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Umwelt und Arzneimittel: Die Stellung des Umweltschutzes im Arzneimittelrecht wi

BONN (sg). Verbraucher denken im Zusammenhang mit Arzneimitteln normalerweise nicht an Umweltprobleme. Auch politisch maßgebliche Institutionen verbinden mit Arzneimitteln in erster Linie deren Nutzen zur Heilung von Krankheiten, eventuell noch mögliche Risiken für den Patienten durch die Nebenwirkungen von Arzneimitteln. Das Thema Umweltschutz und Umweltverträglichkeit wurde daher bei der Ausgestaltung des Arzneimittelrechts lange vernachlässigt, Ų zu Unrecht, wie inzwischen feststeht (vgl. dazu DAZ 1996, Nr. 36, S. 56f.).

Arzneistoffe sind biologisch hochaktive Stoffe: Sie bekämpfen als Antibiotika pathogene Bakterien, als Antiparasitika wirken sie gegen Protozoen, Würmer und Insekten, sie beeinflussen den Stoffwechsel, verschieben das hormonelle Gleichgewicht, modulieren die Signalübertragung innerhalb eines Organismus oder töten als Zytostatika schnellwachsende entartete Zellen ab, um nur einige Beispiele ihrer möglichen Wirkpotenz zu nennen. Daß Arzneistoffe auch unerwünschte Nebenwirkungen beim Patienten (oder als Tierarzneimittel beim behandelten Tier) haben können, ist bekannt; daß sie ebenso Wirkungen auf sonstige Lebewesen haben können, ist, wenn Arzneistoffe in die Umwelt gelangen, aufgrund ihrer biologischen Aktivität wahrscheinlich.

Wie Arzneistoffe in Umweltmedien gelangen Der Eintrag von Arzneistoffen in Umweltmedien ist, bedingt durch die heutige Lebensweise, kaum zu verhindern. Insbesondere bei Tierarzneimitteln können die Eintragswege nicht geleugnet werden: Die Intensivtierhaltung arbeitet mit erheblicher medikamentöser Unterstützung; mit ihren Abfallprodukten (Gülle und Festmist) werden Tierarzneimittel wieder ausgeschieden und in die Umwelt verbracht. Die Massenanzucht von Edelfischen in Fischzuchtanlagen ist ebenfalls vom Einsatz von Arzneimitteln abhängig, deren Eintrag in natürliche aquatische Kompartimente befürchtet werden muß. Tiere, die in Räudebädern gegen Ektoparasiten behandelt worden sind, können über ihr Fell Antiparasitika in natürliche Gewässer eintragen; zwar denkt man bei letzterem in erster Linie an Schafe, jedoch auch behandelte Kleintiere stellen eine nicht unerhebliche Eintragsquelle dar. Aber nicht nur bei Tierarzneimitteln, sondern auch bei Humanarzneimitteln muß man davon ausgehen, daß sie zum einen über menschliche Ausscheidungsprodukte, zum anderen aufgrund unsachgemäßer Entsorgung nicht verbrauchter Arzneimittel über die Toilette in die Umwelt gelangen. In vielen Wasserproben (Kläranlagen, Oberflächengewässer, Grundwasser und vereinzelt Trinkwasser) wurden inzwischen Arzneistoffe gefunden. Außer daß Auswirkungen dieser Arzneieinträge auf die Umweltkompartimente und deren Lebewesen zu befürchten sind, muß aufgrund der Arzneifunde in Gewässern auch damit gerechnet werden, daß eine unbekannte Zahl von Menschen über das Trinkwasser dauernd und unfreiwillig mit unterschwelligen Dosen von Arzneimitteln ≥therapiert" wird. Über mögliche Effekte dieser Langzeitbelastung ist nichts bekannt.

