Bericht

Famotidin

1. Handelspräparate


Ganor
Pepdul

2. Einordnung

3. Indikationen

  • Ulcera duodeni (Zwölffingerdarmgeschwüren),
  • Ulcera ventriculi (Magengeschwüren),
  • Zollinger-Ellison-Syndrom,
  • wiederholt auftretenden Ulcera duodeni (Rezidivprophylaxe),
  • intravenös: unterstützend zur Blutungsstillung bei Blutungen im Magen-Darm-Bereich.

4. Pharmakologie


Famotidin ist ein selektiver kompetitiver Antagonist an Histamin-H2-Rezeptoren, die zur Familie der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren gehören. Famotidin hemmt durch kompetitive Verdrängung von Histamin am H2-Rezeptor der Parietalzelle sowohl die basale als auch die nächtliche oder durch Nahrungszufuhr oder Pentagastrin stimulierte Magensäuresekretion. Insbesondere der intragastrale nächtliche pH-Wert steigt im Durchschnitt unter der abendlichen Gabe von 20 bzw. 40 mg Famotidin auf pH 5 bis 6,4. Es existiert keine Korrelation zwischen dem Serumspiegel und dem Ausmaß der Säuresekretionshemmung an der Parietalzelle.
Der maximale Effekt ist dosisabhängig und liegt bei ca. 1 bis 3 Stunden nach peroraler Applikation, bei intravenöser Applikation bei 30 Minuten. Der antisekretorische Effekt hält nach peroraler Gabe von 40 mg Famotidin ca. 10 bis 12 Stunden, nach Gabe von 20 mg 7 bis 9 Stunden an. 40 mg Famotidin entsprechen in ihrer Effektivität 300 mg Ranitidin oder 800 mg Cimetidin.
4.2. Pharmakokinetik
Die Pharmakokinetik von Famotidin ist linear.

  • Resorption: Nach oraler Gabe von 40 mg Famotidin werden maximale Plasmaspiegel nach 1 bis 3,5 Stunden erreicht, sie betragen 65 bis 105 ng/ml sowohl nach Einzel- als auch nach Mehrfachgabe, so daß nach mehrmaliger Applikation nicht mit einer Wirkstoffkumulation zu rechnen ist. Die maximalen Plasmakonzentrationen sowie die AUC änderten sich nicht nach Gabe eines internationalen Standardfrühstücks, so daß eine Beeinflussung der Bioverfügbarkeit nach Nahrungszufuhr nicht zu erwarten ist. Die Bioverfügbarkeit beträgt 40 bis 45%.
  • Verteilung: Das mittlere Verteilungsvolumen beim Gesunden beträgt 0,94 bis 1,4 l/kg und ändert sich kaum bei Patienten mit eingeschränkter Nieren- oder Leberfunktion. Die Halbwertszeit der Verteilung liegt bei 0,18 bis 0,5 Stunden.
  • Plasmaeiweißbindung: Die Bindung an Plasmaeiweiß ist mit 15 bis 20% als gering einzustufen.
  • Plasmahalbwertszeit: Die Plasmahalbwertszeit von Famotidin beträgt ca. 2,5 bis 3,5 Stunden, sowohl nach einmaliger als auch nach mehrmaliger Gabe.
  • Biotransformation: Famotidin wird zu 30 bis 35% in der Leber metabolisiert. Es unterliegt nur in geringem Maße einem First-pass-Metabolismus. Beim Menschen konnte nur ein Metabolit, das Sulfoxid, mit unklarer pharmakologischer Aktivität nachgewiesen werden.
  • Ausscheidung: Nach peroraler Applikation werden ca. 65 bis 70% der absorbierten Menge durch glomeruläre Filtration und aktive tubuläre Sekretion renal eliminiert. Die Wiederfindung der Muttersubstanz im Urin beträgt nach peroraler Gabe 25 bis 30%, nach intravenöser Gabe 65 bis 70%. Die Gesamtkörperclearance liegt bei 4,1 bis 13,8 mlxmin-1xkg-1, die renale Clearance bei 250 bis 450 ml/min.


