DAZ aktuell

Zytostatika-Zubereitungen: Die Zytostatika-Richtlinie der Länder

Die Herstellung von Zytostatika-Zubereitungen ist wegen des Risikopotentials, das den verwendeten Arzneistoffen anhaftet, unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen durchzuführen. Aufgrund ihres Wirkmechanismus sind sie den sogenannten cmr-Stoffen zuzurechnen (cytotoxisch, mutagen, reproduktionstoxisch). Seit 1986 regelt die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) auch den Umgang mit derartigen Stoffen. Der sechste Abschnitt (insbesondere der §36) der GefStoffV umfaßt zahlreiche Bestimmungen, die neben den üblichen Schutzmaßnahmen beim Umgang mit krebserzeugenden Gefahrstoffen zu beachten sind. Daneben gelten jedoch in Apotheken weitere Regelungen, z.B. Unfallverhütungsvorschriften der jeweiligen Berufsgenossenschaft sowie die Bestimmungen der Arbeitsstättenverordnung.

Die Planung eines Zytostatika-Herstellungsraumes und die ordnungsgemäße Durchführung der Herstellung setzt die Kenntnis all dieser Vorschriften voraus. Die von der Arbeitsgemeinschaft der Leitenden Medizinalbeamten der Länder (AGLMB, jetzt Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden AOLG) verabschiedete und in der Mai-Ausgabe des Bundesarbeitsblattes veröffentlichte Richtlinie (Text siehe auch DAZ 1998, Nr.28, S.86) dient dem Zweck, die derzeitige Rechtslage zusammenzufassen und dem Anwender einen möglichst vollständigen Überblick zu verschaffen. Sie schafft damit kein neues Recht, sondern konzentriert die für die Zytostatika-Herstellung wesentlichen Bestimmungen der oben angeführten umfangreichen Vorschriften in einer Sammlung, um sowohl dem Apothekenleiter als auch dem Überwachungsbeamten die Arbeit zu erleichtern.

Die Niedersächsische Richtlinie Nachdem zunächst die Herstellung von Zytostatika-Zubereitungen auf Stationen, Krankenhausapotheken oder onkologische Praxen konzentriert war, werden diese seit Mitte der 90er Jahre in nennenswertem Umfang auch in öffentlichen Apotheken angefertigt. Um die zuständigen Überwachungsbehörden auf die besonderen Bestimmungen für die Zytostatika-Herstellung hinzuweisen, wurden von einigen Ländern erste Zytostatika-Richtlinien erlassen, die sich entweder an die Apothekenaufsichtsbehörde oder an die Ämter für Arbeitsschutz bzw. Gewerbeaufsichtsämter als die für den Bereich Gefahrstoffüberwachung zuständigen Behörden wandten. Nachdem das Niedersächsische Sozialministerium im Juli 1995 eine Zytostatika-Richtlinie als Überwachungsgrundlage an die Bezirksregierungen weitergab, wurde diese auch im Mitteilungsblatt der Apothekerkammer Niedersachsen bekanntgemacht. Damit wurde allen an der Zytostatika-Herstellung interessierten Apotheken im Kammerbereich die geltende Rechtslage in aufbereiteter Form zugänglich gemacht. Die Richtlinie fand breite Resonanz in der Fachpresse und wurde in mehr oder weniger modifizierter Form von einigen anderen Ländern übernommen.

13.ZL-Expertentreffen Schon bald wurde der Wunsch nach Vereinheitlichung der Länderrichtlinien und der behördlichen Überwachungsmaßnahmen laut. Beim 13.ZL-Expertentreffen im März 1996 zum Thema "Anfertigung von Zytostatikazubereitungen in der Apotheke" wurde dieses Thema eingehend diskutiert und nach einem Konsens über die einzuhaltenden Mindestqualitätsstandards gesucht [1-3]. Bedingt durch den zeitlichen Vorlauf und die umfangreichere Herstellung hatten die Krankenhausapotheken hier bereits Standards erreicht, die z.B. im Bereich der Infrastruktur, Reinraumtechnologie, EDV-Dokumentation von öffentlichen Apotheken nur schwer zu erreichen gewesen wären. Anhand der Niedersächsischen Richtlinie, die grundsätzlich nur die bereits bestehenden rechtlichen Forderungen wiedergab, wurde diskutiert, ob bzw. inwieweit eine künftige bundeseinheitliche Richtlinie durch zusätzliche, insbesondere pharmazeutische Forderungen ergänzt werden sollte. Das Ergebnis der Veranstaltung resultierte in der Empfehlung, kurzfristig eine bundeseinheitliche Richtlinie auf Grundlage der Niedersächsischen Richtlinie zu erarbeiten.

