Arzneimittel und Therapie

Neu auf dem Markt: Testosteronpflaster für den Mann

Das transdermale Pflaster Androderm® 2,5 mg für die Therapie von Testosteronmangelerscheinungen bei Männern wird Anfang Juli 1998 in den deutschen Markt eingeführt. Androderm® ist das erste und bislang einzige nichtskrotale Pflaster in Deutschland.

Physiologische Testosteronwirkungen Testosteron hat diverse physiologische Wirkungen. Das Hormon ist essentiell für den Erhalt der Libido und damit Voraussetzung für eine ungestörte sexuelle Aktivität. Darüber hinaus hat Testosteron weitere wesentliche psychotrope Wirkungen, indem es zu einer allgemeinen Aktivitätssteigerung, zu Wohlbefinden, Durchsetzungsvermögen und Selbstsicherheit beiträgt. In ausgeprägten Formen kann das psychische Profil des Hypogonadismus dem einer depressiven Verstimmung entsprechen. Im kognitiven Bereich fördert Testosteron das räumliche Vorstellungsvermögen, hemmt allerdings die Verbalisierungsfähigkeit. Über seine anabole Wirkung bewirkt Testosteron eine Zunahme von Muskelmasse und -kraft. Testosteron induziert zudem die männliche Körperfettverteilung und das maskuline Behaarungsmuster. Ein in der Pubertät einsetzender Testosteronmangel führt typischerweise zu einer geraden Stirnhaargrenze, fehlendem Bartwuchs und ausbleibender Stimmutation, während nach Abschluß der Pubertät die bereits erfolgte Androgenisierung erhalten bleibt. Für die Testosteronwirkung in der Prostata ist Dihydrotestosteron als Produkt der 5a-Reduktion von Testosteron wahrscheinlich das hauptsächlich wirksame Androgen. Über Androgenrezeptoren an Osteoblasten und -klasten ist Testosteron in den Knochenstoffwechsel eingeschaltet, wo es zur Aufrechterhaltung der intakten Knochenstruktur und -dichte beiträgt. Seit langem ist belegt, daß der Hypogonadismus einer der wichtigsten Risikofaktoren für eine osteoporotische Fraktur beim Mann ist. Testosteron unterstützt zudem die Erythropoese durch eine Stimulation der Erythropoetinsynthese sowie einen direkten hämatopoetischen Effekt.

Diagnostik des Testosteronmangels Die Symptome der fehlenden psychotropen und anabolen Androgenwirkung sind relativ unspezifisch: abnehmende körperliche und psychische Leistungsfähigkeit, Müdigkeit, Beeinträchtigung von Libido und Potenz. Eine leichte Anämie und Verminderungen der Knochendichte im LWS-Bereich sind dagegen gut objektivierbar, ebenso wie die bei Testosteronmangel reduzierte Größe der Prostata, die sonographisch gemessen werden kann. Die Interpretation der Serumkonzentration von Testosteron kann dagegen Probleme bereiten, da die Testosteronproduktion mit hohen morgendlichen und im Tagesverlauf abnehmenden Serumkonzentrationen eine deutliche Tagesrhythmik aufweist. Die Indikation zur Testosteronsubstitution ist bei entsprechender klinischer Symptomatik und einer in den Morgenstunden erniedrigt gemessenen Serumkonzentration von Testosteron (<12 nmol/l) gegeben. Liegen die Testosteronwerte eindeutig im hypogonadalen Bereich, ist ein Wert zur Diagnosesicherung ausreichend. Bei Konzentrationen an der unteren Referenzgrenze ist eine zweite Bestimmung an einem weiteren Tag indiziert. Die Interpretation der Testosteronkonzentrationen wird durch die LH-Messung ergänzt. Der primäre Hypogonadismus ist durch eine erhöhte LH-Konzentration (>10 U/l) gekennzeichnet. Erniedrigte oder niedrig normale LH-Konzentrationen kennzeichnen den sekundären Hypogonadismus. Insbesondere bei niedrig normalen LH-Werten muß die Diagnose durch die unzureichende oder ausbleibende LH-Antwort in einem Hypophysenstimulationstest mit GnRH (0,1 mg) gesichert werden. Durch die Substitution von Testosteron sollen möglichst physiologische Serumspiegel erzielt werden.

