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Arzneimittel-Hersteller: Bei freiverkäuflichen Arzneimitteln legen Drogerien zu

GYMNICH (im). Die Apotheke ist nach wie vor die wichtigste Absatzstätte für rezeptfreie Arzneimittel. Dies sagte Dr. Hermann Kortland, Referatsleiter beim Bundesfachverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH), am 3. Juli vor Journalisten in Gymnich. Allerdings gebe es bei den freiverkäuflichen Präparaten in Drogerie- und Verbrauchermärkten höhere Zuwachsraten als in den Offizinen.

Nach Worten von Kortland entfiel im vergangenen Jahr ein Drittel des Gesamtmarkts auf rezeptfreie Arzneimittel (32 Prozent), davon 18 Prozent auf reine Selbstmedikation, wobei der Selbstkauf in der Apotheke (15 Prozent) gegenüber dem in Drogeriemärkten überwog (3 Prozent). 14 Prozent Marktanteile erreichten die von Ärzten verschriebenen, rezeptfreien Arzneimittel. Nach Packungen aufgeschlüsselt werden demnach 40 Prozent aller in Deutschland abgegebenen Packungen im Rahmen der Selbstmedikation erworben. Während die Selbstmedikation mit rezeptfreien Medikamenten in Apotheken 1997 im Vergleich zum Vorjahr um vier Prozent zulegte, war das Wachstum in Drogerie- und Verbrauchermärkten bei den freiverkäuflichen mit einem Plus von sieben Prozent in dem Zeitraum etwas höher. Der Experte des BAH für Wirtschaft und Internationales nannte darüber hinaus einige Ost-West-Vergleiche. So liegen zum Beispiel die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für Medikamente insgesamt und für rezeptpflichtige in den neuen Bundesländern bei jeweils 112 Prozent des Werts der alten Länder. Im Gegensatz dazu lagen die Anteile der verordneten, rezeptfreien (Indexwert 84) und die Selbstmedikation in Apotheken (Index 74) im Osten unter Westniveau. Er führte dies auf die nach wie vor schlechtere wirtschaftliche Situation zurück, die den Selbstkauf bremse und zu einer stärkeren Inanspruchnahme des Solidarsystems führe. Dies werde sich vermutlich erst in einigen Jahren angleichen.

Wann ist Apotheke erste Anlaufstelle? Kortland zitierte darüber hinaus die Fakten der ersten drei Monate 1998 aus der "medic scope" -Erhebung, bei der die Nürnberger GPI-Kommunikationsforschung wöchentlich die Tagebücher von 10000 Teilnehmern auswertet, in denen Kaufgründe dokumentiert werden. Ein Ergebnis: Frauen kaufen öfter und mehr Arzneimittel als Männer. Ihr Anteil beispielsweise an gekauften Packungen von über 60 Prozent belege dies. Daß sich weibliche Personen überproportional um Haushalt und Einkauf im weiteren Sinn kümmern, spiegele sich auch darin wider, daß ein Drittel aller Packungen für Familienmitglieder erstanden werden. Zudem gibt es Hinweise darauf, daß mit steigendem Einkommen die Bereitschaft zum Selbstkauf wächst. Dabei gingen auch gutbetuchte Leute in andere Vertriebsstätten wie Drogerie- oder Verbrauchermärkte, die insgesamt unter dem Begriff Massmarket zusammengefaßt werden. In solchen Absatzstätten würden häufig Zusatzkäufe getätigt, nicht Apothekenprodukte substituiert. Dafür spreche die Tatsache, daß in Supermärkten oder Drogerien der Kaufanlaß "Produkt ausprobieren" einen deutlich höheren Stellenwert als in Apotheken besitze. Bei der Apotheke waren die Gründe "alte Packung verbraucht" oder "Auftreten der Beschwerde" die am häufigsten genannten. Wie Kortland sagte, erweise sich damit die Offizin als erste Anlaufstätte für Käufer mit "ernsthafteren" Beschwerden, die durch Arzneimittel heilend behandelt werden müssen, während in den anderen Vertriebskanälen überwiegend Präparate zur Prävention gekauft würden.

Einige Kaufgründe Die medic-scope-Erhebung habe darüber hinaus ergeben, daß die Zufriedenheit mit dem Produkt (40 Prozent Anteil an Einkäufen) und dessen Bekanntheit (20 Prozent Anteil an Einkäufen) sowohl innerhalb als auch außerhalb der öffentlichen Apotheken die wichtigsten Kaufgründe seien. In Apotheken erreicht aber auch die Empfehlung von Pharmazeuten mit fast 20 Prozent einen ähnlich hohen Wert, gefolgt von den Hinweisen von Ärzten. Beides spiele im Massmarket kaum eine Rolle. Werbung sei mit jeweils fünf Prozent in beiden Absatzkanälen ebenfalls untergeordnet. Bei den in den Tagebüchern aufgezeichneten Beschwerdebildern sei ein differenziertes, verantwortungsbewußtes Handeln sichtbar. Bei eindeutigen Krankheitszeichen suchten die Patienten den Arzt auf, bei weniger starken Beschwerden gingen sie zwecks Selbstmedikation direkt zum Apotheker, Einkauf im Massmarket finde nur bei leichten Befindlichkeitsstörungen sowie zur Prävention (zum Beispiel Abwehrstärkung) statt. Wie Kortland zusammenfassend feststellte, hat die Selbstmedikation nicht nur eine marktpolitische, sondern auch eine gesundheitspolitische Bedeutung und Legitimation. Welche Rolle zum Beispiel das Alter der Käufer in Apotheken oder anderen Vertriebskanälen wie Supermärkten oder Drogerien spielt, war in einem weiteren Beitrag zum Thema Selbstmedikation und medic-scope-Erhebung in DAZ Nr. 22 vom 28. Mai 1998 dargestellt. Dort war als weiteres Ergebnis die Abhängigkeit des Absatzes in Offizinen von der sofortigen Verfügbarkeit der Präparate genannt worden.

Wieviel wird gekauft? Im Westen:
• jeder Bürger gab 1997 etwa 115 Mark für Selbstmedikation aus
• Ärzte haben pro Kopf rezeptfreie Arzneimittel für 90 Mark verordnet
• sämtliche Arznei-Pro-Kopf-Ausgaben betrugen mehr als 611 Mark
• Patienten zahlten pro Kopf 60 Mark an Zuzahlungen für Arzneimitteln (vorläufige Rechnung)

Im Osten:
• jeder Bürger gab 1997 etwa 84 Mark für Selbstmedikation aus
• Ärzte haben pro Kopf rezeptfreie Arzneimittel für 76 Mark verordnet
• sämtliche Arznei-Pro-Kopf-Ausgaben betrugen rund als 615 Mark
• Patienten zahlten pro Kopf etwa 62 Mark an Zuzahlungen für Arzneimitteln (vorläufige Rechnung) (Quelle: BAH)

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