Projektgruppe Zytostatika-Richtlinie Das Niedersächsische Sozialministerium übernahm die Federführung einer Projektgruppe, die im Februar 1997 unter Beteiligung von Vertretern der für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden zusammentrat. Kontrovers wurde insbesondere die Frage der Luftführung im Herstellungsraum diskutiert. Während eine Umluftführung aus GMP-Gründen, aber auch Kostengründen vorteilhaft schien, entsprachen der geltenden Rechtslage grundsätzlich nur eine Abluftführung sowie raumlufttechnische Anlagen zur Beflüftung des Arbeitsraumes.

TRGS 525 - Umgang mit Gefahrstoffen in Einrichtungen der humanmedizinischen Versorgung Zeitlich parallel war eine andere Arbeitsgruppe mit der Erarbeitung eines TRGS-Entwurfs zum Umgang mit Gefahrstoffen im Gesundheitswesen beauftragt. Die speziell in diesem Bereich auftretenden Risiken sollten aufgegriffen und die dafür bestehenden rechtlichen Regelungen näher erläutert und präzisiert werden. Grund war die bisher noch ungenügende Umsetzung grundlegender Vorgaben der Gefahrstoffverordnung in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen der humanmedizinischen Versorgung, wozu auch die Apotheken zu zählen sind. Diese TRGS sollte neben dem Umgang mit Arzneimitteln, Inhalationsanästhetika und Desinfektionsmitteln auch den Umgang mit Zytostatika regeln. Zum Abgleich der Zytostatika-Richtlinie mit dieser TRGS nahm ein Vertreter der Projektgruppe als Gast an den weiteren Arbeitskreissitzungen teil. Insbesondere die Frage der ordnungsgemäßen Luftführung bzw. Raumbelüftung nach den Bestimmungen der Arbeitsstättenverordnung wurde eingehend diskutiert. Gemäß §36 Abs.7 GefStoffV ist bei der Verarbeitung krebserzeugender Stoffe eine Rückführung der abgesaugten Luft grundsätzlich ausgeschlossen. Die Luft darf nur dann in den Arbeitsbereich zurückgeführt werden, wenn sie unter Anwendung behördlicher oder berufsgenossenschaftlich anerkannter Verfahren oder Geräte ausreichend von krebserzeugenden Stoffen gereinigt ist. Zum damaligen Zeitpunkt wurden die GS-geprüften Werkbänke seitens der Berufsgenossenschaft als anerkannte Geräte angesehen. Eine behördliche Anerkennung lag jedoch noch nicht vor. Die nicht ganz eindeutige Rechtslage führte in der Vergangenheit zu Streitfällen bei behördlichen Überwachungsmaßnahmen.

Berufsgenossenschaftlich anerkanntes Verfahren Um diesem Mißstand abzuhelfen , erarbeiteten die Berufsgenossenschaften einen Entwurf zu einem derartigen anerkannten Verfahren und stellten diesen auf einer Veranstaltung der BGW im März 1997 zur Diskussion. Der Entwurf sah nicht nur Regelungen zur Werkbank vor, sondern beinhaltete u.a. auch Festlegungen zu Aufstellbedingungen, Arbeiten an der Werkbank und Funktionsprüfungen. Da die Einhaltung dieser Forderungen die Rechtsgrundlage für den Umluftbetrieb darstellt, aber auch als Stand der Sicherheitstechnik anzusehen und damit ebenso im Abluftbetrieb einzuhalten ist, hatte der Entwurf entsprechende Rückwirkung auf die zu erarbeitenden Richtlinien. Seitens der BGW war vorgesehen, der berufsgenossenschaftlichen auch die behördliche Anerkennung durch die zuständigen Ministerien der Länder folgen zu lassen.

