Arzneimittel und Therapie

Sind Wechselwirkungen vermeidbar?

Bakterielle Infektionen haben seit der Entdeckung der Antibiotika ihren Schrecken weitgehend verloren. Inzwischen steht eine ganze Palette unterschiedlicher Substanzgruppen mit antibakterieller Wirkung zur Verfügung. Die Fülle der Substanzen bringt jedoch nicht nur Vorteile mit sich, sie vergrößert auch die Gefahr, daß vermehrt Wechselwirkungen auftreten.


Penicilline, Tetracycline, Makrolidantibiotika, Fluorochinolone, Cephalosporine, Rifamycine, Azole und andere antimikrobielle Stoffgruppen können mit häufig verwendeten Arzneisubstanzen in nachteiliger Weise interagieren - meistens durch ihre Wirkung auf den Lebermetabolismus. Die Veränderung der Biotransformation ist dabei in der Regel eine Folge der Induktion oder Hemmung von Cytochrom-P-450-Enzymen.

Die Familie der Cytochrom-P-450-Enzyme


Mikrosomale Monooxygenasen, die Hämproteine vom Typ des Cytochrom P-450 enthalten, besitzen die weitaus größte Bedeutung für die oxidative Biotransformation von Pharmaka. Sie katalysieren alphatische und aromatische Hydroxylierungen, die Epoxidierung von olefinischen und aromatischen Doppelbindungen, oxidative Desalkylierungen, oxidative Desaminierungen und die Oxidation von Thioethern und Aminen zu Sulfoxiden bzw. Hydroxylaminen.
Bislang sind etwa 20 Isoenzyme von Cytochrom-P-450-haltigen Monooxygenasen beim Menschen bekannt, von denen das P-450-Isoenzym P-450IIIA4 (CYP3A4) die größte Rolle zu spielen scheint. Dieses Enzym ist beispielsweise an der Metabolisierung vieler Arzneistoffe, einschließlich Cyclosporinen, Warfarin und Terfenadin, beteiligt und interagiert auch mit anderen Isoenzymen. So hemmt es beispielsweise CYP1A2, das teilweise für den Methylxanthin-Metabolismus verantwortlich ist.

Interaktionen von Antibiotika


mit Cytochrom-P-450-Enzymen
Wie bereits erwähnt, interagieren die meisten Antibiotika mit Cytochrom-P-450-Enzymen - allerdings auf unterschiedliche Weise und mit unterschiedlichen Vorlieben für einzelne Isoenzyme. So hemmen Makrolidantibiotika beispielsweise durch Bildung eines stabilen Komplexes das Cytochrom P-450IIIA4 (CYP3A4). Für die Azole gibt es Anzeichen, daß sie Breitspektrum-Inhibitoren der Cytochrome P-450 sind. Rifampicin und Rifabutin induzieren mehrere P-450-Cytochrome, einschließlich CYP3A4, so daß der Metabolismus vieler Arzneistoffe gesteigert wird.

Wechselwirkungen müssen nicht sein


Nebenwirkungen sind eine unvermeidbare Begleiterscheinung von Arzneimitteltherapien. Wechselwirkungen sind jedoch vermeidbar oder zumindest reduzierbar - dies gilt auch im Fall der Antibiotika. Voraussetzung dafür ist zum einen, daß durch Verwendung von geeigneten Testsystemen, beispielsweise In-vitro-Präparationen menschlicher Enzyme, das Wechselwirkungspotential der Arzneistoffe überprüft und dokumentiert wird. Diese Überprüfung ist heute in zunehmendem Maße möglich. Zum anderen ist die Reduzierung oder Vermeidung von Wechselwirkungen natürlich eine Frage der geeigneten Arzneimittelauswahl. Einen Vorteil bieten hierbei Substanzen, die selbst ein niedriges Wechselwirkungspotential besitzen. Eine solche Substanz aus der Gruppe der Cephalosporine ist beispielsweise Ceftibuten, das zur Behandlung von Atemwegserkrankungen und Infektionen der Nieren eingesetzt werden kann. Es wird als cis-Isomer verabreicht und nur zu einem geringen Teil metabolisiert. Der Hauptanteil wird unverändert über die Niere ausgeschieden. Da eine Verstoffwechselung über die Leber praktisch nicht stattfindet, treten auch Interaktionen mit Cytochrom P-450 und dadurch bedingte Wechselwirkungen kaum auf. Der Einsatz solcher Substanzen ist eine gute Möglichkeit, das Problem der Arzneimittelwechselwirkungen gering zu halten.
Quelle
Prof. Dr. Bernd Wiedemann, Bonn, Prof. Dr. Wolfgang Elies, Bielefeld, Prof. Dr. F. Sörgel, Nürnberg, Presse-Symposium -Wechselwirkungen bei der Antibiotika Therapie: Mit Ceftibuten sind Wechsel- und Nebenwirkungen so gut wie vermeidbar, Kloster Seeon im Chiemgau, 4. Juli 1998, veranstaltet von Essex Pharma GmbH, München.
Dr. Beatrice Rall, Stuttgart

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