Wirkdauer, Plasmakonzentration und Ausscheidung im Urin sind dosisabhängig.
4.3. Pharmakokinetik bei eingeschränkter Organfunktion

  • Bei eingeschränkter Nierenfunktion: Die mittlere Plasmahalbwertszeit ist bei Patienten mit eingeschränkter Niereninsuffizienz verlängert. Bei Patienten mit einer Kreatininclearance unter 10 ml/min kann die Eliminationshalbwertszeit von Famotidin 20 Stunden, bei Patienten mit Anurie 27 Stunden überschreiten. Während bei gesunden Probanden ca. 80% der Substanz nach intravenöser Applikation im Urin wiedergefunden werden, sinkt die Wiederfindung bei niereninsuffizienten Patienten (Kreatininclearance <30 ml/min) auf ca. 21%. Um eine Arzneistoffkumulation zu verhindern, sollte die Dosis dem Grad der Niereninsuffizienz angepaßt werden: Kreatininclearance <10 ml/min: 20 mg/d peroral, Kreatininclearance>10 ml/min: 20 bis 40 mg peroral.
  • Bei eingeschränkter Leberfunktion: Die Pharmakokinetik von Famotidin sowohl bei kompensierten als auch bei dekompensierten Leberzirrhotikern unterscheidet sich nicht signifikant von der gesunder Probanden. Die Plasmakonzentrationen und die renale Exkretion waren bei 11 Zirrhotikern und 5 Lebergesunden nach einmaliger peroraler oder intravenöser Applikation von 20 mg Famotidin sowie nach mehrmaliger Gabe von 40 mg/d Famotidin p.o. vergleichbar.
  • Bei älteren Patienten: Die Pharmakokinetik von Famotidin zeigte keine signifikanten Veränderungen bei älteren gesunden Patienten. Sie erhalten somit das gleiche Dosisregime wie jüngere Patienten. Berücksichtigt werden muß allerdings eine eingeschränkte Nierenfunktion von älteren Patienten, die eine evtl. Dosisanpassung erfordert (s.o.).

5. Vorsichtsmaßnahmen


Über die Wirksamkeit und Sicherheit von Famotidin bei Kindern liegen keine ausreichenden Erfahrungen vor.
Untersuchungen an Ratten (2 g/kg KG/d p.o.), Mäusen und Kaninchen (0,5 g/kg KG/d p.o.) zeigten keine Hinweise auf teratogene oder andere embryotoxische Wirkungen. Es wurden keine Veränderungen des postnatalen Verhaltens oder der Fertilität beobachtet.
5.1. Schwangerschaft und Stillzeit
Da beim Menschen keine ausreichenden Erfahrungen vorliegen, wird die Anwendung von Famotidin bei schwangeren Frauen oder stillenden Müttern nicht empfohlen. Famotidin wird in die Muttermilch ausgeschieden.
5.2. Kontraindikationen

  • Überempfindlichkeit gegenüber Famotidin
  • Schwangerschaft und Stillzeit; ggf. nur nach strengster Indikationsstellung und sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung.


5.3. Wechselwirkungen
In therapeutischer Dosierung sind substanzspezifische Wechselwirkungen mit anderen Mitteln bisher nicht bekannt. Famotidin zeigt im Gegensatz zu dem H2-Rezeptor-Antagonist Cimetidin keine Beeinflussung des Cytochrom-P450-Systems. Dieses wurde in Studien mit Warfarin, Phenytoin, Diazepam, Propranolol, Aminopyrin und Antipyrin verifiziert.
Auch der hepatische Blutfluß sowie die Gerinnungshemmung unter Koadministration von Phenprocoumon wurde unter der Gabe von Famotidin nicht verändert.
Neuere Untersuchungen einer Arbeitsgruppe zeigten, daß die Clearance von Theophyllin unter gleichzeitiger Famotidingabe reduziert sein kann [Dal Negro et al., 1993].
Die gleichzeitige Gabe von Antazida zeigte klinisch keine signifikant veränderten AUC- und Cmax-Werte für Famotidin durch Hemmung der Resorption. Bei der gleichzeitigen Gabe von Probenecid muß mit höheren AUC-Werten und geringerer renaler Clearance gerechnet werden, da auch Probenecid aktiv tubulär sezerniert wird.
Generell ist zu beachten, daß die Resorption anderer Arzneistoffe durch Anhebung des gastralen pH-Wertes sowohl verbessert (z.B. Midazolam, Amoxicillin) als auch vermindert (z.B. Ketoconazol, Indometacin) sein kann.

6. Nebenwirkungen

  • {te}Selten: Kopfschmerzen (4,7%), Schwindel, Diarrhö, Obstipation, Nausea, Übelkeit, Erbrechen, gastrointestinale Störungen, Mundtrockenheit, Flatulenz, Appetitlosigkeit, Müdigkeit, Veränderung von Laborwerten (Transaminasen, g-GT, Bilirubin, alkalische Phosphatase), Pruritus, Urtikaria, Hautausschlag, Überempfindlichkeitsreaktionen (Anaphylaxie, Bronchospasmus, angioneurotisches Ödem, Urtikaria), Arthralgien, intrahepatische Cholestase.
  • Einzelfälle: psychische Störungen wie Verwirrtheit, Halluzinationen, Desorientiertheit, Angst- und Unruhezustände, Nervosität, Depression, Impotenz, Libidoverlust, Brustspannung, Menstruationsstörungen, Muskelkrämpfe, Parästhesien, Schläfrigkeit, Schlaflosigkeit, epileptische Anfälle vom Typ des Grand mal, Alopezie, Leukopenie, Thrombozytopenie, Agranulozytose, Panzytopenie, toxische epidermale Nekrolyse, Hyperprolaktinämie, akute Hepatitis, Tinnitus.


