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Universität Würzburg: Neues über die Schafgarbe

Im Rahmen des Pharmazeutisch-biologischen Seminars der Universität Würzburg berichtete am 20. November 1997 Dipl.-Biologin Monica Kempster (Lehrstuhl für Pharmazeutische Biologie) über erste Ergebnisse ihrer Dissertation: Individuelle Varianz einer räumlich abgeschlossenen Population von Achillea millefolium s. l.

Die Schafgarbe (Achillea millefolium L., Asteraceae) zählt zu den ältesten Heilpflanzen und wurde von vielen Kulturen zur Behandlung unterschiedlicher Krankheiten eingesetzt. Bereits Dioscurides, Militärarzt zur Zeit des römischen Kaiserreiches (1. Jh. n. Chr.), erwähnt die Schafgarbe in seiner "Materia Medica" aufgrund ihrer blutungsstillenden und entzündungshemmenden Wirkung. Im Mittelalter bzw. in der frühen Neuzeit wird die Schafgarbe - zumeist Millefolium oder Garb genannt - von zahlreichen Autoren beschrieben, so z.B. von der hl. Hildegard von Bingen, von Brunfels, Leonhart Fuchs und Lonicerus. Heute ist die Schafgarbe eine sowohl in der europäischen Volksheilkunde als auch in der wissenschaftlichen Phytotherapie anerkannte Medizinalpflanze. Sie wird als Millefolii herba im DAB 1998, ÖAB 9, Ph. Pol. III, Ph. Hung. V und als Millefolii flos in der Ph. Helv. VII geführt. Achillea millefolium wird als Teeaufguß oder in Fertigpräparaten als Antiphlogistikum, Spasmolytikum, Stomachikum, Karminativum und Cholagogum eingesetzt (Wichtl 1997). Abgesehen von der choleretischen Wirkung deckt sich der Anwendungsbereich mit dem der Kamillenblüten, was sich auf ähnliche Inhaltsstoffe zurückführen läßt, wie auf Flavonoide, Polyine, Cumarine und v.a. auf das antiphlogistisch wirksame Sesquiterpen Chamazulen, welches im Destillat von Millefolii herba und Matricariae flos ein wichtiges Wirkprinzip darstellt.

Kleinarten Die vom DAB vorgeschriebene Stammpflanze Achillea millefolium wird nach Ehrendorfer (1973) als Aggregat mehrerer Kleinarten unterschiedlicher Ploidiestufe betrachtet. Die einzelnen Kleinarten sind sehr anpassungsfähig, bastardisieren leicht und zeigen neben einem variablen Habitus auch morphologische Übergänge zwischen den Gruppen. Auch die Zusammensetzung des ätherischen Öls ist z.T. sehr unterschiedlich. Den höchsten Gehalt an Chamazulen weist unter den Wildarten Achillea collina auf. Dem Achillea millefolium-Aggregat gehören allerdings auch azulenfreie Kleinarten wie Achillea pratensis an. Dies führt dazu, daß aus Wildsammlungen gewonnene Droge im Azulengehalt oft nicht den Anforderungen des DAB entspricht. Eine sichere Zuordnung eines Individuums zu einer der Kleinarten von Achillea millefolium ist nur möglich, wenn Morphologie, Ploidiestufe und Inhaltsstoffmuster des ätherischen Öls berücksichtigt werden. Betrachtet man die hohe Variabilität der einzelnen Achillea-Sippen, so erhebt sich die Frage, in welchem Maße diese Variabilität auch innerhalb der Kleinarten auftritt. In der vorliegenden Arbeit wurden 56 Horste einer Population von Achillea millefolium markiert und untersucht, deren räumlich abgeschlossene Lage auf einer von Wald umgebenen Wiese eine Durchmischung mit anderen Populationen einschränkt. Als Erntezeitpunkte wurden das Erreichen der Vollblüte im Juni sowie das Ende der Blütezeit im Oktober gewählt. Die untersuchte Population war tetraploid, konnte aber morphologisch nicht eindeutig als Achillea collina oder Achillea pratensis klassifiziert werden. Eine Untersuchung aller geernteten Individuen nach dem morphometrischen Bestimmungsschlüssel von Saukel und Länger (1992) ergab für die meisten Pflanzen eine Mittelstellung, nur vereinzelte Individuen entsprachen klar dem Achillea collina- oder Achillea pratensis-Typus. Die ätherischen Öle wurden mit einer modifizierten Karlsruher Apparatur aus den getrockneten Blütenständen gewonnen und anschließend gaschromatographisch untersucht. Ausnahmslos alle Proben enthielten Chamazulen. Es kann daher als gesichert gelten, daß es sich bei der untersuchten Population um Achillea collina handelt. Da die Fähigkeit zur Azulenbildung rezessiv vererbt wird, kann auch eine Bastardisierung mit Achillea pratensis weitgehend ausgeschlossen werden.

Terpenoidmuster im Sommer... Die untersuchten Öle sind sich qualitativ ähnlich. Sie führen die gleichen Haupt- und Nebenkomponenten, deren quantitative Zusammensetzung jedoch beträchtlich schwanken kann und deutlich vom Erntezeitpunkt abhängt. Bei der Sommerernte sind 70 bis 90% des Gesamtöls Sesquiterpene, wobei der größte Anteil auf das Chamazulen entfällt (bis zu 4 mg/g TG Droge). Weitere sesquiterpenoide Hauptkomponenten sind das Caryophyllen mit 10 bis 20% Anteil am Gesamtöl und Germacren D mit 2 bis 10%. Bei den Monoterpenen bilden b-Pinen, Sabinen und 1,8-Cineol die Hauptbestandteile, wobei die Monoterpenmuster erheblich stärker variieren als die Sesquiterpenmuster. Bezüglich des Gehaltes an Sabinen und b-Pinen lassen sich drei Typen erkennen. Hohe Sabinenanteile (bis zu 20% des Gesamtöls) bei geringerem b-Pinengehalt charakterisieren die Hälfte der untersuchten Individuen, große Mengen b-Pinen finden sich bei ca. 30% der Individuen; die restlichen Pflanzen enthalten gleiche, geringere Mengen beider Komponenten. Einige Proben fallen durch relativ hohe Anteile einzelner Nebenkomponenten wie Campher, Myrcen und a-Pinen auf. Eine Korrelation von Phänotypus und Ätherisch-Öl-Muster konnte nicht gefunden werden.

...und im Herbst Die ätherischen Öle der Herbsternte zeigen eine etwas andere Zusammensetzung als die der Sommerernte. Der Anteil der Sesquiterpene ist mit durchschnittlich 60% des Gesamtöls deutlich geringer, der Chamazulengehalt beträgt zumeist 1 mg/g TG Droge. Entgegen der Tendenz einer verringerten Sesquiterpenproduktion enthalten die Proben hohe Mengen an Dimethylvinylazulen, das in den Sommerproben nur in Spuren enthalten ist. Der Anteil der Monoterpene liegt in den ätherischen Ölen der Herbsternte bei ca. 40%. Die Verteilung zwischen b-Pinen und Sabinen entspricht der der Sommerernte.

Ausblick Die individuelle Variabilität der untersuchten Population von Achillea collina ist in inhaltsstofflicher wie morphologischer Hinsicht hoch. Weitere Untersuchungen sollen auf andere Kleinarten ausgedehnt werden, um zu überprüfen, ob die in dieser Arbeit beobachtete hohe Varianz die Regel ist. Des weiteren soll der Einfluß des Standortes und der Klimabedingungen auf die Zusammensetzung des ätherischen Öls untersucht werden. Autorreferat

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