Umweltschutz bei Arzneimittelzulassung berücksichtigen Im Sinne des Vorsorgeprinzips sollte der Schutz der Umwelt im Rahmen der Bewertung und Zulassung von Arzneimitteln den ihm gebührenden Rang erhalten. Dies sollte beinhalten, daß im Zulassungsverfahren für Arzneimittel die umweltrelevanten Eigenschaften der Arzneistoffe ermittelt und daraus die möglichen Risiken für die Umwelt abgeschätzt werden. Dies wiederum sollte die Grundlage dafür sein, daß mögliche geeignete Maßnahmen zur Risikominderung ergriffen werden können. Auch die Europäische Kommission hat sich bereits dieses Problems angenommen: In den entsprechenden EG-Richtlinien über die Zulassung von Tierarzneimitteln wurde der Umweltschutz aufgenommen; erste grundsätzliche Bestimmungen zur Prüfung der Ökotoxizität und zur Bewertung der von den Arzneistoffen ausgehenden Risiken für die Umwelt wurden angenommen und in Kraft gesetzt. Auch das deutsche Arzneimittelrecht wird künftig den Belangen des Umweltschutzes mehr Rechnung tragen. Prüfungen zur Ökotoxizität von neu zuzulassenden Tierarzneimitteln müssen ohnehin aufgrund einer Allgemeinen Verwaltungsvorschrift aus dem Jahre 1995, die die entsprechende EG-Richtlinie von 1992 umsetzt, durchgeführt werden; in Zukunft sollen Erkenntnisse zur Ökotoxizität, die sich aus diesen Prüfungen ergeben, nicht nur gewonnen, sondern auch genutzt werden. Dazu ist im künftigen Arzneimittelrecht vorgesehen, daß Arzneimittelverpackungen, Packungsbeilagen und Fachinformationen (Warn-)Hinweise über Vorsichtsmaßnahmen in bezug auf die Umwelt enthalten sollen. Im bisher geltenden Recht waren diese Hinweise bzw. Warnhinweise ausschließlich auf die Beseitigung nicht verbrauchter Arzneimittel beschränkt, während jetzt auch Vorsichtsmaßnahmen bei der Verwendung der Arzneimittel einzubeziehen sind. Die Übereinstimmung dieser (Warn-)Hinweise auf Arzneimittelverpackungen sowie in Packungsbeilagen und Fachinformationen mit dem tatsächlichen Gefahrenpotential des jeweiligen Arzneimittels wird durch Auflagen, die an die Zulassung gestellt werden, sichergestellt. Entscheidungen über umweltrelevante Auflagen trifft künftig nicht die für die Arzneimittelzulassung zuständige Behörde allein, sondern im Einvernehmen mit dem Umweltbundesamt, das die zuständige Behörde für die Bewertung der Umweltrisiken von sonstigen chemischen Stoffen und Produkten ist. Relevante Weiterentwicklungen auf dem Gebiet der Vorschriften über Prüfungen zur Ökotoxizität von Arzneimitteln und deren Bewertung sind insbesondere auf EG-Ebene zu erwarten; auch auf diesem Gebiet wird das Umweltbundesamt aufgrund einer entsprechenden Vorschrift im künftigen Arzneimittelrecht eine wichtige Rolle einnehmen können.

Keine Zulassung, wenn umweltunverträglich? Durch die Aufnahme dieser Vorschriften in das Arzneimittelrecht, die allerdings noch von Bundestag und Bundesrat gebilligt werden muß, wird ein Grundstein dafür gelegt, daß der Schutz der Umwelt direkt verbessert wird. Außerdem wird aber auch eine Basis dafür geschaffen, daß bei künftigen Weiterentwicklungen des Arzneimittelrechts der Umweltschutz noch weiter gestärkt werden kann. Zukünftig sollte im Sinne einer Harmonisierung des Stoffrechtes diskutiert werden, ob die Prüfung und Bewertung der Auswirkung von Arzneimitteln auf die Umwelt den für andere chemische Stoffe (Industrie- und Gebrauchschemikalien, Pflanzenschutzmittel, Biozide) etablierten Verfahren anzugleichen ist. Langfristig sollte auch darüber nachgedacht werden, welche Konsequenzen aus der möglichen Erkenntnis, daß die Auswirkungen eines gerade in Betrachtung stehenden (Tier-)Arzneimittels auf die Umwelt als unannehmbar bewertet werden, zu ziehen sind: Reicht ein Warnhinweis dann noch aus oder sollte, sofern dem keine therapeutische Notwendigkeit entgegen steht, die Zulassung versagt, zurückgenommen oder widerrufen werden?

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