DAZ aktuell

Festsetzung von Arzneimittel-Richtlinien: Staatsrechtler: verfassungswidriges Ve

GYMNICH (im). Das Verfahren, wie der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen derzeit Arzneimittel-Richtlinien festsetzt, ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht in Ordnung. Auch die Begründungen des Bundessozialgerichts dazu seien alle nicht haltbar. Dies sagte der Staatsrechtler Professor Fritz Ossenbühl vom Institut für öffentliches Recht an der Universität Bonn auf dem Presseseminar des Bundesfachverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH) am 2. Juli in Gymnich.

Ossenbühl hatte im Auftrag des BAH die Frage der Verfassungswidrigkeit untersucht. Der Gesetzgeber habe mit diesem Ausschuß quasi "Untergesetzgeber" ernannt. Der Bundesausschuß setze allgemein verbindliches, außenwirksames Recht durch seine Richtlinien, die Kassen und Ärzte bänden, sagte der Jurist. Wie bereits mehrfach berichtet, hat dieses paritätisch von Ärzten und Kassen besetzte Gremium durch die Neuordnungsgesetze noch mehr Machtfülle erhalten. Für Apotheker sind beispielsweise die Arzneimittel-Richtlinien insofern interessant, da die niedergelassenen Mediziner häufig bereits mit der ersten Diskussion um Verordnungsausschlüsse, also vor dem Inkrafttreten, beginnen, bestimmte Präparate nicht mehr zu verschreiben. Zutreffend sei, so der Staatsrechtler, daß der Gesetzgeber nur die Möglichkeit habe, etwa über Verordnungen oder Satzung, Gesetze zu konkretisieren, jedoch nicht darüber hinaus. Weitere Regelungen müßten verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen genügen, dies täten die Richtlinien jedoch nicht. Beide Begründungen des Bundessozialgerichts zu diesem Tatverhalt träfen nicht zu. In einem Urteil am 20. März 1996 habe der sechste Senat des BSG die Richtlinien als anstaltsautonomes Recht bezeichnet. Bei dem Bundesausschuß von Ärzten und Krankenkassen liege aber kein homogenes, gemeinsames Berufsinteresse, sondern vielmehr ein Interessensgegensatz vor, der ausgeglichen werden müsse. Darüber hinaus seien die Mitglieder nicht demokratisch gewählt. Anschließend habe der erste Senat des BSG am 16. 9. 1997 eine andere Begründung abgegeben. Die Richtlinien setzten lediglich ein historisch gewachsenes Regelungssystem fort, zum anderen sei die Funktionsfähigkeit des geltenden Krankenversicherungssystems angeführt worden. Auch dies bezeichnete Ossenbühl als unhaltbar. Eine solche 1932 begonnene Tradition fehle, zudem gelte das Argument mit der Funktionsfähigkeit nicht, da es nur bei verfassungsrechtlich geschützten Gütern wie der Bundeswehr gelte. Dies sei bei der Krankenversicherung aber nicht der Fall. Ossenbühl schlug daher die Rückführung der Aufgaben auf den Staat vor, allerdings solle der Verordnungsgeber nicht auf den Sachverstand des Bundesausschusses verzichten, sondern zum Beispiel Anhörungen ansetzen. Wie der BAH-Hauptgeschäftsführer ergänzte, wird ein solches Verfahren zum Beispiel im Sachverständigenausschuß zur Verschreibungspflicht praktiziert.

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