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Kassenärzte: Viagra wäre Super-GAU

Eine Zulassung von Sildenafil (Viagra®) gegen Potenzstörungen hätte in Deutschland verheerende Folgen für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV).

Sollten Millionen von Männern das Blanko-Versprechen der "Potenzpille" einlösen wollen, werde die solidarische Krankenversicherung "spätestens" bis zum Ende dieses Jahres vor existentielle Finanzprobleme gestellt, meint Dr. Lothar Krimmel von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung in Köln, welche die 110.000 niedergelassenen Vertragsärzte vertritt. Handele der Gesetzgeber nicht, gerieten angesichts zu erwartender erheblicher Dimensionen Arzneimittelbudgets und Richtgrößen zur Farce.

Gegen Blanko-Versprechungen

Krimmel, der stellvertretender Hauptgeschäftsführer der KBV ist, bezeichnete die Verordnung des Präparates auf Kassenrezept als "Super-GAU für die GKV" und warnte die Krankenkassen vor überzogenen Blanko-Versprechnungen an ihre Versicherten. Werde Sildenafil wie in den USA zur Behandlung von Potenzstörungen im Sinn der erektilen Dysfunktion zugelassen, beträfe dies in Deutschland 7,5 Millionen Männer, schrieb Krimmel in einem Kommentar für das "Deutsche Ärzteblatt" vom 12. Juni. Bei einem Einzelpreis der Tablette von etwa 20 Mark entstünden der GKV jährliche Ausgaben in Höhe von 7,5 Milliarden Mark bei einer Koitusfrequenz von einmal pro Woche oder Ausgaben von 15 Milliarden Mark bei einem Einsatz von zweimal pro Woche. Bei dreimal pro Woche zugestandener gestärkter Manneskraft schlügen Kosten in Höhe von 22,5 Milliarden Mark jährlich zu Buche, bei täglicher Einnahme dieses Präparates rund 53 Milliarden Mark zu Lasten der GKV, so seine Hochrechnung. Da sich die Gesamtausgaben für Arzneimittel 1997 auf rund 33 Milliarden Mark beliefen, müßten die Arzneibudgets mehr als verdoppelt, allein die Richtgrößen für Urologen um mehr als 3000 Prozent nach oben korrigiert werden, da sich kaum ein Mann einen solchen Leistungsanspruch entgehen ließe, schätzt Krimmel, für ihn ein "absurdes Szenario". Nach Ansicht des stellvertretenden KBV-Hauptgeschäftsführers ist keine Abwendung der Gefahr durch die Sozialgerichte zu erwarten, da diese bei ihren Entscheidungen die Finanzierungsgrenzen einer gesetzlichen Zwangsversicherung (wie der GKV) nicht berücksichtigten. Auch der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen, der über neue Behandlungsmethoden zu Lasten der GKV befindet, werde Sildenafil nicht ausschließen können, befürchtet der Ärztevertreter. Der Gesetzgeber sei mit entsprechenden Klarstellungen gefordert. Noch gebe es eine Galgenfrist, da das Präparat nur unter der Ausnahmebestimmung des Paragraphen 73 des Arzneimittelgesetzes in Verkehr gebracht werden kann. Da die europäische Zulassung in etwa zeitgleich mit der Bundestagswahl Ende September zu erwarten sei, werde dieses Thema die erste Nagelprobe der neuen Regierung sein.


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