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Universität Düsseldorf: Bioabbaubare Polymere zur Geweberegeneration

Am 14. Mai 1998 hielt Prof. Dr. Achim Göpferich, Lehrstuhl für Pharmazeutische Technologie der Universität Regensburg, im Rahmen des Pharmazeutischen Kolloquiums der Universität Düsseldorf einen Vortrag über "Die Regeneration von Geweben und Organen unter Verwendung bioabbaubarer Polymere".

Tissue Engineering Abbaubare Polymere finden breite Anwendung bei der Formulierung parenteraler Depotarzneiformen. Sie schützen sensible Wirkstoffe vor frühzeitiger Inaktivierung und sind in der Lage, über Polymerabbau und Erosion die Freigabe von Arzneistoffen zu steuern. Neben diesen klassischen Einsatzgebieten gibt es seit einigen Jahren weitere Anwendungen für solche Materialien. So verwendet man seit Anfang der 90er Jahre bioabbaubare Polymergerüste bei der Vermehrung von Zellen zu transplantierbaren Geweben. Diese als tissue engineering bezeichnete Forschungsrichtung hat unter anderem als Zielsetzung, nicht mehr funktionsfähige Gewebe oder Organe durch in vitro gezüchtetes Gewebe zu ersetzen [1]. Eine der Grundvoraussetzungen für die Vermehrung von Zellen auf abbaubaren Polymeren ist die Beherrschung dieser Materialien und das Verständnis des Abbauverhaltens, da sich die Polymergerüste während der Gewebebildung vollständig abbauen müssen. Die Materialeigenschaften sind dabei für die Zellvermehrung und die Zelldifferenzierung von herausragender Bedeutung.

Erosionsmodelle Obwohl man synthetische abbaubare Polymere seit mehr als 25 Jahren z.B. als chirurgisches Nahtmaterial einsetzt, ist ihr Erosionsverhalten bislang immer noch relativ unbekannt. Dies zeigt sich z.B. am Verhalten von Polylactid. Zylinder aus Polylactid erodieren über einen längeren Zeitraum überhaupt nicht, obwohl sinkende Molmassen zumindest auf einen Kettenabbau schließen lassen. Nach diesem Zeitraum brechen die Strukturen spontan zusammen. Hierfür gibt es bislang noch keine Erklärung. Ein besseres Verständnis der Erosionsmechanismen könnte dazu beitragen, abbaubare Polymere gezielter einzusetzen und das Problem der Spontanfreisetzung von Wirkstoffen oder Abbauprodukten zu vermeiden. Systematische Abbaustudien an Polymeren zeigen, daß für die Erosion von Polymeren nicht nur die Hydrolyse der Polymerketten verantwortlich ist, sondern auch die Behinderung bzw. Beeinflussung der Freigabe der Abbauprodukte durch nicht erodiertes Polymer. Computergestützte Erosionsmodelle geben Hinweise darauf, daß Erosion erst dann einsetzt, wenn die Polymermatrix mit einem Netzwerk von Poren durchzogen ist. Wenn ein solcher Perkolationscluster, d.h. ein durchgehendes Porennetzwerk, besteht, dann kann die Polymermatrix in weiten Teilen erodieren [2]. Die entwickelten Abbaumodelle für Polymere zeigen, daß durch Anwendung dieser Algorithmen das experimentelle Erosionsverhalten von abbaubaren Polymeren beschrieben werden kann. Dies erleichtert die Herstellung von Arzneiformen und den Einsatz bioabbaubarer Polymere im tissue engineering.

Anheftung, Vermehrung und Differenzierung der Zellen Im Rahmen der Vermehrung von Bindegewebszellen aus dem Bereich des Knochens (Osteoblasten) auf abbaubaren Polymeren konnte gezeigt werden, daß zunächst die Anheftung von Zellen durch die Art des Biomaterials beeinflußt wird. Dieser Nachweis wurde erbracht durch Vermehrung von Osteoblasten auf Polylactid und auf Blockcopolymeren aus Polylactid und Polyethylenglykol [3]. Dabei zeigt sich, daß die Polymereigenschaften, vor allem der Kontaktwinkel von Wasser, einen erheblichen Einfluß auf das Anheftungsverhalten von Zellen auf diese Materialien nimmt. Mit steigendem Kontaktwinkel verbessert sich die Anheftung von Zellen an die Polymere. Je besser die Zellanheftung ist, um so rascher können sich Zellen vermehren. Es wurde festgestellt, daß sich die Zellen sehr gut an Polylactide anheften und sich dort auch stark vermehren. Durch die Einführung der Polyethylenglykolstrukturen in Polylactid sinkt der Kontaktwinkel von Wasser, und die Zellvermehrung wird verlangsamt. Der Grad der Differenzierung der Zellen, der für die Eigenschaften des In-vitro-Gewebes herausragende Bedeutung besitzt, ist indirekt proportional zur Vermehrung der Zellen. Die höchste Differenzierung findet man auf solchen Materialien, bei denen die Wechselwirkungen mit den Zellen gering ausgeprägt sind, während diejenigen Polymere, auf denen sich Zellen stark vermehren, dazu neigen, die Ausdifferenzierung der Zellen zu den gewünschten Gewebeverbänden zu verlangsamen [4]. Durch die Variation der Hydrophilie des Polymers ergeben sich daher neue Möglichkeiten für das Arbeiten mit abbaubaren Polymeren im tissue engineering. Eines der Ziele der weiteren Arbeiten ist die Beeinflussung des Verhaltens von Zellen durch den Einsatz von Diblockcopolymeren, um sie gezielt zu vermehren oder zu differenzieren.

Literatur [1]R. Langer, J. Vacanti: Tissue Engineering. Science 260, 920-926 (1993). [2]A. Göpferich: Polymer Bulk Erosion. Macromolecules 30, 2598-2604 (1997). [3]F. v. Burkersroda, R. Gref, A. Göpferich: The Erosion of Biodegradable Block Copolymers made of Poly(D,L-lactic acid) and Poly(ethylene glycol). Biomaterials 18, 1599-1607 (1998). [4]A. Göpferich, S. Peter, C. Vergani, A. Mikos: Biodegradable Polymers for the regulation of drug and cell attachment. J. Biomed. Mat. Res. (eingereicht). Autorreferat

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