Wann ist eine Therapie mit Testosteron indiziert?
• Primärer und sekundärer Hypogonadismus. Verschiedene Bedingungen können beim Mann zu einem Testosteronmangel führen. Der primäre Hypogonadismus ist häufig Folge der Leydigzell-Insuffizienz bei Klinefelter-Syndrom oder einer erworbenen Anorchie (z.B. Hodentumoren, Hodentorsion, Traumata); die angeborene beidseitige Anorchie ist selten. Häufige Ursachen des sekundären Hypogonadismus sind der idiopathische hypogonadotrope Hypogonadismus, das Kallmann-Syndrom, idiopathische oder erworbene Formen der Hypophyseninsuffizienz. Alle Formen des primären und sekundären Hypogonadismus gehen mit einer Verminderung des Testosterons einher und sind eine eindeutige Indikation zur Testosteronsubstitution.
• Seneszenz. Es ist dagegen umstritten, ob es einen therapiebedürftigen Testosteronmangel im Rahmen der Seneszenz gibt. Männer über 60 Jahre haben im Vergleich zu jüngeren Männern zwar häufiger Testosteronkonzentrationen im hypogonadalen Bereich; die klinisch Relevanz dieser Befunde ist allerding noch unklar. Bereits im jüngeren Lebensalter zeigen die Serumtestosteronspiegel eine erhebliche intraindividuelle Schwankungsbreite, die auch bei älteren Männern erhalten bleibt. Die Interpretation der Serumparameter wird zudem dadurch erschwert, daß Begleiterkrankungen im höheren Lebensalter häufiger werden, die auch bereits in jüngeren Jahren zu einem Abfall der Testosteronwerte führen. Auch wenn die endokrine Gonadenfunktion im Alter leicht abnimmt, bleibt die Gametogenese im fortgeschrittenen Lebensalter erhalten, solange ein guter allgemeiner Gesundheitszustand vorliegt. Derzeit fehlen noch große klinische Studien, die den therapeutischen Wert einer generellen Testosteronsubstitution beim älteren Mann belegen oder widerlegen. Ein Hypogonadismus, der mit Serumtestosteronwerten unter 12 nmol/l belegt werden kann, ist jedoch beim älteren wie beim jüngeren Mann eine Indikation für eine Testosteronsubstitution.

Testosteron-Substitution Eine gut geführte Substitutionstherapie führt zur Korrektur der Anämie und beugt einem weiteren Verlust an Knochenmasse vor. Es kommt zu einer dauerhaften Zunahme der Knochenmasse sowie einer Verbesserung der Knochenstruktur selbst dann, wenn die Therapie erst im höheren Lebensalter einsetzt. Neben der Verbesserung der sexuellen Funktion ist auch ein positiver Einfluß auf die Stimmungslage und das Aktivitätsniveau belegt. Die Therapie des Hypogonadismus mit Testosteron bewirkt eine Zunahme des Prostatavolumens, das allerdings nicht größer wird als in einer altersgleichen Normalpopulation. Ob eine langfristige Therapie mit Testosteron zur Entwicklung einer benignen Prostatahyperplasie oder einer malignen Entartung beiträgt, ist derzeit weder belegt noch widerlegt. Aus großen Autopsiestudien ist seit langem bekannt, daß die Prostatagröße direkt mit dem ansteigenden Lebensalter korreliert, so daß die sonographische Kontrolle von Prostatastruktur und -tumormarker (prostataspezifisches Antigen, PSA) während einer Substitutionstherapie beim älteren Mann (> 45 Jahre) in mindestens jährlichen Intervallen notwendig ist. Eine manifeste benigne Prostatahyperplasie oder auffällige PSA-Werte stellen eine relative Kontraindikation, das manifeste Prostatakarzinom eine absolute Kontraindikation für die Therapie dar. Essentieller Bestandteil der Therapieüberwachung ist die Kontrolle von Hämoglobin, Erythrozytenzahl und Hämatokrit, da die Normalisierung dieser Parameter einerseits den Therapieerfolg belegt, andererseits aber auch langfristige Überdosierungen durch Auftreten einer Polyglobulie erkannt werden. Die Effekte einer Testosteronsubstitution auf das kardiovaskuläre System sind umstritten. Sowohl proatherogene Effekte (Absinken der HDL-Konzentration) als auch antiatherogene Effekte (Reduktion der Lipoprotein-(a)-Spiegel) sind beschrieben.

Präparate zur Testosterontherapie Für die Therapie mit Testosteron steht eine Vielfalt von Präparaten zur Verfügung. Bei der Auswahl des geeigneten Präparates sind insbesondere die unterschiedlichen pharmakokinetischen Eigenschaften zu bedenken. Testosteron-Enanthat zur intramuskulären Injektion wird seit den 50er Jahren verwendet, und Testosteron-Undecanoat ist seit Ende der 70er Jahre als orale Präparation erhältlich. Testosteronpflaster stehen neuerdings sowohl zur Applikation auf die Skrotalhaut als auch zur Applikation auf die nichtskrotale Haut zur Verfügung. Die intramuskuläre Applikation von Testosteron-Enanthat in öliger Lösung wurde bislang in Deutschland am häufigsten durchgeführt, da sie pharmakokinetisch günstiger ist als die orale Testosteronpräparation. Wesentlich günstigere pharmakokinetische Profile sowie längere Halbwertzeiten haben neuere intramuskulär injizierbare Substanzen, die derzeit in klinischen Studien evaluiert werden (Testosteron-Undecanoat, Testosteron-Bucciclat).