Dampfdruckproblematik Bei der Diskussion über die Rückführung gereinigter Luft in den Arbeitsraum trat schnell die Frage nach dem Dampfdruck der eingesetzten Zytostatika in den Vordergrund. Die derzeit im Einsatz befindlichen mikrobiologischen Werkbänke jnach DIN 12950 Teil10 sowie die Zytostatika-Werkbänke nach DIN 12980 können bei grundsätzlich gleichartiger Filterbestückung lediglich partikuläre Substanz z.B. als Aerosoltröpfchen zurückhalten. Je nach dem Dampfdruck des nach Verdunsten des Lösungsmittels zurückbleibenden Feststoffes wird mehr oder weniger davon in gasförmiger Form wieder in die Abluft der Werkbank und damit in den Arbeitsraum abgegeben. Das Institut für Umwelttechnologie und Umweltanalytik e.V. (IUTA), Duisburg, befaßt sich seit längerer Zeit intensiv mit dieser Fragestellung und stellte Modellrechnungen zur Abschätzung der freigesetzten Partikel aus einer Sicherheitswerkbank an. Bei jeder 100. Zubereitung gelangt danach eines von 100 Teilchen, das im Arbeitsraum der Werkbank bei jeder Herstellung freigesetzt wird, in die Raumluft des Labors. Auf durchgeführten Dampfdruck-Messungen bei Cyclophosphamid beruhenden Hochrechnungen ergaben eine freigesetzte Gasmenge, die zu einer Konzentration in der Raumluft in der Größenordnung von 1ng/m3 pro Zubereitung und Tag führt [4]. Für den ungünstigsten Fall, daß der Arbeitsraum nicht belüftet wird und alle freigesetzten Gefahrstoffmoleküle im Raum verbleiben, wurden weitere Hochrechnungen bezüglich der aus der Raumluft aufgenommenen Zytostatika angestellt. Danach ergibt sich in einem Arbeitsleben von 30 Jahren unter den angenommenen Bedingungen eine Aufnahme von ca. 22g Cyclophosphamid bzw. 5g 5-Fluorouracil [5]. Die toxikologische Relevanz der Luftkontamination bei der täglichen Arbeit unter Einhaltung des aktuellen Sicherheitsstandards steht noch aus, so daß die Diskussion über die aus den Meßergebnissen zu ziehenden Konsequenzen noch nicht abgeschlossen ist.

Verabschiedung der Richtlinie Der TRGS-Entwurf ist inzwischen durch den Ausschuß für Gefahrstoffe (AGS) verabschiedet und als TRGS 525 "Umgang mit Gefahrstoffen in Einrichtungen der humanmedizinischen Versorgung" in der Mai-Ausgabe des Bundesarbeitsblattes bekanntgemacht worden. Auch der Entwurf zum "Berufsgenossenschaftlich und Behördlich anerkannten Verfahren", der zwischen der BGW, dem Bundesarbeitsministerium und den Ländern abgestimmt wurde, ist von diesen in aktualisierter Fassung im Länderausschuß für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LAS) beschlossen worden. Die vorliegende Zytostatika-Richtlinie kann nach entsprechender redaktioneller Anpassung nunmehr ebenfalls aufgrund des AGLMB-Beschlusses vom 8./9.Juli 1997 bekanntgemacht werden. Bei der Erarbeitung der Richtlinie stellte sich verständlicherweise die Frage, ob es überhaupt einer solchen bedürfe, wo doch bereits in der Gefahrstoffverordnung mit der dazugehörenden TRGS 525 und im anerkannten Verfahren bereits alles geregelt sei und die Richtlinie selbst grundsätzlich keine neuen, darüber hinausgehenden Forderungen stellt. Auch die Frage der rechtlichen Verbindlichkeit wurde mehrfach, insbesondere aus dem Kreise der Überwachungsbeamten, gestellt. Der Sinn dieser Richtlinie liegt in der Zusammenfassung der für die Zytostatikaherstellung relevanten Bestimmungen aus verschiedenen Regelwerken. Für den Anwender in der Apotheke wäre es sehr umständlich, sich alle bisher genannten Regelwerke zu beschaffen und die für die Zytostatikaherstellung geltenden Bestimmungen zu selektieren. Die Gefahrstoffverordnung als übergeordnetes Regelwerk und auch die TRGS 525 sind naturgemäß sehr umfassend gehalten, so daß nur ein bestimmter Teil Relevanz für die Zytostatikaherstellung hat. Auch das berufsgenossenschaftlich und behördlich anerkannte Verfahren führt Bestimmungen auf, die in der Apotheke nicht von Interesse sind, wie z.B. Anforderungen an den Sachkundigen. Die Richtlinie besteht aus einer Auswahl der die Zytostatika-Herstellung betreffenden Bestimmungen aus den genannten Regelwerken, aber auch aus weiteren Verordnungen (z.B. Arbeitsstättenverordnung) und aus DIN-Normen unter Nennung der jeweiligen Quelle. Dadurch ist im Bedarfsfall auch der Kontext erkennbar, in dem die Regelung steht. Die näheren Ausführungsbestimmungen können dann diesen Quellen entnommen werden.