In Case reports wurde auch das Auftreten von Herzrhythmusstörungen, Blutdruckschwankungen, Palpitationen, Bradykardie oder AV-Block beschrieben, wobei der kausale Zusammenhang mit der Famotidingabe geklärt werden muß.

7. Hinweise zur Einnahme


Famotidin als Pepdul(r) rapid, schnellauflösende Plättchen, wird auf die Zunge gelegt und nach dem Auflösen mit dem Speichel heruntergeschluckt.

8. Dosierung


Die empfohlene Tagesdosis wird als Einzeldosis am Abend eingenommen und beträgt bei akuten Zwölffingerdarmgeschwüren sowie bei Magengeschwüren 40 mg Famotidin (oder 2mal 20 mg/die). Die Behandlungsdauer beträgt 4 Wochen und kann bis zu 8 Wochen verlängert werden. Falls endoskopisch die Abheilung des Ulkus nachgewiesen wurde, kann die Behandlungsdauer verkürzt werden.
Zur Rezidivprophylaxe von Zwölffingerdarmgeschwüren wird empfohlen, die Tagesdosis auf eine abendliche Gabe von 20 mg Famotidin zu halbieren.
Bei Zollinger-Ellison-Syndrom wird bei nicht vorbehandelten Patienten die Therapie mit 20 mg Famotidin alle 6 Stunden begonnen. Die Dosierung wird dann individuell nach den Bedürfnissen des Patienten festgelegt. Bis zu einem Jahr wurden Tagesdosen von 800 mg Famotidin ohne Wirkverlust oder Auftreten von relevanten Nebenwirkungen vertragen.
8.2. intravenös
Bei akuten Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwüren, unterstützend bei Blutungen im oberen Magen-Darm-Bereich oder beim Zollinger-Ellison-Syndrom ohne sekretionshemmende Vorbehandlung werden initial 20 mg Famotidin über mindestens 2 Minuten intravenös appliziert oder über 15 bis 30 Minuten infundiert. Bei einer Einmaldosis von 20 mg wird Famotidin bei akuten Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwüren oder unterstützend bei Blutungen im oberen Magen-Darm-Bereich zweimalig im Abstand von 12 Stunden (Tagesdosis 40 mg) langsam injiziert oder über 30 Minuten infundiert.
Bei Zollinger-Ellison-Patienten erfolgt die Weiterbehandlung mit 20 mg Famotidin i. v. alle 6 Stunden. Die Dosierung und das Dosierungsintervall werden auch hier individuell ermittelt.
Die intravenöse Einzeldosis von Famotidin sollte 20 mg nicht überschreiten.
8.3. Dosisanpassung bei eingeschränkter Nierenfunktion
Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion (Kreatininclearance unter 30 ml/min) wird eine Halbierung der Tagesdosis auf 20 mg Famotidin empfohlen (s. o.).
8.4. Dosisanpassung bei Leberinsuffizienz
Bei Leberinsuffizienz ist keine Reduktion der Dosis notwendig. Die Anpassung der Dosis richtet sich nur nach der renalen Funktion des entsprechenden Patienten.

9. Aufbewahrung

10. Therapie bei Überdosierung


Literatur
Ammon, H. P. T. (Hrsg.): Arzneimittelneben- und -wechselwirkungen, 3. Auflage. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 1991.
Dal Negro, R., C. Pomari, P. Turco: Famotidine and theophylline pharmacokinetics. An unexpected cimetidine-like interaction in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Clin. Pharmacokinet., 24 (3), p. 255-258, 1993.
Forth, W., D. Henschler, W. Rummel, K. Starke (Hrsg.): Pharmakologie und Toxikologie, 7. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, Berlin, Oxford 1996.
Gelman, C. R., B. H. Rumack, A. J. Hess (Hrsg.): Drugdex(r) System, Micromedex Inc., Englewood, Colorado, USA 1997.
Kleinebrecht, J., J. Fränz, A. Windorfer: Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit, 4. Auflage. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 1996.
Mutschler, E.: Arzneimittelwirkungen, 7. Auflage. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 1996.
Reynolds, J. E. F. (Hrsg.): Martindale, The Extra Pharmacopoeia, 31th Edition, The Pharmaceutical Press, London 1996 (Electronic Edition on Micromedex CD-ROM). Anschrift der Verfasserin: Susan Kober, Pharmakologisches Institut für Naturwissenschaftler der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Biozentrum Niederursel N 260, Marie-Curie-Str. 9, 60439 Frankfurt/Main

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