DAZ aktuell

Gemeinsame Ziele oder Eigeninteressen?

FRANKFURT/MAIN (ral). Über die Frage "Gibt es gemeinsame Ziele der am Gesundheitswesen beteiligten Partner?" diskutierten am 9.Juli auf einem von der Wörwag Pharma GmbH veranstalteten Presseseminar Vertreter der Industrie, der Krankenkassen und der Ärzteschaft. Aufhänger für die Diskussion war die Kosten-/Nutzenrelation einer verbesserten Versorgung von Diabetikern.


"Ziel eines jeden Gesundheitssystems ist die Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung körperlicher und seelischer Gesundheit der Bevölkerung, die Verbesserung ihres Gesundheitszustandes und die frühzeitige Erkennung und Verhütung von gesundheitlichen Schäden, die die Bevölkerung treffen könnten." Mit dieser Formulierung der im Sozialgesetzbuch verankerten Zielsetzung eröffnete Prof. Dr. Wolfgang Brech, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Südwürttemberg, die Diskussionsrunde. Diesem Ziel, so Brech, verpflichten sich auch die verschiedenen Partner im Gesundheitssystem. Allerdings beschreiten sie zur Erreichung verschiedene Wege und natürlich hat jeder der Partner neben dem gemeinsamen Ziel auch noch berechtigte Eigeninteressen: So stellen die deutsche Sozialgesetzgebung und davon abgeleitet die Krankenkassen die Ziele des Gesundheitssystems unter die Prämisse der Wirtschaftlichkeit, das individuelle Ziel eines Arztes bei der Behandlung seiner Patienten muß deren seelisches und körperliches Wohlergehen und Gleichgewicht ohne Blick auf die Kosten sein, und die Pharmaindustrie wird zwangsläufig eine Gewinnoptimierung und Sicherung von Arbeitsplätzen anstreben. Es sei nur natürlich, erklärte Brech, daß sich aus diesen unterschiedlichen Eigeninteressen Berührungsängste ergäben, insbesondere zwischen Ärzteschaft und Pharmaindustrie: "Das Terrain ist schwierig, da es sicherlich kaum möglich ist, zwischen einer humanitären und einer ökonomischen Motivation der Pharmaindustrie zu unterscheiden, während diejenige des Arztes primär oder ausschließlich humanitär sein sollte. Trotzdem sollte man sich darüber im Klaren sein, daß ohne den Einsatz der Pharmaindustrie und deren Ressourcen pharmakologische Forschung, Erkenntnisse über die Anwendung und den Wert eines pharmazeutischen Produktes und die Beeinflussung von Krankheitsverläufen heute in den Industrieländern nicht mehr möglich wären." Man dürfe sich daher nicht abgrenzen, so Brech, sondern müsse sich fragen, wie die berechtigten und notwendigen Ziele der Pharmaindustrie für die Ziele einer humanen, fortschrittlichen und effizienten Behandlung nutzbar gemacht werden können.

Kosten und Nutzen unter einen Hut bringen


Daß sich die Nutzung der Entwicklungen der Pharmaindustrie durchaus rechnet, erklärte Prof. Dr. J.-M. Graf von der Schulenburg, Institut für Versicherungsbetriebslehre der Universität Hannover, am Beispiel der antihypertensiven Therapie von Diabetikern mit Nitrendipin. Er wies darauf hin, daß der Zusammenhang zwischen der Entwicklung der diabetischen Nephropathie und einem Bluthochdruck bereits seit langem erwiesen ist, ebenso wie die Tatsache, daß eine langfristige Gabe des Calciumantagonisten Nitrendipin zu einer Senkung des Blutdrucks und einer Verbesserung der Nierenfunktion führt. Die Beachtung dieser Zusammenhänge lohnt sich jedoch nicht nur aus Gründen der verbesserten Lebensqualität für den Patienten, so Schulenburg, sondern auch aus gesundheitsökonomischer Sicht. Dies konnte anhand einer Kohorten-Markov-Ketten-Simulationsstudie nachgewiesen werden, einem rechnerischen Modell, das der Feststellung der Kosteneffektivität einer Therapie dient.
Solche Modelle sind laut Schulenburg heute unverzichtbar, wenn es um die Entscheidung für oder wider eine bestimmte Therapiemaßnahme geht. Sie sind Grundlage einer Therapieoptimierung im Rahmen von Managed Care und sollen nicht nur den Leistungserbringern sondern auch den Patienten mehr Transparenz vermitteln. Schulenburg betonte: "Die Bevölkerung ist durchaus bereit, mehr Geld auch für die Gesundheit auszugeben - wenn die Leistungserbringer deutlich machen können, daß ein tatsächlicher Nutzen vorhanden ist."

Fallmanagement zwischen Hausarzt und Schwerpunktpraxis


Eine intensivierte Zusammenarbeit zwischen Hausärzten und Schwerpunktpraxen will die Barmer Ersatzkasse zur Verbesserung der Versorgung von Diabetikern und zur gleichzeitigen Kostenreduktion erreichen. Wie Dr. Gerd Glaeske, Leiter der Abteilung für wissenschftliche-medizinische Grundsatzfragen bei der Barmer Ersatzkasse, ausführte, sollen hierfür Qualitätszirkel aus Hausärzten, Schwerpunktpraxen und Kliniken eingerichtet werden. Den rechtlichen Rahmen bilden Modellverträge mit den Kassenärztlichen Vereinigungen mit folgenden Inhalten:

  • Die Basisversorgung der Diabetiker soll nach wie vor beim Hausarzt liegen. Dieser verpflichtet sich, regelmäßig prophylaktische Untersuchungen von z. B. Augen und Füßen durchzuführen und diese Untersuchungen nach einem vorgegebenen Schema zu dokumentieren. Bei erkennbarem erhöhtem Risiko für Nephropathien, Mikro- oder Makroangiopathien oder weiteren Komplikationen des Diabetes, soll der Patient an die Schwerpunktpraxis überwiesen werden.
  • Die Schwerpunktpraxis ist zunächst Ansprechpartner für den Hausarzt. Sie muß in jedem Fall als zweiter "Gutachter" vor einer Einweisung in die Klinik dienen.
  • Eine stationäre Aufnahme in die Klinik soll im Rahmen der verbesserten ambulanten Versorgung nur bei akuter Notwendigkeit angeordnet werden. Die Klinik ist im Sinne eines verbesserten Informationsflusses in den Qualitätszirkel eingebunden.


Die inhaltlichen Ziele der Qualitätszirkel sollen, so Glaeske, durch ein geeignetes Vergütungss

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