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Großbritannien: Der Kampf um die Preisbindung bei Arzneimitteln

LONDON (nkh). Britische Apotheker haben im Kampf um die Beibehaltung der Preisbindung bei OTC-Arzneimitteln (Resale Price Maintenance =RPM) zumindest einen Teilerfolg erreichen können. Zwar darf der Generaldirektor des Büros für Fairen Wettbewerb (Director General of the Office of Fair Trading) gegen die Preisbindung Klage vor einem englischen Gericht (Restrictive Practices Court) einreichen; sollten seine Bemühungen jedoch scheitern, ist RPM zumindest für die darauffolgenden fünf Jahre gesichert.

Bereits im Herbst 1995 hatte der Generaldirektor angedeutet, daß er RPM für OTC-Medikamente neu untersuchen will, und kündigte im vergangenen Oktober seine Absicht an, RPM für Medikamente gerichtlich anzufechten. Zur gleichen Zeit kündigte die Labour-Regierung ein neues Wettbewerbsgesetz (Competition Bill) an, das momentan im englischen Parlament debattiert wird. Dies hätte es dem Generaldirektor ermöglicht, RPM gleich zweimal gerichtlich zu verfolgen, einmal unter der jetzigen Gesetzeslage und erneut, sobald das neue Gesetz verabschiedet worden wäre - ein nicht nur für den Steuerzahler teures Verfahren. Die Community Pharmacy Action Group (CPAG), ein Zusammenschluß verschiedener pharmazeutischer Interessensverbände, kämpft bereits seit 1995 für die Beibehaltung der Preisbindung. CPAG befürchtet, daß bis zu einem Viertel der insgesamt 12000 unabhängigen Apotheken die Existenzgrundlage entzogen werden könnte, wenn die Preise für OTC-Medikamente freigegeben würden. Die dadurch so gut wie unvermeidlichen Apothekenschließungen würden nach Ansicht der CPAG bevorzugt die Leute treffen, die in Gegenden leben, die für Supermärkte oder die großen Apothekenketten nicht interessant sind. Angesprochen auf die Tatsache, daß sowohl Apothekenketten als auch Supermärkte bereits jetzt billigere, unter deren eigenen Markennamen laufende OTC-Medikamente verkaufen, sagte Sue Sharpe, eine Sprecherin für CPAG gegenüber der DAZ: "Dies stimmt zwar, jedoch nehmen die übrigen Markenartikel immer noch einen großen Teil des OTC-Marktes ein." Sie deutete auch darauf hin, daß das Problem der Briten in gewisser Hinsicht ein spezielles ist: "Sobald ein Apotheker lediglich eine Apotheke besitzen kann, wie z. B. in Deutschland, besteht keine Gefahr von Preisrabatten auf OTC-Medikamente."

Parlamentsdebatten um die Preisbindung Die Bemühungen der CPAG schienen zunächst erfolgreich. Das House of Lords (das englische Oberhaus), in dem das Gesetz eingebracht worden war, verabschiedete zwei Änderungen. Die Lords verfügten, daß das vom Generaldirektor eingeleitete Verfahren bis zur Verabschiedung des neuen Gesetzes ausgesetzt werden solle, und daß der Fall für oder gegen die Preisbindung in den nächsten fünf Jahren nur einmal vor Gericht gehört werden könne. Zudem unterzeichneten ein Viertel der Abgeordnetes des britischen Unterhauses (House of Commons) einen Antrag, der die Beibehaltung der Preisbindung für OTC-Medikamente unterstützt (160 der insgesamt 194 unterzeichnenden MPs - Member of Parliament - waren Labour-Abgeordnete). Dennoch wurden die von den Lords eingebrachten Änderungen von den MPs überstimmt. Interessanter Weise hatte sich Labour in Opposition immer für eine Preisbindung bei OTC-Arzneimitteln eingesetzt. In dieser Woche wurde das Gesetz noch einmal zur Debatte an das House of Lords verwiesen. Zu etwa demselben Zeitpunkt wie die Änderungen vom Unterhaus abgelehnt wurden, schaltete sich auch die EU-Kommision in Brüssel ein. Der für den Wettbewerb zuständige Kommissar, der Belgier Karel van Miert, ließ es laut Aussage von Sue Sharpe ganz deutlich werden, daß, die Kommission den Fall aufnehmen und sich dabei durchaus auf das bereits vom Büro für Fairen Wettbewerb gesammelte Beweismaterial stützen würde, falls das vom Generaldirektor eingeleitete Verfahren auf irgendwelche Weise verzögert werden sollte. Kurz danach wurde der jetzt gefundene Kompromiß bekannt. Wie CPAG selbst eingesteht, war dies unter den gegebenen Umständen das bestmögliche Resultat. "Nachdem sich die EU-Kommission eingeschaltet hatte, haben wir uns entschieden, den Fall in England auszufechten, denn hier liegt die Beweisschuld beim Generaldirektor", erklärt Sue Sharpe. Die CPAG zeigt sich auch weiterhin zuversichtlich. Deren Hauptgeschäftsführer David Sharpe sagte im Pharmaceutical Journal: "Niemals in meiner 30jährigen Karriere in der Standespolitik hatten wir eine solch enorme Unterstützung für die Preisbindung. Wir müssen darauf bauen." Er fuhr fort: "Dies ist nicht das Ende von RPM, nur der Restrictive Practices Court kann RPM beenden." Dieser wird voraussichtlich im Herbst diesen Jahres entscheiden, ob die Klage des Generaldirektors gegen die Preisbindung bei OTC-Medikamenten zugelassen wird. Das Verfahren würde in diesem Falle in ungefähr zwei Jahren beginnen.

Preisbindung für OTC-Arzneimittel in England OTC-Arzneimittel gehörten bisher zu den beiden Ausnahmen, für die laut einer 1970 gefaßten Gerichtsentscheidung die Preisbindung beibehalten werden durfte. Die Preisbindung für Bücher wurde seither jedoch aufgehoben. Arzneimittel sind jetzt die einzigen Produkte, für die festgelegte Preise nicht unterschritten werden dürfen.

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