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Bundeswehr: Sanitätsdienst: Einsatz in Georgien/Abchasien

Seit 1993 ist die UNO in Georgien/Abchasien mit einer Militärbeobachtermission vertreten, um den Waffenstillstand zu beobachten und Bericht über relevante Ereignisse zu erstatten. Seit Februar 1994 unterstützen deutsche Soldaten als Militärbeobachter die UN-Friedenstruppen in Georgien. Das zeitweise auf 136 Militärbeobachtern angewachsene UN-Kontingent wird zudem von Sanitätssoldaten der Bundeswehr medizinisch versorgt.

Einsatzgebiet Georgien liegt östlich vom Schwarzen Meer zwischen dem großen und dem kleinen Kaukasus. Seine alpine Zerrissenheit fördert die ethnische Vielfalt und erschwert die Bildung nationaler Gemeinsamkeiten. Von den ca. 5,5 Mio. Einwohnern Georgiens sind beispielsweise etwa 2% Abchasen, die in ihrer (ehemals) autonomen Republik am Schwarzen Meer 17% der Bevölkerung stellten. Nach den Unabhängigkeitserklärungen Georgiens im Jahre 1991 und Abchasiens im August 1992 entwickelten sich Mitte 1993 bürgerkriegsähnliche Zustände in Abchasien und Westgeorgien (Mingrelien). 5 Jahre nach diesen Unruhen hat sich die politische und wirtschaftliche Situation immer noch nicht vollständig stabilisiert. Es gibt terroristische Anschläge und zahlreiche kriminelle Übergriffe wie Geiselnahmen, Raub und Diebstahl. Zur Zeit sind zwei "Sanitätsstabsoffiziere Arzt" und vier Sanitätsunteroffiziere der Bundeswehr im Einsatzgebiet tätig: in der abchasischen Hauptstadt Suchumi, in Gali und in Zugdidi, zwei Orten in der Sicherheitszone auf abchasischem bzw. georgischem Gebiet.

Arzneimittelversorgung Beide Ärzte verfügen über das erforderliche Gerät zur allgemeinmedizinischen Betreuung und für die rettungsmedizinische Notfallbehandlung und zudem über drei Arzneimittel-Ausgabestellen (Dispensaries) in den drei Einsatzorten, die notgedrungen umfangreicher ausgestattet sind als vergleichbare Einrichtungen in Deutschland, da im Einsatzgebiet keine Apotheke verfügbar ist. Die Bevorratung mit Arzneimitteln liegt in der Verantwortung des Senior Medical Officer (SMO), des dienstgradhöchsten deutschen Sanitätsoffiziers. Die Lagerungsorte für Arzneimittel können aus räumlichen Gründen nicht von den Behandlungszimmern getrennt werden. Obwohl aufgrund der örtlichen Gegebenheiten die Unterbringung in den genannten Einsatzorten sehr spartanisch ist und westlichen Standards kaum genügt, kann eine effiziente Behandlung dennoch gewährleistet werden. Verletzte oder auch getötete Soldaten, zivile Minenopfer und Bandenterror erinnern immer wieder daran, daß der durch die unbewaffneten UN-Militärbeobachter erzwungene Waffenstillstand noch nicht der ersehnte Frieden ist. Im Rahmen der Versorgung der UN-Soldaten im Einsatzgebiet mit Arzneimitteln sind eine Reihe von UN-Vorschriften zu beachten. Die Arzneimittelanforderung, die von dem SMO an die örtliche UN-Administration weitergeleitet wird, ist die Grundlage für einen sog. Letter of Assist (LOA), den die zuständige Stelle im UN Head Quarter, New York ausstellt. Aufgrund des LOA erfolgt die Auslieferung der im Einsatzgebiet benötigten Arzneimittel, die in Regel von der Apotheke des Bundeswehrzentralkrankenhauses Koblenz auf Weisung des Sanitätsamtes der Bundeswehr bereitgestellt werden. In wenigen Fällen wird auch aus UN-Depots auf Anordnung der im Einsatzgebiet tätigen UN Civil Administration ausgeliefert. Umfangreiche Arzneimittelsendungen werden per Luftfracht über Istanbul nach Georgien geflogen und mit UN-Fahrzeugen nach Suchumi transportiert, wo sie einer Kontrolle unterzogen werden. Für alle Arzneimittel wie auch für andere Verbrauchsgüter, die aufgrund eines LOA geliefert werden, ist diese Eingangskontrolle erforderlich, da sämtliche mit der Lieferung in Zusammenhang stehenden Kosten den Vereinten Nationen in Rechnung gestellt werden. Die nach der Eingangsprüfung ausgefertigte Empfangsquittung und der LOA bilden dabei die Grundlage für die Rechnungslegung. In dringenden Notfallsituationen benötigte Arzneimittel, die vor Ort nicht verfügbar sind, können über den geschilderten Anforderungsweg nicht zeitgerecht geliefert werden; ihre zügige Auslieferung wird ohne LOA durch das Sanitätsamt der Bundeswehr sichergestellt, wobei in Kauf genommen wird, daß eine nachträgliche Kostenübernahme von der UN-Administration in New York üblicherweise abgelehnt wird. Die Lieferungen von Arzneimitteln aus den UN-Depots sind häufig Anlaß für die Durchführung einer organoleptischen Überprüfung am Einsatzort oder einer konkreten Arzneimittelanalyse, die in einem Zentralen Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr erfolgt. Dadurch kann die Arzneimittelsicherheit weitgehend gewährleistet werden. Der Einsatz eines deutschen Kontingentes dauert jeweils sechs Monate. Eine umfangreiche Ausbildung und persönliche Vorbereitung sind erforderlich, um den Anforderungen im Einsatzgebiet gerecht zu werden. Ärztliche Improvisationskunst ist ebenso gefragt wie der Umgang mit verletzten Zivilpersonen. Die medizinische Hilfe wird von der einheimischen Bevölkerung dankbar entgegengenommen und ist u.a. Ursache für ein entspanntes und im allgemeinen freundliches Verhältnis zu den deutschen Sanitätssoldaten.

Dr. V. Beck, Oberstapotheker Dr. D. Kronabel, Oberfeldapotheker

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