Kollegen aus der Umgebung erklärt Stede als Reaktion auf die gute Lage seiner Apotheke und deren Erfolg.
Dem steht die Darstellung der Apotheker anläßlich des Treffens in Korbach gegenüber. Sie fühlen sich von der Kammer im Stich gelassen, da ihre Hinweise auf zahlreiche berufs- und wettbewerbsrechtliche Verstöße mit verschiedenen Zeugenaussagen wirkungslos geblieben seien. Auch eine von dem Beklagten selbst eingeräumte Verurteilung durch das Berufsgericht habe die Verhältnisse nicht geändert. Guntram Klocke, Vorstandsmitglied der Landesapothekerkammer, erklärte, daß die Kollegen Hilfe von ihrer Berufsvertretung erwarteten, da die inhaltlichen und finanziellen Mittel der einzelnen Apotheken erschöpft seien. Dr. Rainer Rogasch, Sachsenhausen, verwies auf die nachhaltige Gefährdung der Existenz von Apotheken und fragte, inwieweit die Kammer der Situation gerecht werde und wohin grundsätzlich die Entwicklung des Standes gehen solle.

Daume weist Vorwürfe zurück


Kammerpräsident Daume wies die Anschuldigungen an seine Adresse mit Nachdruck zurück. Die Kammer habe die Meldungen über Verstöße gegen das Berufsrecht an die zuständigen Instanzen weitergeleitet und die nötigen berufsgerichtlichen Verfahren in Gang gesetzt. Außer dem Weg über die Berufsgerichtsbarkeit stünden der Kammer keine Maßnahmen zur Verfügung. Die Kammer habe nicht vergessen, irgendwelche Mittel einzusetzen. Andererseits äußerte er Verständnis für die Frustration der Korbacher Kollegen, auch er habe auf anderer Ebene vergleichbare Erfahrungen gemacht. Doch sei die dargestellte Machtbegrenzung der Kammer politisch gewollt. Auch Laut erläuterte, daß die Apothekerkammer nur leisten könne, was der Rechtsrahmen gestatte. Es bleibe auch in Zukunft nur die Möglichkeit, den Rechtsweg weiter zu beschreiten. Laut mahnte an, daß hierzu beweisbare Fakten erforderlich seien. Auch bei Verfehlungen, die nicht die pharmazeutischen Kernpflichten betreffen, komme der Anzahl der Ereignisse eine Bedeutung zu. Der Landtagsabgeordnete Karl-Heinz Dörrie (SPD), Twiste, Mitglied des Gesundheitsausschusses des Hessischen Landtages, äußerte Verständnis für die anwesenden Apotheker, er sehe jedoch keine Aussicht auf eine politische Lösung, solange nur ein regionales Problem vorliege.

Kommt Zeit, kommt Recht


Im Gespräch mit der DAZ erläuterte Kammergeschäftsführer Laut, der selbst Rechtsanwalt ist, die besondere Problematik der im Korbacher Fall anhängigen Gerichtsverfahren. Durch einzelne wettbewerbsrechtliche Urteile würden stets nur sehr eng umgrenzte Tatbestände, wie die Zugabe genau bestimmter Artikel erfaßt. Die Verurteilungen seien leicht zu umgehen. Daher versuchten die Kläger durch neue Nachtragsklagen alle Vorwürfe in einem Verfahren zu klären. Doch halte gerade dies die Verhandlungen immer länger auf. Bei der Beurteilung der Verfahrensdauer sei auch zu beachten, daß der Klageweg erst seit drei Jahren beschritten werde. Bei Verfahren der vorliegenden Art sei jedoch im allgemeinen mit einer Dauer von fünf bis sieben Jahren bis zur endgültigen, d. h. rechtskräftigen Entscheidung zu rechnen. Hinsichtlich des Instrumentariums der Berufsordnung warnte Laut davor, Regelungen an Einzelfällen zu orientieren, da Einzelfallgesetze stets verfassungsrechtlich bedenklich seien.

Berufsordnung: Was gehört hinein?


Bei der Diskussion in Korbach wurde auch die politische Frage aufgeworfen, was eine Berufsordnung regeln sollte. Laut erläuterte hierzu, daß sich die Berufsordnungen der Apotheker fast ausschließlich mit dem Wettbewerbsrecht befassen und sich damit überwiegend an die selbständigen Berufsangehörigen wenden. Die inhaltlichen Aussagen seien zumeist Redundanzen des allgemeinen Wettbewerbsrechtes. Strengere Werbeverbote würden dagegen mit dem Grundgesetz und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kollidieren. Als Alternative verwies Laut auf die Berufsordnungen der Rechtsanwälte, die detaillierte Angaben zu den Berufspflichten enthalten. Dementsprechend sollten die Berufsordnungen der Apotheker pharmazeutische Kernpflichten für alle Apotheker regeln. Daume wies Überlegungen zurück, daß eine strengere Berufsordnung, wie sie in Westfalen-Lippe existiere, andere disziplinarische Möglichkeiten böten.
Als weitere Inhalte der Berufsordnung wurden die bestehenden Regelungen zur Werbung für Dienstleistungen angesprochen. Einerseits sollten sich die Apotheker durch neue und besondere pharmazeutische Leistungen profilieren. Doch beklagte Rogasch, daß den Apothekern andererseits durch die Berufsordnungen die Instrumente aus der Hand genommen würden, um solche Leistungen bekannt machen zu können. Denn besondere Dienstleistungen liefen der althergebrachten Vorstellung, daß alle Apotheken gleiche Leistungen erbringen sollten, zuwider.

Marktverzerrung durch subventionierte Krankenhausware


Als weitere grundsätzliche Problematik wurden auf dem Korbacher Treffen die marktverzerrenden Arzneimittelverkäufe von Apotheken an Großhändler angesprochen, was insbesondere die preisgünstige Krankenhausware aus krankenhausversorgenden Apotheken betreffe. Daume erklärte, daß wechselseitig verpflichtende Vertriebsbindungsverträge hiergegen heute kein geeignetes Instrument mehr darstellten. Die Ursache solcher Geschäfte sei der gespaltene Herstellerabgabepreis. Bei einem einheitlichen Herstellerabgabepreis würden Arzneimittel in öffentlichen Apotheken etwas billiger, während die Krankenhäuser mit marktgerechten Preisen kalkulieren müßten. Doch wären seine Forderungen nach einem einheitlichen Herstellerabgabepreis innerhalb der ABDA auf Widerstände gestoßen.

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