Testosteronpflastersysteme Eine gute Alternative für Patienten, bei denen die Testosteronspiegelschwankungen unter Testosteron-Enanthat i.m. oder -Undecanot p.o. zu Beeinträchtigungen des subjektiven Wohlbefindens führen, stellen die jetzt auch in Deutschland erhältlichen Testosteronpflaster dar, die täglich entweder auf die Skrotalhaut oder auf den Torso appliziert werden und natürliches Testosteron enthalten. In einer klinischen Studie mit dem skrotalen Pflaster sind am Institut für Reproduktionsmedizin der Universität Münster über einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren gute Erfahrungen mit der lokalen und systemischen Verträglichkeit und der Aufrechterhaltung der Testosteronspiegel und -wirkung gemacht worden. Auch Testosteronpflastersysteme, die über die nicht-skrotale Haut angewendet werden, produzieren physiologische Testosteronkonzentrationen und führen zu ausgezeichneten Therapieergebnissen. Ein weiterer Vorteil des Pflasters ist die schnelle Elimination von Testosteron nach Absetzen des Präparates, so daß eine mißbräuchliche Anwendung vermieden wird.

Testosteronsubstitution nahe dem physiologischen Ideal Das permeationsverstärkte Testosteron-Transdermalsystem Androderm® wurde mit dem Ziel entwickelt, physiologische Serumkonzentrationen an Testosteron (2,5 mg/System/24 h) über die nicht-skrotale Haut freizusetzen. Das Pflaster wird an Rücken, Bauch, Oberarm oder Oberschenkel aufgeklebt, wobei - in Abhängigkeit vom morgendlichen Serum-Testosteronspiegel und des Körpergewichts - eine einmal tägliche Applikation von ein bis drei Pflastern am Abend, gegen 22.00 Uhr, empfohlen wird. Studienergebnisse bei unterschiedlichen Gruppen von männlichen hypogonadalen Patienten zeigen, daß sich mit Androderm® physiologische Serumkonzentrationen an Testosteron und seiner aktiven Metaboliten Dihydrotestosteron und Estradiol erzielen lassen. Zudem imitiert dieses System auch die natürlichen Tagesschwankungen des Testosteronspiegels wie bei gesunden Männern: Testosteron wird zirkadian ausgeschüttet, wobei - vereinfachend - der Testosteronspiegel morgens hoch ist und im Laufe des Tages abfällt. Auch hinsichtlich der Behebung der Symptome des Hypogonadismus bestätigen klinische Phase-III-Studien eine gute Wirksamkeit von Androderm®.

Der Testosteronspiegel im Alter: Die mittleren Testosteronspiegel des Mannes erreichen im Alter von ca. 25 bis 30 Jahren ihr Maximum und bleiben bis zum 50. bis 55. Lebensjahr nahezu konstant. Jenseits dieses Alters nehmen sie natürlicherweise ab, so daß bei 75jährigen nur noch 60% der mittleren Testosteronspiegel von jungen Männern erreicht werden. Die intraindividuellen Unterschiede der Plasmaspiegel sind allerdings sowohl bei jungen als auch bei älteren Männern sehr groß. Etwa 20% der gesunden Männer über 75 Jahre haben Serum-Testosteronspiegel, die im für junge Männer normalen Bereich liegen. Andererseits haben etwa 20 bis 30% der Männer in dieser Altersklasse deutlich subnormale, also hypogonadale Plasmaspiegel.

Testosteron und erektile Dysfunktion Testosteron spielt eine zentrale Rolle in dem Aufrechterhalten der normalen zentralen und peripheren Innervation des Erektionsmechanismus. Testosteronmangel führt zu einer signifikant verringerten neuronalen Erregbarkeit und zur Apoptose (programmierter Zelltod) innerhalb des kavernösen Gewebes sowie zur Abnahme der kavernösen Stickoxid-(NO)-Synthetase, wobei NO der Hauptüberträgerstoff der penilen Erektion ist. Nach ausführlicher Diagnose und Ausschluß anderer möglicherweise ursächlicher endokrinologischer Erkrankungen bietet die Testosteronsubstitution über ein transdermales System eine sinnvolle Therapieoption. Wichtig sind dabei die ausführliche Patientenaufklärung und regelmäßige Nachuntersuchungen.

Quelle Prof. Dr. Eberhard Nieschlag, Münster; Prof. Dr. Stefan Arver, Stockholm; Prof. Dr. Alex Vermeulen, Ghent; Prof. Dr. Christian Stief, Hannover; Einführungspressekonferenz "Androderm® - ein neuer Weg in der Testosteronsubstitution", Wedel, 16. Juni 1998, veranstaltet von Astra GmbH, Wedel.

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