Inhalt der Richtlinie § Zweck und Anwendungsbereich § Zuständige Behörden § Besondere apothekenrechtliche Bestimmungen 1.Organisation 2.Personal 3.Räume 4.Ausstattung 5.Technische Schutzmaßnahmen/ Persönliche Schutzausrüstung 6.Herstellung 7.Entsorgung 8.Reinigungs- und Desinfektionsverfahren. Als wichtigste Vorschrift ist die Forderung nach einem abgetrennten Raum und nach Aufstellen einer Sicherheitswerkbank anzusehen. Damit hat das Herstellen von Zytostatika-Zubereitungen z.B. im Stationszimmer eines Krankenhauses oder im Apothekenlabor ganz ohne technische Schutzausrüstungen der Vergangenheit anzugehören. Auch Laminar-Air-Flow-Geräte, wie z.B. zur Herstellung von Augentropfen eingesetzt, sind zur Zytostatika-Herstellung nicht geeignet. Auf eine Belüftung des Raumes, die mit den Lüftungsverhältnissen der Werkbank abgestimmt werden muß, kann nicht verzichtet werden, da Türen und Fenster während des Betriebs geschlossen zu halten sind und eine Belüftung des Raumes "auf Vorrat" zumindest theoretisch nur kurzfristig möglich ist. Aus GMP-Gründen scheidet die Öffnung des Fensters unmittelbar vor der Herstellung jedoch aus. Eine Belüftung des Raumes mit einem Anteil an Frischluft ist daher, zumindest bei längerer Herstellungstätigkeit, auf technischem Wege zu realisieren, wobei entsprechende Filter einzusetzen sind. Die vorgesehene Dokumentation der Herstellung geht sowohl in Form einer Herstellungsvorschrift und eines Herstellungsprotokolls über die sonst für Rezepturen geltende Vorschrift der ApBetrO hinaus.

Zusammenfassung Mit dieser von allen Bundesländern beschlossenen Richtlinie wird die Grundlage für eine vergleichbare Überwachung durch die zuständigen Behörden gelegt. Ebenso verfügen damit alle an der Zytostatika-Herstellung interessierten Apotheken über eine Richtschnur hinsichtlich der einzuhaltenden Bestimmungen, der jeweils zuständigen Behörden und der entsprechenden Rechtsgrundlagen. l

Literatur [1)DAZ 136 (1996) 1057-1061 [2]PZ 141 (1996) 1106 [3]PZ 141 (1996) 1195-1199 [4]Opiolka, S., et al.: Stoffeigenschaften, neue Erkenntnisse zu Dampfdrücken, Meßverfahren. 2.Fortbildungsseminar "Sicherer Umgang mit Zytostatika", IUTA, Düsseldorf 1997 [5]Opiolka, S., et al.: Umgang mit Zytostatika, Krankenhaus Technik, März (1998), 56-58 Dr. Diedrich, Bezirksregierung Braunschweig

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.