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Kommunikation und Chipkarte: Primasystem - auf den Patienten kommt es an

MÜNCHEN (ms). Primasystem heißt das computergestützte Informationssystem des Pharmaunternehmens MSD, das derzeit in Bayern getestet wird. Im Mittelpunkt des Primasystems steht der gesundheitsbewußte Patient, der sich auf einer Chipkarte Daten zu seinen Krankheiten und zu eingenommenen Arzneimitteln speichern lassen kann. Diese Daten dienen Arzt und Apotheker als Grundlage für eine Online-Überprüfung möglicher Arzneimittelrisiken oder Interaktionen. Für das Primasystem interessieren sich nach Auskunft von MSD vor allem Krankenkassen, Kassenärztliche Vereinigungen sowie Gruppen, die am Aufbau von Arztnetzen arbeiten. MSD stellte die Arbeitsweise des Systems auf einer Pressekonferenz am 26. Mai in München vor.

Kommunikation ist gefragt Das Gesundheitswesen weist eine Reihe von Mängeln auf. Da es keine elektronische Patientenakte gibt, muß man einen mehrfachen Zeitaufwand für Anamnese, Diagnose und Befund in Kauf nehmen, was zusätzliche Kosten verursacht. Wenn mehrere Ärzte einen Patienten behandeln, ist der interne Kommunikationsaustausch in der Regel mangelhaft. Das kann zu Doppelverordnungen führen, aber auch zu Verordnungen, die gefährliche Interaktionen auslösen. Aus diesem Grund werden von vielen Seiten elektronische Basisdokumentationen und intelligente Kommunikationssysteme gefordert, die "Wissen auf dieser Dokumentation aufsetzen". Ein solches System ist das Primasystem.

Verbesserung der Qualität Das Primasystem soll die Kommunikation zwischen Patienten, Ärzten und Apothekern verbessern. Grundlage dafür ist die Patientenchipkarte Primacard, die der Patient vom Arzt oder Apotheker erhält. Nach den Bestimmungen des Datenschutzgesetzes muß sich der Patient freiwillig entscheiden können, welche Informationen er auf der Chipkarte speichern lassen möchte. Vorgesehen sind unter anderem Krankheitsdiagnosen nach ICD 10, die der Arzt eingibt, sowie Angaben über Arzneimittel (verordnet oder "over the counter"), die der Apotheker nach der ABDA-Datenbank eingibt.

Kontrolle ist alles Das Kernstück des Primasystems ist der sogenannte Primacheck, den Arzt oder Apotheker vornehmen. Über die Telefonleitung wird ein Rechner angewählt, der die auf der Chipkarte gespeicherten Daten in weniger als 20 Sekunden auf mögliche Arzneimittelrisiken und Wechselwirkungen auswertet. Der Rechner antwortet mit "handlungsrelevant aufbereiteten Meldungen", wobei die Meldungen nach dem Schweregrad in drei verschiedene Stufen eingeteilt sind. Das System gibt zum Beispiel in Stufe 1 wichtige Einnahmehinweise, erinnert in Stufe 2 daran, daß ein chronisch kranker Patient ein Dauermedikament nicht erhalten hat, und warnt in Stufe 3 vor schweren Wechselwirkungen oder Arzneimittelallergien. Der medizinisch-wissenschaftliche Beirat des Primasystems, ein Gremium unabhängiger Experten, ist dabei für den Wortlaut und die Richtigkeit der Meldungen verantwortlich.

Der TÜV paßt auf Das Primasystem wird seit Anfang dieses Jahres in Bayern getestet. Der Schwerpunkt ist München und Umgebung sowie Niederbayern. An dem Feldversuch nehmen jeweils 20 bis 25 Ärzte und Apotheker sowie 500 bis 1000 Patienten auf freiwilliger Basis teil. Der TÜV Bayern überwacht die vom Gesetzgeber geforderten Sicherheitsvorkehrungen. Der Feldversuch wird Ende dieses Jahres abgeschlossen sein. Als technische Voraussetzungen sind eine angepaßte Arzt- oder Apothekensoftware, ein multifunktionales Chipkartenlesegerät, eine ISDN-Karte sowie ein ISDN-Anschluß erforderlich.

Falsche Sicherheit Der Primacheck erfolgt aufgrund der auf der Chipkarte gespeicherten Daten, wobei der Patient nach dem Datenschutzgesetzes entscheiden kann, welche Informationen er gespeichert haben will. Dieses Prozedere ist nicht unbedenklich. Hat der Patient zum Beispiel die Chipkarte vergessen oder will er bestimmte Daten nicht speichern lassen, fehlen wichtige Angaben für den Primacheck. Es ist dann möglich, daß ein Primacheck fälschlicherweise keine Warnmeldung anzeigt, obwohl Risiken vorhanden sind. Dem Arzt oder Apotheker würde in diesem Falle eine falsche Sicherheit vorgespielt werden. Dieser Problematik ist sich MSD aber bewußt. Man habe nicht alle Patienten als Zielgruppe vor Augen, sondern in erster Linie "multimorbide, ältere Patienten, die gesundheitsbewußt sind und etwas für sich tun wollen". Diese Patientengruppe, wie auch die positive Resonanz des Feldversuches zeige, habe ein großes Interesse daran, daß alle Daten vollständig auf der Chipkarte gespeichert würden.

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